WIEN (dpa) — Zuletzt war der Druck — auch partei­in­tern — zu groß gewor­den: Sebas­ti­an Kurz überlässt sein Amt Außen­mi­nis­ter Alexan­der Schal­len­berg. Der 35-jähri­ge Kurz bleibt aber die zentra­le ÖVP-Figur.

Mit dem Rücktritt von Sebas­ti­an Kurz (ÖVP) vom Amt des Bundes­kanz­lers ist die Regie­rungs­kri­se in Öster­reich beendet. Die Grünen als Koali­ti­ons­part­ner der konser­va­ti­ven ÖVP erklär­ten, das Bündnis nun fortset­zen zu wollen.

Die Grünen hatten dem von Korrup­ti­ons­vor­wür­fen schwer belas­te­ten Kanzler mit einem Misstrau­ens­vo­tum gedroht. Nachfol­ger von Kurz wird Außen­mi­nis­ter Alexan­der Schallenberg.

Der 52-Jähri­ge Schal­len­berg ist seit Jahren in Spitzen­funk­tio­nen für die Außen­po­li­tik Öster­reichs mitver­ant­wort­lich. Der mehrspra­chi­ge, inter­na­tio­nal erfah­re­ne Diplo­mat vertritt in Fragen der Migra­ti­on einen genau­so harten Kurs wie Kurz. Für heute haben Schal­len­berg und Kogler ein Vierau­gen­ge­spräch vereinbart.

Opposi­ti­on mit Perso­nal­ro­cha­de nicht zufrieden

Kurz selbst wechselt vom Kanzler­amt ins Parla­ment auf den Sitz des Frakti­ons­chefs der ÖVP. Außer­dem bleibt er ÖVP-Vorsit­zen­der. Die Opposi­ti­on ist mit dieser Rocha­de nicht zufrie­den. Damit bleibe der 35-Jähri­ge eine äußerst einfluss­rei­che politi­sche Figur und das «System Kurz» erhal­ten, kriti­sier­te SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Die Regie­rungs­kri­se war durch Ermitt­lun­gen der Wirtschafts- und Korrup­ti­ons­staats­an­walt­schaft ausge­löst worden. Enge Mitstrei­ter des Kanzlers stehen im Verdacht, wohlmei­nen­de Bericht­erstat­tung in einem Medien­un­ter­neh­men erkauft zu haben, um Kurz ab 2016 den Weg an die Partei­spit­ze und in das Bundes­kanz­ler­amt zu ebnen. Auch Kurz wird als Beschul­dig­ter geführt. Er bestrei­tet die Vorwürfe.

In einer sieben­mi­nü­ti­gen Rede beton­te der Kanzler erneut seine Unschuld. Er gebe sein Amt aber aus Verant­wor­tung für das Land ab. Es drohe nach einem Ende der ÖVP-Grünen-Koali­ti­on das Chaos einer Vier-Partei­en-Zusam­men­ar­beit von Grünen, SPÖ, libera­len Neos und rechter FPÖ. Die mächti­gen Länder­chefs der ÖVP begrüß­ten den Schritt. Tirols Minis­ter­prä­si­dent Günther Platter sagte, Kurz habe gemein­sam mit den Landes­chefs entschie­den, «einen Schritt zur Seite zu treten, bis die gegen ihn erhobe­nen Vorwür­fe geklärt seien.»

Auch die Indus­trie zeigte sich zufrie­den. Es sei wichtig, das Ansehen Öster­reichs in der Welt und das inter­na­tio­na­le Vertrau­en in den Stand­ort zu wahren, so die Industriellenvereinigung.

«Flucht in die parla­men­ta­ri­sche Immunität»

Die Grünen hatten in den vergan­ge­nen Tagen bereits mit Opposi­ti­ons­par­tei­en Gesprä­che über eine Mehrpar­tei­en­re­gie­rung ohne ÖVP geführt — für den Fall, dass der Kanzler nicht zurücktritt.

Gestern Abend werte­ten alle Opposi­ti­ons­par­tei­en den Wechsel von Kurz ins Parla­ment als juris­ti­schen und macht­po­li­ti­schen Schach­zug. «Sebas­ti­an Kurz tritt die Flucht in die parla­men­ta­ri­sche Immuni­tät an», sagte der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl. Die Chefin der libera­len Neos, Beate Meinl-Reisin­ger, meinte, dass Kurz weiter alle Fäden in der Hand behal­ten werde.

Als ÖVP-Chef hat Kurz weitrei­chen­de Befug­nis­se: Er kann das Regie­rungs­team, die Kandi­da­ten­lis­ten bei Parla­ments­wah­len sowie die politi­sche Linie der ÖVP allein bestimmen.