KIEW (dpa) — Der ukrai­ni­sche Präsi­dent appel­liert nach einem Einschlag in der Nähe eines Atomkraft­werks einmal mehr an die Welt. In der besetz­ten Ostukrai­ne sterben Menschen bei Beschuss. Nachrich­ten im Überblick.

In der Nähe eines Atomkraft­werks in der Südukrai­ne ist Kiew zufol­ge eine russi­sche Rakete einge­schla­gen. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj warf Russland in dem Zusam­men­hang am Montag die Gefähr­dung der ganzen Welt vor.

In der von russi­schen Truppen kontrol­lier­ten Stadt Donezk im Osten des Landes wurden unter­des­sen 13 Menschen durch Artil­le­rie­be­schuss getötet. Zwei Grana­ten schlu­gen örtli­chen Medien zufol­ge an einer Bushal­te­stel­le und in einem Geschäft ein. Die örtli­chen Macht­ha­ber machen ukrai­ni­sche Truppen für den Beschuss verant­wort­lich. Kiew weist derar­ti­ge Anschul­di­gun­gen regel­mä­ßig zurück. Unabhän­gig bestä­ti­gen ließen sich die Angaben nicht.

Die Indus­trie­stadt Donezk steht seit 2014 unter der Kontrol­le von Separa­tis­ten, die von Moskau unter­stützt werden — Ende Febru­ar hatte Russland seinen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne begon­nen. Exper­ten zufol­ge setzt Moskau derweil zuneh­mend auf impro­vi­sier­te Einhei­ten mit «nur wenig effek­ti­ver Kampfkraft».

Selen­skyj: Russland stoppen, bevor es zu spät ist

Bei dem Einschlag in der Nähe des Atomkraft­werks wurden nach Angaben des staat­li­chen Betrei­bers Enerhoatom drei Hochspan­nungs­lei­tun­gen und eine Anlage des nahen Wasser­kraft­werks beschä­digt. In dem AKW-Gebäu­de selbst seien mehr als 100 Fenster durch die Druck­wel­le zerstört worden. Der Konzern veröf­fent­lich­te Fotos eines Kraters von vier Metern Durch­mes­ser und zwei Metern Tiefe. Selen­skyj appel­lier­te angesichts des Einschlags an die Welt: Man müsse Russland stoppen, «solan­ge es nicht zu spät ist.»

Das AKW Südukrai­ne liegt knapp 300 Kilome­ter südlich der Haupt­stadt Kiew. Im Betrieb befin­den sich drei Reakto­ren mit einer Netto­leis­tung von 2850 Megawatt. Zuvor hatte bereits über mehre­re Wochen der Beschuss von Anlagen des russisch besetz­ten AKW Saporischschja inter­na­tio­nal Angst vor einer Atomka­ta­stro­phe ausgelöst.

Mit Blick auf die Kämpfe dort hat Polens Innen­mi­nis­te­ri­um landes­weit Jodta­blet­ten an die Berufs­feu­er­wehr ausge­ge­ben. Für jeden polni­schen Bürger werde eine ausrei­chen­de Menge an Kalium­jo­did-Tablet­ten bereit­ge­hal­ten, teilte das Minis­te­ri­um am Montag in Warschau mit. «Dabei handelt es sich um ein gesetz­lich vorge­se­he­nes Standard­ver­fah­ren, das im Falle eines mögli­chen Strah­lungs­not­falls angewen­det wird.» Eine aktuel­le Belas­tung durch atoma­re Strah­lung gebe es aber nicht. Die Behör­de warnte die Bürger auch davor, Jodta­blet­ten prophy­lak­tisch einzunehmen.

Russen bei Charkiw offen­bar weiter zurückgedrängt

In den ostukrai­ni­schen Gebie­ten Charkiw, Donezk und Luhansk haben die ukrai­ni­schen Truppen den russi­schen Gegner offen­bar weiter zurück­ge­drängt. Am Montag melde­ten Kiewer Medien die Rückerobe­rung des Orts Jarowa am linken Ufer des Siwers­kyj Donez. Offizi­el­le Bestä­ti­gun­gen von ukrai­ni­scher oder russi­scher Seite lagen zunächst nicht vor. Zuvor kursier­ten bereits Videos über erfolg­rei­che Vorstö­ße der ukrai­ni­schen Truppen auf das linke Ufer des Oskil im Gebiet Charkiw bei Kupjansk und Borowa.

Zudem ist es ukrai­ni­schen Einhei­ten offen­sicht­lich ebenfalls gelun­gen, bei Biloho­riw­ka über den Siwers­kyj Donezk zu setzen und einen Angriff auf Kremin­na durch­zu­füh­ren. Der Chef der Donez­ker Separa­tis­ten, Dennis Puschi­lin, sprach im russi­schen Fernse­hen zumin­dest von einer abgewehr­ten Attacke auf die seit April unter russi­scher Kontrol­le stehen­de Kleinstadt.

Biloho­riw­ka, das laut dem Militär­gou­ver­neur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, wieder von ukrai­ni­schen Truppen kontrol­liert wird, und Kremin­na liegen bereits im Luhans­ker Gebiet. Die russi­sche Führung hatte Anfang des Sommers die völli­ge Erobe­rung der Region gemel­det. Von der begin­nen­den Unruhe in dem Separa­tis­ten­ge­biet zeugt zudem ein Eilan­trag der dorti­gen «Bürger­kam­mer», schnells­tens ein Referen­dum über den Beitritt zu Russland zu veranstalten.

