BERLIN (dpa) — Die gestie­ge­nen Energie­prei­se sind ein großes Problem für Verbrau­cher und Unter­neh­men. Der Bund plant weite­re Entlas­tun­gen, an denen sich die Länder betei­li­gen sollen — doch die haben noch Fragen.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) berät am Diens­tag in Berlin mit den Regie­rungs­chefs der Länder über den weite­ren Kurs in der Energie­kri­se. Die Länder erwar­ten von Scholz und seiner Ampel-Regie­rung Klarheit über die geplan­te Gaspreis­brem­se und die Finan­zie­rung diver­ser Entlas­tungs­maß­nah­men. Bundes­po­li­ti­ker wieder­um haben die Erwar­tung, dass die Länder die Entlas­tungs­plä­ne mittragen.

Arbeits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe: «Ich bin sicher, dass Bund und Länder die offenen Fragen gemein­sam klären werden und die Entlas­tun­gen auf den Weg bringen, die Unter­neh­me­rin­nen und Bürger so dringend brauchen.» SPD-Chef Lars Kling­beil sagte der «Rheini­schen Post»: «Die Ampel hat gelie­fert. Und ich erwar­te, dass jetzt auch die Konser­va­ti­ven auf Länder­ebe­ne diesen Ruck nicht ausbremsen.»

200 Milli­ar­den Euro Umfang

Der Bund will Verbrau­cher und Unter­neh­men mit einem Maßnah­men­pa­ket von bis zu 200 Milli­ar­den Euro vor hohen Energie­prei­sen wegen des Ukrai­ne-Kriegs schüt­zen. Die Preise für Gas und Strom sollen gedeckelt werden. Für Firmen soll es Liqui­di­täts- und Eigen­ka­pi­tal­hil­fen geben. Die Hilfen sollen über Kredi­te finan­ziert werden. Zudem geht es um die Umset­zung des vom Bund geplan­ten dritten Entlas­tungs­pa­kets mit einem Volumen von 65 Milli­ar­den Euro.

Der Sozial­ver­band Deutsch­land (SoVD) forder­te die Bundes­län­der auf, das dritte Entlas­tungs­pa­ket nicht zu blockie­ren. «Wir brauchen Solida­ri­tät der Starken mit den Schwä­che­ren und eine Gemein­schafts­an­stren­gung von Bund und Ländern», sagte die Vorsit­zen­de Michae­la Engel­mei­er der Funke Medien­grup­pe. Seit der Einigung auf das Paket seien vier Wochen vergan­ge­nen. «Bund und Länder dürfen ihren Streit nicht auf dem Rücken der Betrof­fe­nen austra­gen.» Sie forder­te Tempo: «Die hohen Kosten für Lebens­mit­tel fallen jede Woche an.»

Konzept für die Gaspreisbremse

Noch ist etwa unklar, wie die Gasprei­se gedeckelt werden. «Das muss jetzt zügig geklärt werden», forder­te der nordrhein-westfä­li­sche Regie­rungs­chef Hendrik Wüst (CDU) in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Man sollte das jetzt nicht seitens der Regie­rung in Berlin auf die lange Bank schie­ben.» Famili­en und Unter­neh­men müssten zu Beginn der Heizpe­ri­ode wissen, woran sie sind.

Hessens Minis­ter­prä­si­dent Boris Rhein (CDU) sagte dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND) bislang sei den Ländern allein das Volumen von 200 Milli­ar­den Euro zur Decke­lung der Energie­prei­se bekannt. Die Länder arbei­te­ten konstruk­tiv mit, um die Energie­kri­se zu bekämp­fen. Aber der Bund müsse die Länder weiter finan­zi­ell unter­stüt­zen: «Der 200-Milli­ar­den-Schirm kann nicht dazu führen, dass die Länder jetzt im Regen stehen.»

Finan­zie­rung der Wohngeldreform

Strit­tig ist auch, wie die von der Bundes­re­gie­rung geplan­te, deutli­che Auswei­tung des Wohngelds finan­ziert werden soll. Ab Januar soll der staat­li­che Mietzu­schuss um durch­schnitt­lich 190 Euro pro Monat steigen — außer­dem soll er an 1,4 Millio­nen Bürger mehr gezahlt werden. «Der Bund möchte da viel machen, dann soll er es auch selber bezah­len», sagte Wüst. Bisher wird das Wohngeld hälftig von Bund und Ländern finan­ziert, doch die Länder wollen nicht länger mitmachen.

Finan­zie­rung der 9‑Euro-Ticket-Nachfol­ge

Auch nach dem Ende des 9‑Euro-Tickets soll es ein bundes­wei­tes ÖPNV-Ticket geben, zu einem Preis zwischen 49 und 69 Euro im Monat. Details sollen die Länder unter­ein­an­der ausma­chen. Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) bot an, dafür die sogenann­ten Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel um 1,5 Milli­ar­den Euro jährlich zu erhöhen. Die Länder halten das auch angesichts der hohen Energie­prei­se für zu wenig, um dauer­haft einen attrak­ti­ven Nahver­kehr anbie­ten zu können.

Finan­zie­rung der Aufnah­me von Flüchtlingen

Hundert­tau­sen­de Menschen sind vor dem russi­schen Krieg aus der Ukrai­ne nach Deutsch­land geflo­hen. Die Länder verlan­gen, dass der Bund seine Zusage aus dem Frühjahr einlöst, sie stärker bei den Kosten für die Unter­brin­gung und Betreu­ung zu unterstützen.

Wüst sagte den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe: «Wenn jetzt der Winter kommt, wenn Kälte und Nässe in die zerstör­ten Häuser in der Ukrai­ne eindrin­gen, dann werden weite­re Menschen zu uns kommen — kommen müssen.» Ihre anstän­di­ge Unter­brin­gung und Versor­gung gehöre zu den großen Aufga­ben für Kommu­nen und Länder. «Dafür braucht es Geld.»

Zusätz­li­che Entlastungen

Vor dem von Scholz als «Doppel­wumms» bezeich­ne­ten 200-Milli­ar­den-Euro-Paket hatten die Länder weite­re Entlas­tun­gen ins Spiel gebracht. Dazu zählen etwa die Stundung von Steuer­zah­lun­gen vor allem von Unter­neh­men und der Schutz von Mietern vor Kündi­gung, wenn sie Neben­kos­ten und Miete nicht bezah­len können. Unklar ist, ob solche Forde­run­gen im Gespräch mit dem Bund auf den Tisch kommen.