Sinnlo­ser Vanda­lis­mus oder eine geziel­te Tat: Auf der weltbe­rühm­ten Museums­in­sel im Herzen Berlins wurden mit voller Absicht umfang­rei­che Schäden an Kunst­wer­ken angerich­tet. Wie konnte das passieren?

Die Polizei sucht nach Zeugen. Kultur­staats­mi­nis­te­rin Monika Grütters (CDU) forder­te am Mittwoch Aufklä­rung zur Frage der Sicher­heit. Bereits vor drei Jahren wurde die Museums­in­sel zum Tatort. Damals wurde eine riesi­ge Goldmün­ze gestohlen.

Nun ist von dem bisher umfang­reichs­ten Schaden für die Häuser der Museums­in­sel die Rede. Insge­samt sind nach Angaben von Chris­ti­na Haak, stell­ver­tre­ten­de General­di­rek­to­rin Museen, 63 Objek­te betrof­fen, darun­ter drei oder vier Leihga­ben. Ein Gesamt­scha­den könne erst nach Ende der Restau­ra­ti­ons­ar­bei­ten benannt werden, sagte Haak während einer Presse­kon­fe­renz von Museen und Polizei.

Betrof­fen sind das Neue Museum, das Perga­mon­mu­se­um und die Alte Natio­nal­ga­le­rie. «Wenn wir dagegen­set­zen, wie viele Hundert­tau­sen­de Besucher wir haben, die rücksichts­voll mit unseren Objek­ten umgehen, dann können Sie verste­hen, wie sehr das schmerzt», sagte Haak.

Für das Landes­kri­mi­nal­amt sprach der zustän­di­ge Krimi­nal­di­rek­tor Carsten Pfohl von rund 3000 Besuchern am 3. Oktober. 650 wurden laut Pfohl angeschrie­ben und nach Beobach­tun­gen gefragt. Der überwie­gen­de Teil der Besucher habe ein Ticket an der Tages­kas­se gekauft, wo wegen der Hygie­ne­kon­zep­te in den Museen keine persön­li­chen Daten erhoben werden müssen. Nach Auswer­tung der Video­ka­me­ras gibt es keine Hinwei­se auf Täter. Das bisher befrag­te Perso­nal hat demnach keine Beobach­tun­gen machen können. Unklar ist auch, ob es mehre­re Betei­lig­te gibt.

Zu der Flüssig­keit sollte es aus ermitt­lungs­tak­ti­schen Gründen keine näheren Angaben geben. Die Flüssig­keit war demnach farblos, nicht ätzend und ölig. Wie sie aufge­bracht wurde, ist ebenfalls noch nicht klar. Auf den beschä­dig­ten Objek­ten waren kleine Flecken zu sehen.

Einen Zusam­men­hang der Objek­te oder ein Motiv konnten die Ermitt­ler bisher nicht ausma­chen. Bislang gingen die Ermitt­ler eher von einem Einzel­tä­ter aus, könnten aber nicht ausschlie­ßen, dass es auch mehre­re Täter waren. «Wir ermit­teln in alle Richtun­gen», sagte Pohl mit Blick auf Berich­te, die einen Zusam­men­hang zu einem bekann­ten Verschwö­rungs­theo­re­ti­ker herstel­len. Die Museums­in­sel war im Sommer ein Schau­platz von Demos gegen die Corona-Maßnahmen.

Kultur­staats­mi­nis­te­rin Grütters klang in einer Mittei­lung verär­gert. Sie beton­te, die Staat­li­chen Museen zu Berlin müssten sich erneut Fragen nach ihren Sicher­heits­vor­keh­run­gen stellen lassen. «Ich habe daher den Präsi­den­ten umgehend gebeten, dem Stiftungs­rat dazu einen umfas­sen­den Bericht vorzu­le­gen. Es ist zu klären, wie diese vielen Beschä­di­gun­gen unbemerkt vonstat­ten­ge­hen konnten und wie solche Angrif­fe in Zukunft verhin­dert werden sollen.»