Kreml bezeich­net Vorwür­fe zu Kriegs­ver­bre­chen als Lüge

Den Vorwurf im ostukrai­ni­schen Charkiw Kriegs­ver­bre­chen began­gen zu haben, weist Russland nun zurück: «Das ist eine Lüge», sagte Kreml­spre­cher Dmitri Peskow am Montag der Nachrich­ten­agen­tur Inter­fax zufol­ge. Russland werde die «Wahrheit» vertei­di­gen. Zuvor waren nahe der Stadt Isjum 440 Gräber mit Leichen gefun­den worden. Einige von ihnen wiesen nach ukrai­ni­schen Angaben Folter­spu­ren auf.

Exper­ten: Putin baut zuneh­mend auf Alter­na­ti­ven zu regulä­ren Truppen

Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin setzt nach Ansicht von Militär­ex­per­ten wegen hoher Verlus­te zuneh­mend auf Impro­vi­sa­ti­on. Der Kreml konzen­trie­re sich immer mehr darauf, schlecht vorbe­rei­te­te Freiwil­li­ge in irregu­lä­ren impro­vi­sier­ten Einhei­ten zu rekru­tie­ren, statt sie als Reser­ve oder Ersatz für regulä­re russi­sche Truppen einzu­set­zen, schrie­ben die Analys­ten des Insti­tu­te for the Study of War (ISW) mit Sitz in Washing­ton am Sonntag­abend (Ortszeit).

Einen Grund dafür sehen die Exper­ten in Putins getrüb­tem Verhält­nis zur eigenen Militär­füh­rung und dem Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um über den Sommer hinweg, insbe­son­de­re nach jüngs­ten Gebiets­ver­lus­ten. Die Bildung solcher impro­vi­sier­ten Einhei­ten werde zu weite­ren Spannun­gen, Ungleich­heit und einem Mangel an Geschlos­sen­heit unter den Truppen­tei­len führen, hieß es in dem ISW-Bericht weiter. Angesichts ihrer kurzen Ausbil­dung verfüg­ten sie über «nur wenig effek­ti­ve Kampfkraft».

London: Russi­sche Luftwaf­fe in Ukrai­ne immer stärker unter Druck

Auch die russi­sche Luftwaf­fe gerät nach briti­scher Einschät­zung zuneh­mend unter Druck. In den vergan­ge­nen zehn Tage habe Russland offen­sicht­lich vier Kampf­jets verlo­ren und damit insge­samt 55 Maschi­nen seit Beginn des Angriffs Ende Febru­ar, teilte das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in London unter Berufung auf Geheim­dienst­er­kennt­nis­se mit.

Der Anstieg der Verlus­te sei womög­lich teilwei­se darauf zurück­zu­füh­ren, dass die russi­sche Luftwaf­fe ein größe­res Risiko einge­he, um Boden­trup­pen unter dem Druck ukrai­ni­scher Vorstö­ße aus nächs­ter Nähe zu unter­stüt­zen. Hinzu komme das schlech­te Situa­ti­ons­be­wusst­sein russi­scher Piloten.

Luhansk: OSZE-Mitar­bei­ter zu langjäh­ri­ger Haftstra­fe verurteilt

In der von Russland kontrol­lier­ten ostukrai­ni­schen Separa­tis­ten­hoch­burg Luhansk verur­teil­te ein Gericht einen örtli­chen Mitar­bei­ter der Organi­sa­ti­on für Sicher­heit und Zusam­men­ar­beit in Europa (OSZE) zu 13 Jahren Haft. Das Urteil erging wegen angeb­li­cher Spiona­ge für die Ukrai­ne, wie die staat­li­che russi­sche Nachrich­ten­agen­tur Tass am Montag melde­te. Der OSZE-Mann habe von August 2021 bis April 2022 «Belege über die Bewegung von Militär­tech­nik und Waffen und ebenfalls die Verle­gung von Einhei­ten» gesammelt.

Die OSZE war seit 2014 unter anderem für die Überwa­chung eines verein­bar­ten Abzugs von Waffen entlang der Front­li­nie zwischen den von Russland unter­stütz­ten Separa­tis­ten und der ukrai­ni­schen Armee zustän­dig. Die Beobach­ter­mis­si­on stell­te ihre Tätig­keit mit dem russi­schen Einmarsch ein.

Tausen­de jüdischer Pilger trotz Kriegs im ukrai­ni­schen Uman erwartet

Trotz des russi­schen Angriffs­kriegs wollen Tausen­de stren­g­re­li­giö­ser Juden zum jüdischen Neujahrs­fest den ukrai­ni­schen Pilger­ort Uman besuchen. Eine Reise­war­nung für die Region gelte weiter­hin, bekräf­tig­te ein Sprecher des israe­li­schen Außen­mi­nis­te­ri­ums am Montag. Nach israe­li­schen Medien­be­rich­ten halten sich bereits 2000 Israe­lis in Uman auf. Es werde in dieser Woche mit bis zu 10.000 israe­li­schen Pilgern an dem Ort gerech­net, hieß es. Das Neujahrs­fest Rosch Hasch­a­na beginnt am Sonntagabend.