KIEW (dpa) — Nach einem russi­schen Angriff auf ein Wohnhaus beklagt die Ukrai­ne Dutzen­de Tote und Verletz­te. Die USA sagen Kiew unter­des­sen weite­re Militär­hil­fen zu. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Mit schar­fen Worten hat die Ukrai­ne einen russi­schen Raketen­an­griff mit mindes­tens 21 Toten und 39 Verletz­ten auf ein Wohnhaus im südukrai­ni­schen Gebiet Odessa verur­teilt. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj sprach von einem «absicht­li­chen, geziel­ten russi­schen Terror».

In dem Haus seien weder Waffen noch militä­ri­sche Ausrüs­tung versteckt gewesen — «wie russi­sche Propa­gan­dis­ten und Beamte immer über solche Angrif­fe erzäh­len», sagte er am Freitag in einer Video­bot­schaft. Der Einschlag der drei Raketen sei kein Verse­hen gewesen. Der Samstag ist für die Ukrai­ne der 129. Kriegstag.

London protes­tiert in Moskau gegen Behand­lung Kriegsgefangener

Großbri­tan­ni­en hat nach Berich­ten über die Gefan­gen­nah­me zweier weite­rer Briten im Osten der Ukrai­ne gegen die Behand­lung Kriegs­ge­fan­ge­ner durch Russland protes­tiert. «Wir verur­tei­len die Ausbeu­tung von Kriegs­ge­fan­ge­nen und Zivilis­ten für politi­sche Zwecke und haben dies gegen­über Russland angespro­chen», teilte das Außen­mi­nis­te­ri­um in London am Samstag auf Anfra­ge mit. «Wir stehen in ständi­gem Kontakt mit der ukrai­ni­schen Regie­rung wegen der Fälle und unter­stüt­zen die Ukrai­ne vollum­fäng­lich dabei, sie freizu­be­kom­men.» Konkre­ter wollte sich das Minis­te­ri­um nicht äußern.

London: Zivile Opfer wegen ungenau­er Raketen

ussland setzt nach briti­scher Einschät­zung bei seinen Angrif­fen in der Ukrai­ne zuneh­mend auf ungenaue Raketen. Grund sei vermut­lich, dass die Vorrä­te an moder­nen, zielge­nau­en Waffen schwin­den, teilte das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in London am Samstag mit. Analy­sen von Überwa­chungs­auf­nah­men hätten ergeben, dass das Einkaufs­zen­trum in der ostukrai­ni­schen Stadt Krement­schuk sehr wahrschein­lich von einer Rakete des Typs Ch-32 getrof­fen worden sei, hieß es unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse.

Dabei hande­le es sich um eine Weiter­ent­wick­lung der sowje­ti­schen Rakete Ch-22 (Nato-Code: AS‑4 Kitchen), die aber noch immer nicht dafür optimiert sei, Boden­zie­le genau zu treffen, vor allem in Städten. «Dies erhöht die Wahrschein­lich­keit von Kolla­te­ral­schä­den beim Zielen auf bebau­te Gebie­te erheb­lich», beton­te das Ministerium.

Außen­mi­nis­ter: Russland führt Krieg gegen Zivilisten

Der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba warf Russland im Zusam­men­hang mit dem Raketen­an­griff einen Krieg gegen Zivilis­ten vor. «Ich forde­re unsere Partner dringend auf, der Ukrai­ne so schnell wie möglich moder­ne Raketen­ab­wehr­sys­te­me zur Verfü­gung zu stellen. Helft uns, Leben zu retten und diesem Krieg ein Ende zu setzen», teilte Kuleba per Twitter mit.

Kiew: Russi­sche Angrif­fe auf breiter Front

Im Osten der Ukrai­ne setzt Russland nach Angaben aus Kiew seine Angrif­fe auf breiter Front fort. Im Raum Charkiw versu­che die russi­sche Armee, mit Unter­stüt­zung der Artil­le­rie verlo­re­ne Positio­nen zurück­zu­er­obern, teilte der ukrai­ni­sche General­stab am Samstag mit. Zahlrei­che Orte würden beschos­sen, um die ukrai­ni­sche Armee dort zu binden. In der Region Donezk sei eine russi­sche Attacke abgewehrt worden, hieß es. Aus dem Raum Awdijiw­ka wurden russi­sche Luftan­grif­fe gemel­det. Im Schwar­zen Meer wieder­um blockie­re Russland weiter­hin die Seever­bin­dun­gen der Ukraine.

Bürger­meis­ter: Russland benutzt Streumunition

Russland soll bei Raketen­an­grif­fen auf die Stadt Slowjansk im Osten der Ukrai­ne mit mindes­tens vier Toten nach ukrai­ni­schen Angaben verbo­te­ne Streu­mu­ni­ti­on einge­setzt haben. Dabei seien in der Nacht zum Samstag zivile Berei­che getrof­fen worden, in denen es keine Militär­an­la­gen gebe, berich­te­te Bürger­meis­ter Wadym Ljach am Samstag im Online-Messen­ger­dienst Telegram. Vier Menschen seien getötet, sieben Menschen verletzt worden.