Die vorsätz­li­che Beschä­di­gung der Kunst­wer­ke verur­tei­le sie aufs Schärfs­te. Neben der reinen Sachbe­schä­di­gung zeige sich bei solchen Angrif­fen immer auch eine tiefe Verach­tung gegen­über Kunst­wer­ken und kultu­rel­len Leistun­gen insge­samt. «Es gibt berech­tig­te Hoffnung, dass die entstan­de­nen Schäden besei­tigt werden können.»

Bekannt wurde der Fall durch Berich­te der «Zeit» und des Deutsch­land­funks. Grütters wurde nach eigenen Angaben am 6. Oktober vom Stiftungs­prä­si­den­ten Hermann Parzin­ger über die Anschlä­ge infor­miert. «Aus ermitt­lungs­tak­ti­schen Gründen und in Abstim­mung mit der Polizei hat die Stiftung jedoch zunächst von einer Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit abgese­hen», heißt es weiter.

Ob der Tag der Deutschen Einheit absicht­lich als Tatzeit gewählt wurde, war zunächst unklar. Laut Vize-General­di­rek­to­rin Haak gab es im Sommer Fälle von Vanda­lis­mus im Kolon­na­den­hof des Neuen Museums. Drohun­gen hätten die Museen nicht erhal­ten. Gemäl­de wurden nicht beschä­digt, aller­dings Rahmen in der Alten Nationalgalerie.

Unter den betrof­fe­nen Objek­ten sind zum Beispiel die Sarko­phag­wan­ne des Nehi (18. Dynas­tie, um 1390–1330 v. Chr) und der Sarko­phag des Prophe­ten Ahmose (332–330 v. Chr.). Auf ihnen sind Sprit­zer einer Flüssig­keit zu erken­nen. Friede­ri­ke Seyfried, Direk­to­rin des Ägypti­schen Museums und der Papyrus­samm­lung, sagte: «Es sind keine heraus­ra­gen­den Expona­te betrof­fen, aber das sind alle meine Kinder­chen und die habe ich alle lieb.»

Hans-Jürgen Harras, zustän­di­ger Referats­lei­ter für die Sicher­heit der Museen, sagte, die Sicher­heits­maß­nah­men und Kontroll­gän­ge seien verschärft worden. Vize-General­di­rek­to­rin Haak beton­te: «Wir haben logischer­wei­se ein Sicher­heits­kon­zept.» Dieses werde immer entlang von Gefah­ren­la­gen weiter­ent­wi­ckelt. «Hundert­pro­zen­ti­ge Sicher­heit für die Objek­te heißt, dass wir sie der Öffent­lich­keit entzie­hen.» Drei oder vier Leihga­ben sind laut Haak versi­chert, die dem Bund gehören­den Arbei­ten sind nicht versichert.

Die Museums­in­sel gehört seit 1999 zum Unesco-Weltkul­tur­er­be. Die zwischen zwei Spree­ar­men gelege­ne Gruppe aus Altem Museum, Bode-Museum, Alter Natio­nal­ga­le­rie, Neuem Museum mit der berühm­ten ägypti­schen Pharao­nen-Büste der Nofre­te­te und der James-Simon-Galerie zieht Millio­nen Besucher an.

Immer wieder stellt sich die Frage, wie deutsche Museen gegen Krimi­nel­le geschützt sind. Die Goldmün­ze «Big Maple Leaf» mit einem Wert von 3,75 Millio­nen Euro wurde in der Nacht zum 27. März 2017 aus einer Vitri­ne gestoh­len und mit Schub­kar­re und Rollbrett abtrans­por­tiert. Die Diebe waren durch ein Fenster einge­stie­gen. Die Beute ist bis heute verschwun­den und wurde vermut­lich zerstü­ckelt und verkauft. 2019 wurde das Schatz­kam­mer­mu­se­um Grünes Gewöl­be im Dresd­ner Residenz­schloss zum Tatort: Zwei Unbekann­te erbeu­te­ten am 25. Novem­ber histo­ri­sche Diaman­ten und Brillanten.