STUTTGART (dpa/lsw) — Vogel­spin­nen gibt es in Wohnzim­mern, Äffchen teilwei­se auch und sogar Warane. Bis auf wenige Ausnah­men dürfen alle Tiere in Deutsch­land auch privat gehal­ten werden. Das soll sich ändern. Aber es gibt auch schar­fe Kritik an einer Positiv­lis­te mit erlaub­ten Tieren.

Mit seiner Forde­rung nach einem Verbot für die priva­te Haltung von exoti­schen Tieren wie Schlan­gen stößt Bundes­land­wirt­schafts­mi­nis­ter Cem Özdemir bei einigen Forschern und Tierhal­tern auf völli­ges Unver­ständ­nis. «Das ist reiner Populis­mus, ich bin wirklich entsetzt», wirft ihm zum Beispiel der Amphi­bi­en­fach­mann Axel Kwet aus Fellbach vor. Özdemir wolle Arten verbie­ten, die es zu schüt­zen gelte. «Mit seiner gefor­der­ten Positiv­lis­te will er zwar den Tier- und Arten­schutz, aber er erreicht das Gegen­teil», sagte der Geschäfts­füh­rer der Deutschen Gesell­schaft für Herpe­to­lo­gie und Terra­ri­en­kun­de (DGHT).

Der Grünen-Politi­ker dringt bereits seit länge­rem darauf, bestimm­te Tierar­ten in priva­tem Besitz verbie­ten zu lassen. Er schließt sich damit auch der breiten Bewegung in der EU an, die eine sogenann­te Positiv­lis­te vorschlägt. Jedes Tier, das nicht auf dieser Liste steht, dürfte in der EU dann nicht mehr privat gehal­ten werden. Länder wie Frank­reich, Belgi­en und die Nieder­lan­de haben bereits eine solche Regelung, andere arbei­ten daran.

Es sei «offen­sicht­lich, dass die Haltung von Wildtie­ren zu Hause ein Gesund­heits­ri­si­ko darstellt für die Tiere selber, aber auch für die Menschen», hatte Özdemir bereits im vergan­ge­nen Mai gesagt. Nun legte er in einem Inter­view mit der «Südwest Presse» (Ulm) nach: «Manche Menschen legen sich Tiere zu, die aus meiner Sicht in priva­ten Haushal­ten nichts zu suchen haben», sagte er der Zeitung. «Warum braucht jemand etwa anspruchs­voll zu halten­de, exoti­sche Tiere wie Schlan­gen oder ein Chamä­le­on zu Hause? Das habe ich nie verstan­den.» Die abgege­be­nen und schwer zu halten­den Tiere stell­ten vor allem die Tierhei­me vor große Probleme.

Das wieder­um kann Amphi­bi­en­ex­per­te Kwet nicht nachvoll­zie­hen: «Die weitaus meisten Schlan­gen sind defini­tiv nicht schwer zu halten, es gibt schließ­lich Hundert­tau­sen­de in deutschen Terra­ri­en», sagte er. «Aber die Terraris­tik inter­es­siert die Menschen halt weniger.» Viele fänden das womög­lich ekelig, der Minis­ter komme mit seinem Vorschlag daher gut bei ihnen an. «Dabei sind das faszi­nie­ren­de Tiere, die unseren Schutz verdient haben und die wir halten, züchten und erfor­schen müssen, um ihre Art zu erhal­ten», wirbt Kwet.

Statt eines breiten Verbots fordert er eine Art abgestuf­ten Führer­schein für Halter bestimm­ter Tierar­ten. «Wir sind nicht dagegen, die Haltung bestimm­ter Arten zu regeln», sagt er. «Aber es muss vernünf­tig geregelt sein.»

Stutt­garts Zoo-Direk­tor Thomas Kölpin geht noch einen Schritt weiter: «Positiv­lis­ten sind kein gutes Tool, weil wir auch dieje­ni­gen einschrän­ken, die mit Tieren gut umgehen können», sagt er. Hilfreich sei daher ein verpflich­ten­der Sachkun­de­nach­weis beim Erwerb eines Tieres. «Das gilt dann nicht nur für exoti­sche Tiere, sondern auch für Hunde und Katzen», sagt Kölpin. «Denn Vogel­spin­nen und Kornnat­tern sind leich­ter zu halten als viele Hunde und Katzen.» Nicht alles, was exotisch sei, sei auch gefähr­lich. Ein solcher «Führer­schein für alle» verhin­de­re zudem Spontan­käu­fe auf Tierbör­sen oder Mode-Haltun­gen. «Wenn man erst ein Wochen­end­se­mi­nar besuchen muss, dann wird man sich auch schnel­ler der Verant­wor­tung bewusst.»

Und auch Tierhei­me sind nicht unbedingt für den Vorschlag Özdemirs: «Grund­sätz­lich haben wir kein Problem mit der Haltung von exoti­schen Tieren zum Beispiel in priva­ten Terra­ri­en», sagt Lucas Schmitt vom Karls­ru­her Tierheim. Wichtig seien besse­re Kontrol­len. Von Positiv­lis­ten hält Schmitt eher wenig: «Eigent­lich will man es ja nur denen verbie­ten, die es falsch machen.»

Aus Sicht des FDP-Exper­ten für Tierschutz, Georg Heitlin­ger, führen Positiv- und auch Negativ­lis­ten zu einer Krimi­na­li­sie­rung von Tierhal­ten­den und zu einem grauen Markt, der einen wirksa­men Tierschutz letzt­lich nur erschwert. «Özdemirs Positiv­lis­te ist ein unver­hält­nis­mä­ßi­ger und ungerecht­fer­tig­ter Eingriff in die Handlungs­frei­heit und Entfal­tungs­frei­heit der Bürger», sagte er der dpa.

Tierschutz­ver­bän­de bekla­gen hinge­gen, die priva­te Haltung werde den beson­de­ren Ansprü­chen der Exoten häufig nicht gerecht, viele dieser Tiere litten, erkrank­ten oder veren­de­ten sehr früh. Außer­dem seien die gesetz­li­chen Vorga­ben lücken­haft. Sie würden die Heimtier­hal­tung wie Özdemir gerne auf bestimm­te Arten beschrän­ken. «Gefähr­li­che Giftschlan­gen gehören einfach nicht zu uns», sagte Stefan Hitzler, der Vorsit­zen­de des baden-württem­ber­gi­schen Landes­tier­schutz­ver­ban­des, der dpa. «Und Hobby­tier­hal­ter halte ich nicht für relevant, wenn es um die Erhal­tung einer Art geht.»

Aus Sicht der Tierschüt­zer sollten auf einer Positiv­lis­te vor allem domes­ti­zier­te Tierar­ten stehen, die über zahlrei­che Genera­tio­nen hinweg gezüch­tet und genetisch an das Leben mit dem Menschen angepasst wurden. Verbands­chef Hitzler kann sich aber auch Ausnah­me­ge­neh­mi­gun­gen zum Beispiel für anerkann­te zoolo­gi­sche Gärten vorstel­len. Wichtig sei aber, dass die Positiv­lis­te nicht bereits existie­ren­de Tiere rückwir­kend verbie­te, um Tierhei­me nicht zu überfor­dern, sagte er. Der Deutsche Tierschutz­bund forder­te Özdemir auf, nicht auf andere EU-Länder zu warten, sondern auf natio­na­ler Ebene voranzugehen.

Von Martin Oversohl, dpa