BERLIN (dpa) — Ein General leitet den Corona-Krisen­stab der Bundes­re­gie­rung. Er blickt mit seinem Team schon auf den Herbst. Möglich, dass diese Arbeits­wei­se auch eine Blaupau­se für die Bewäl­ti­gung anderer Krisen ist.

Mit Blick auf den kommen­den Herbst will der Leiter des Corona-Krisen­sta­bes im Kanzler­amt, General­ma­jor Carsten Breuer, die Leistungs­fä­hig­keit der Impfzen­tren aufrecht erhalten.

Bei weite­ren nötigen Impfun­gen sei Grund­vor­aus­set­zung, dass die Infra­struk­tur stehe, «von der Logis­tik bis zum Stich in den Oberarm», sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur. Er mahnte: «Wir müssen jetzt überle­gen, ob wir wirklich Impfzen­tren schlie­ßen können und wenn, wie schnell wir sie dann wieder aufwach­sen lassen können.» Es müsse geklärt werden, zu welchem Anteil nieder­ge­las­se­ne Ärzte dann die Impfun­gen überneh­men könnten und was durch den Öffent­li­chen Gesund­heits­dienst abgedeckt sei. «Ziel muss es sein, dass wir falls nötig, und ich denke da in Worst-Case-Szena­ri­en, dass wir dann inner­halb kürzes­ter Zeit die gesam­te Bevöl­ke­rung, also alle Impfwil­li­gen in Deutsch­land, auch impfen können», sagte Breuer.

Unsicher­heit bleibt

Ende Novem­ber hatte Olaf Scholz (SPD), damals designier­ter Bundes­kanz­ler, den Offizier als neuen Corona-Koordi­na­tor der künfti­gen Bundes­re­gie­rung vorge­stellt. Breuer hatte zuvor die Amtshil­fe der Bundes­wehr gelei­tet, die Länder und Kommu­nen anfor­dern können, wenn sie ihre Aufga­ben nicht mehr allei­ne erfül­len können.

«Ein solches Telefo­nat wird vorher angekün­digt. Aber ich habe mir bis zu diesem Telefo­nat nicht vorstel­len können, warum der damali­ge Minis­ter Scholz, mich anruft. Das habe ich erst im Laufe des Telefo­nats erfah­ren», sagte Breuer nun. «Wir haben uns kurz über die Lage ausge­tauscht und er, der jetzi­ge Kanzler, hat mich dann gefragt, ob ich bereit sei, die Leitung des Krisen­stabs im Bundes­kanz­ler­amt zu überneh­men.» Er habe mit einem ordent­li­chen Respekt vor der Aufga­be zugesagt.

In der Verän­de­rung des Corona­vi­rus bleibe eine große Unsicher­heit bestehen, warnte Breuer. «Und mit dieser Unsicher­heit müssen wir umgehen können. Aber auf diese Unsicher­heit können wir uns vorbe­rei­ten», sagte er. Neben dem Erhalt der Impflo­gis­tik nennt Breuer verschie­de­ne andere Rahmen­be­din­gun­gen von «Digita­li­sie­rung im Allge­mei­nen bis hin zur Daten­er­fas­sung in Echtzeit», um eine Aussa­ge über die Gefähr­lich­keit des Virus im Herbst treffen zu können.

Scholz habe von vornher­ein Nachhal­tig­keit gefor­dert. Klar müsse sein, «dass wir im nächs­ten Herbst, also im Herbst 2022, nicht genau­so überrascht werden, wie wir im Herbst 2021 überrascht worden sind».

Gewach­se­ner Krisenstab

Der Krisen­stab war Ende vergan­ge­nen Jahres mit mehr als zehn Mitar­bei­tern gestar­tet und hatte in der Spitzen­zeit etwa 30 Mitglie­der. Ihm gehören Mitglie­der der zustän­di­gen Minis­te­ri­en an sowie Exper­ten des Bundes­am­tes für Bevöl­ke­rungs­schutz und Katastro­phen­hil­fe (BBK). Ein Vorteil: Für einzel­ne Aufga­ben gab es ein einheit­li­ches und bundes­wei­tes Lagebild. Höchst­stand bei den Impfun­gen war ein Tag im Dezem­ber 2021, als 1,6 Millio­nen Impfun­gen verab­reicht wurden.

Breuer ist überzeugt, dass sich die Arbeits­wei­se mit einer zentra­len Stelle, die bündelt und koordi­niert, bewährt hat. «Wir brauchen einen Rahmen, den wir für dieje­ni­gen setzen, die Krisen lösen sollen. Ich nenne es Kaltstart­fä­hig­keit. Dies bedeu­tet, dass ich inner­halb kürzes­ter Zeit in der Lage bin, das Problem, die Krise zu analy­sie­ren, dann Lösungs­mög­lich­kei­ten zu schaf­fen und diese auch umzuset­zen», sagte Breuer. Aus der Struk­tur eines Krisen­stabs heraus könne man schnel­ler handlungs­fä­hig sein und handlungs­fä­hig bleiben, als aus herge­brach­ten, norma­len Stabs­struk­tu­ren. Dabei sei er «ein Fan unseres födera­len Systems». Die Diver­si­tät mache Deutsch­land als Demokra­tie und Staat stark.

«Jede Krise ist anders»

Breuer stellt eine Erwar­tungs­hal­tung fest, «dass sobald das Ereig­nis eintritt, dann auch die Lösung schon da sein muss» und verweist auf das Beispiel der Flutka­ta­stro­phe im Ahrtal sowie die Corona-Pande­mie. «Als jemand, der Krisen lösen soll, kommen sie immer wieder in Situa­tio­nen, wo sie erken­nen, das habe ich vorher noch nicht so erlebt. Dafür gibt es auch kein Patent­re­zept. Dafür gibt es keine Lösung, die in einer Schub­la­de liegt, sondern wir müssen sie uns jetzt erarbei­ten», sagte er. «Jede Krise ist anders, jede Problem­stel­lung ist anders. Wir können uns einen Rahmen schaf­fen, in dem wir glauben, dass die nächs­te Krise auf uns zukom­men wird und in diesem Rahmen können wir dann auch Vorbe­rei­tun­gen treffen.»

Breuer hatte seinen kleinen Stab mit Bundes­wehr-Leuten aufge­baut. «Wir sind als Solda­ten darauf trainiert, mit Krisen­sze­na­ri­en umzuge­hen. Wir sind gleich ausge­bil­det, wir haben eine gemein­sa­me Sprache. Wir wissen, wie wir uns in Krisen verhal­ten», sagte Breuer, der sich trotz Vorsichts­maß­nah­men bereits zweimal mit Corona infiziert hat — einmal bevor Impfstoff zur Verfü­gung stand und erneut, nachdem er auch geboos­tert war.

«Es war beides Mal kein Spaß. Ich kann jedem nur raten, der sich im Moment noch nicht entschie­den hat: Lassen Sie sich impfen, lassen Sie sich boostern. Die Verläu­fe sind dann harmlo­ser, das können wir statis­tisch sehr gut sehen — und ich habe es erlebt. Auch die Todes­ra­te geht deutlich herun­ter», sagte Breuer. «Wir sind mit Omikron noch längst nicht durch. Auch wenn wir uns das alle gewünscht hätten, gerade wenn der Frühling so vor der Tür steht.»

Von Carsten Hoffmann, dpa