Als Streu­mu­ni­ti­on werden Raketen und Bomben bezeich­net, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Spreng­kör­per freiset­zen. Ihr Einsatz ist völker­recht­lich geächtet.

USA kündi­gen weite­res Waffen­pa­ket für Ukrai­ne an

Die US-Regie­rung sagte der Ukrai­ne weite­re Militär­hil­fen zur Vertei­di­gung im russi­schen Angriffs­krieg zu. Mit einem Paket in Höhe von 820 Millio­nen US-Dollar (etwa 787 Millio­nen Euro) sollen dem Land unter anderem weite­re Muniti­on für das Raketen­wer­fer­sys­tem vom Typ Himars, zwei Boden-Luft-Raketen­ab­wehr­sys­te­me mit der Bezeich­nung Nasams, Artil­le­rie­mu­ni­ti­on und Radare zur Artil­le­rie­ab­wehr bereit­ge­stellt werden, wie das Penta­gon mitteilte.

Ein großer Teil der neuen Hilfen kommt nicht aus Bestän­den der USA, sondern aus einer Verein­ba­rung mit der Indus­trie. Die USA haben der Ukrai­ne seit Kriegs­be­ginn Ende Febru­ar damit nach eigenen Angaben Waffen und Ausrüs­tung im Wert von fast sieben Milli­ar­den US-Dollar (6,73 Milli­ar­den Euro) zugesagt oder bereits geliefert.

Kiew wirft Moskau Attacke mit Phosphor­bom­ben vor

Die Ukrai­ne wirft Russland den Abwurf von Phosphor­bom­ben auf die Schlan­gen­in­sel im Schwar­zen Meer vor. Mit Kampf­flug­zeu­gen des Typs Su-30 seien von der von Russland 2014 annek­tier­ten Halbin­sel Krim zwei Angrif­fe mit Phosphor­bom­ben geflo­gen worden, teilte der Oberkom­man­die­ren­de der ukrai­ni­schen Armee, Walerij Saluschnyj, mit. Dazu präsen­tier­te der 48-Jähri­ge ein Video, das die Bombar­die­rung belegen soll. Tags zuvor war das russi­sche Militär von der Insel abgezo­gen. Moskau hatte das als «Geste des guten Willens» darge­stellt. Kiew betrach­tet den Abzug von dem am zweiten Kriegs­tag durch die Russen erober­ten Eiland als Sieg infol­ge häufi­ger Angriffe.

Auch die US-Regie­rung sieht die Rückerobe­rung der Schlan­gen­in­sel als Erfolg für das ukrai­ni­sche Militär an. Die Behaup­tung Russlands, der Abzug sei eine Geste des guten Willens gewesen, sei unglaub­wür­dig, sagte ein rangho­her Vertre­ter des US-Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums am Freitag. «Die Ukrai­ner haben es den Russen sehr schwer gemacht, ihre Opera­tio­nen dort aufrecht­zu­er­hal­ten», erklär­te er dem Penta­gon zufol­ge. Das sei der Grund, warum die Russen die Insel verlas­sen hätten.

Ukrai­ni­sche Stellun­gen unter schwe­rem Beschuss

In der Ost- und in der Südukrai­ne sind Stellun­gen der ukrai­ni­schen Armee entlang der ganzen Front­li­nie von russi­schen Truppen mit Artil­le­rie beschos­sen worden. Dutzen­de Orte in den Gebie­ten Charkiw, Donezk, Luhansk, Saporischschja, Mykola­jiw und Cherson wurden am Freitag in dem bei Facebook veröf­fent­lich­ten Bericht des ukrai­ni­schen General­stabs aufgezählt.

Verein­zelt seien auch Angrif­fe von Flugzeu­gen und Hubschrau­bern geflo­gen worden, hieß es. Ukrai­ni­sche Einhei­ten hätten einen russi­schen Angriff bei einem Gelati­ne-Werk bei der Indus­trie­stadt Lyssytschansk im Gebiet Luhansk abgewehrt. Die Berich­te können nicht unabhän­gig geprüft werden.

Kiew feiert «Sieg im Suppenkrieg»

Die UN-Kultur­or­ga­ni­sa­ti­on Unesco hat die ukrai­ni­sche Kochkul­tur der Rote-Beete-Suppe Borschtsch auf ihre Liste des zu schüt­zen­den Kultur­er­bes gesetzt. Grund sei eine Bedro­hung durch den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne. Kiew zeigte sich hocher­freut. «Der Sieg im Krieg um den Borschtsch ist unser!», schrieb Kultur­mi­nis­ter Olexan­der Tkatschen­ko im Nachrich­ten­dienst Telegram. Die Suppe sei nun «offizi­ell ukrainisch».

Die russi­sche Außen­amts­spre­che­rin Maria Sacha­rowa reagier­te gereizt. «Was kommt als Nächs­tes? Anerken­nung von Schwei­ne­fleisch als «ukrai­ni­sches Natio­nal­pro­dukt»?» Andere russi­sche Vertre­ter kommen­tier­ten, dass die Ukrai­ne durch die Entschei­dung kein ausschließ­li­ches Recht auf die Suppe bekom­men habe. Borschtsch-Varian­ten werden in vielen Ländern Osteu­ro­pas zubereitet.