MOSKAU/KIEW/ISTANBUL/BERLIN (dpa) — Auf die Rufe mehre­rer EU-Länder nach einem generel­len Einrei­se­stopp für seine Staats­bür­ger reagiert Russland erbost. Unter Druck gerät Moskau auch wegen einer erneu­ten Explo­si­on auf der Krim. News im Überblick.

Verba­le Attacken gegen die EU, Explo­sio­nen auf der Krim — im Krieg gegen die Ukrai­ne kämpft Moskau an mehre­ren Fronten. Als «Nazi-Politik» kriti­sier­te Russlands Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Sergej Schoi­gu am Samstag auf einem Kongress in der Nähe von Moskau Vorschlä­ge für ein EU-weites Einrei­se­ver­bot von Russen. «Wir beobach­ten heute noch ein klares Hervor­tre­ten einer Nazi-Politik, wenn von den höchs­ten europäi­schen Tribü­nen aktiv die russo­pho­be Idee voran­ge­trie­ben wird, allen russi­schen Bürgern die Einrei­se in die Länder der EU zu verbieten.»

Immer mehr Länder schrän­ken die Verga­be von Schen­gen-Visa an Russen im Allein­gang ein. Dazu gehören Estland, Lettland, Litau­en und Tsche­chi­en. Finnland will ab Septem­ber folgen, Polen erwägt eine ähnli­che Regelung. Dänemark dringt auf eine EU-Lösung und will sonst ebenfalls selbst handeln. Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat den Westen aufge­ru­fen, Russen die Einrei­se zu verbieten.

Schoi­gu kriti­sier­te, dass sich in der Ukrai­ne eine natio­na­lis­ti­sche Politik seit Jahren gegen alles Russi­sche richte. Das sei zu einer Bedro­hung für Russlands Sicher­heit gewor­den, sagte er und recht­fer­tig­te erneut den Einmarsch in die Ukrai­ne am 24. Februar.

Drohne auf der Krim abgeschossen

In der Stadt Sewas­to­pol auf der von Russland annek­tier­ten Halbin­sel Krim gab es am Samstag erneut eine Explo­si­on. Nach Angaben der Behör­den schlu­gen Trümmer­tei­le einer abgeschos­se­nen Drohne im Stabs­ge­bäu­de der Schwarz­meer­flot­te ein. Die Luftab­wehr der Flotte habe die Drohne getrof­fen, sagte der Verwal­tungs­chef der Stadt, Michail Raswo­scha­jew. «Sie fiel auf das Dach und brann­te.» Es gebe keine Opfer. Der Beamte veröf­fent­lich­te ein Bild des zerstör­ten Dachs. Raswo­scha­jew machte der Ukrai­ne für den Angriff verant­wort­lich. Russland hatte die Krim 2014 annektiert.

In den vergan­ge­nen Tagen kam es zu schwe­ren Explo­sio­nen auf einen Militär­stütz­punkt und in einem Muniti­ons­de­pot. Die Ukrai­ne hatte diese mit Genug­tu­ung aufge­nom­men und mitge­teilt, dass sie mit weite­ren Explo­sio­nen rechne. Die Krim sei kein siche­rer Ort, teilte die ukrai­ni­sche Führung mit.

London: Vermehrt Explo­sio­nen hinter den russi­schen Linien

Nach Ansicht des briti­schen Geheim­diens­tes geraten die russi­schen Invasi­ons­trup­pen durch die vermehr­ten Explo­sio­nen hinter den eigenen Linien im Süden der Ukrai­ne unter Druck. Zwar habe keine der beiden Seiten Vorstö­ße an der Front­li­nie in der Region Cherson gemacht, doch die «zuneh­mend häufi­gen Explo­sio­nen hinter russi­schen Linien üben wohl Druck auf die russi­sche Logis­tik und Luftstütz­punk­te im Süden aus», so die briti­schen Exper­ten im tägli­chen Update des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in London zum Ukrai­ne-Krieg vom Samstag. Insge­samt habe es in der vergan­ge­nen Woche nur minima­le Verän­de­run­gen an den Front­ver­läu­fen gegeben.

Moskau meldet Erfolge

Der Lagebe­richt des Moskau­er Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums führte Erfol­ge der russi­schen Truppen auf. Im Gebiet Charkiw seien bei Angrif­fen gegen ukrai­ni­sche natio­na­lis­ti­sche Einhei­ten mehr als 100 Kämpfer getötet worden, sagte Minis­te­ri­ums­spre­cher Igor Konaschen­kow am Samstag in Moskau. Dabei seien auch bis zu 20 US-Bürger getötet worden. Die Ukrai­ne hatte für auslän­di­sche Solda­ten eine inter­na­tio­na­le Legion gegründet.

Moskau behaup­te­te zudem, dass Ende Juli im Gebiet Saporischschja einge­setz­te russi­sche Solda­ten mit Vergif­tungs­er­schei­nun­gen in ein Kranken­haus gebracht worden seien. Demnach sollen sie mit einer chemi­schen Substanz vergif­tet worden sein. Von unabhän­gi­ger Seite überprüf­bar waren die Angaben nicht.

Auch die ukrai­ni­sche Seite sprach von neuen russi­schen Angrif­fen. Das Gebiet Mykola­jiw sei massiv mit Raketen beschos­sen worden. In der südukrai­ni­schen und fast vollstän­dig von russi­schen Truppen kontrol­lier­ten Region Cherson bleibe die Lage schwie­rig, hieß es. Vieler­orts habe man aber auch Angrif­fe erfolg­reich abgewehrt.

Guter­res besucht Getrei­de-Kontroll­zen­trum in Istanbul

Ungeach­tet der Kampf­hand­lun­gen in der Ukrai­ne hält das Ende Juli ausge­han­del­te Abkom­men über die Ausfuhr ukrai­ni­schen Getrei­des bislang. UN-General­se­kre­tär António Guter­res reiste am Samstag in die türki­sche Metro­po­le Istan­bul, wo er das eigens für das Abkom­men einge­rich­te­te Kontroll­zen­trum besuch­te. Dort lobte er die Arbei­ten rund um die Eröff­nung des gesicher­ten Korri­dors für Getrei­de. Der Export ukrai­ni­schen Getrei­des sei aber nur ein Teil der Lösung. Genau­so müsse russi­schen Nahrungs- und Dünge­mit­teln der ungehin­der­te Zugang zu den weltwei­ten Märkten ermög­licht werden, so Guter­res. «Ohne Dünger 2022 wird es 2023 vielleicht nicht genug Nahrung geben.»

Scholz würdigt Nawal­ny am Jahres­tag des Giftanschlags

Fern der Ukrai­ne in der russi­schen Straf­ko­lo­nie 6 in Melecho­wo etwa 260 Kilome­ter nordöst­lich von Moskau feier­te der inhaf­tier­te Kreml­geg­ner Alexej Nawal­ny den zweiten Jahres­tag des Giftan­schlags auf ihn als einen Geburts­tag. «Zum zweiten Mal feiere ich meinen zweiten Geburts­tag. Den Tag, als sie mich töteten, aber ich warum auch immer nicht gestor­ben bin», schrieb der 46-Jähri­ge in einem am Samstag auf Insta­gram veröf­fent­li­chen Gruß aus dem Straf­la­ger. Darin machte er erneut Kreml­chef Wladi­mir Putin für den Mordan­schlag am 20. August 2020 mit dem tödli­chen Nerven­gift Nowit­schok verant­wort­lich. Und er kriti­sier­te, dass noch immer nicht offizi­ell in dem Fall ermit­telt werde. Der Kreml bestrei­tet, dass es ein Verbre­chen gab.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz erinner­te an das Schick­sal des promi­nen­ten russi­schen Opposi­tio­nel­len. Der russi­sche Krieg gegen die Ukrai­ne habe auch Konse­quen­zen für Russland, so Scholz. «Freiheit und Demokra­tie waren schon vorher gefähr­det. Aber jetzt ist die Meinungs­frei­heit noch viel mehr gefähr­det und viele fürch­ten sich, ihre eigene Meinung zu sagen.»

Der EU-Außen­be­auf­trag­te Josep Borrell forder­te, Nawal­ny müsse unver­züg­lich freige­las­sen werden. Er rief Moskau zu einer «trans­pa­ren­ten Unter­su­chung» ohne weite­re Verzö­ge­rung auf. «Russlands ungerecht­fer­tig­ter, grund­lo­ser und illega­ler Krieg gegen die Ukrai­ne hat die innen­po­li­ti­schen Repres­sio­nen und das syste­ma­ti­sche harte Vorge­hen gegen die lautes­ten Kriti­ker des Kreml und gegen die gesam­te Zivil­ge­sell­schaft verstärkt», sagte er.