MÜNCHEN (dpa) — «Wir haben nichts gegen Kinder — solan­ge sie nicht in unserer Nachbar­schaft spielen» — so lautet die Haltung vieler Anwoh­ner, die gegen Kitas klagen. Meist verlie­ren sie. Auch im neues­ten Fall?

Plätze in Kinder­ta­ges­stät­ten werden landauf, landab dringend benötigt — doch statt um Kinder­toi­let­ten und Kletter­ge­rüs­te müssen sich die Betrei­ber beim Bau neuer Einrich­tun­gen oftmals erst um einen Anwalt kümmern. Denn so wie aktuell in München versu­chen Anwoh­ner immer wieder auf juris­ti­schem Wege, die Errich­tung von Krippen, Kinder­gär­ten und Horten zu verhin­dern — meist mit dem Argument des Lärmschutzes.

Durch kommen sie damit aber nurmehr selten. Ob auch die Nachbarn im Münch­ner Fall sich mit toben­den Kindern abfin­den müssen, entschei­det das Oberlan­des­ge­richt am Diens­tag (10.45 Uhr).

Die Vorge­schich­te ist komplex: Eine Hausver­wal­tungs­ge­sell­schaft will das Grund­stück im Stadt­teil Nymphen­burg für 25 Jahre an einen priva­ten Anbie­ter von Kinder­ta­ges­stät­ten vermie­ten. Vier Anwoh­ner von zwei Nachbar­grund­stü­cken jedoch versu­chen, dies zu verhin­dern — zunächst mit einer Klage gegen die Bauge­neh­mi­gung, dann unter Verweis auf die sogenann­te Grund­dienst­bar­keit, die auf dem für die Kita vorge­se­he­nen Grund­stück liegt.

Eine solche Grund­dienst­bar­keit räumt dem Besit­zer eines Grund­stücks Rechte an einem benach­bar­ten Grund­stück ein, etwa was die Durch­lei­tung von Strom oder Abwas­ser anbelangt. Im konkre­ten Fall lautet der Text: «Auf dem Grund­stück dürfen weder eine öffent­li­che Tankstel­le noch eine Gastwirt­schaft noch ein sonsti­ger lärmer­re­gen­der oder beläs­ti­gen­der Betrieb errich­tet werden.»

Gemein­de­tag: «Kinder­lärm ist sozialadäquat»

Doch die Geräu­sche von Kindern werden von den Gerich­ten inzwi­schen regel­haft als zu tolerie­rend einge­stuft, weil es zum norma­len Verhal­ten gerade jünge­rer Kinder gehört, laut lachend durch die Gegend zu flitzen oder auch einmal wütend zu toben. «Kinder­lärm ist sozial­ad­äquat, mit dieser Begrün­dung werden die Klagen fast immer zurück­ge­wie­sen, außer es ist etwas ganz Extre­mes», erläu­tert Wilfried Schober vom Bayeri­schen Gemeindetag.

In dem kommu­na­len Spitzen­ver­band gibt es inzwi­schen reich­lich Erfah­rung mit entspre­chen­den Klagen, da die Städte und Gemein­den neben den Kirchen die größten Träger von Kitas sind. In geschätzt 90 Prozent der Fälle gewin­nen Träger entspre­chen­de Prozes­se laut Schober vollum­fäng­lich, manch­mal müssen sie einen Lärmschutz­zaun bauen oder die Kosten für Lärmschutz­fens­ter übernehmen.

Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemein­de­bun­des liegt dies an einer Änderung des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­ge­set­zes vor einigen Jahren. Seitdem gelten Kinder­ge­räu­sche von Spiel­plät­zen oder Kitas nicht mehr als schäd­li­che Umwelt­ein­wir­kun­gen, wie Sozial­ex­per­te Uwe Lübking sagt. Anders als früher hätten Anwoh­ner deshalb in ganz Deutsch­land nur noch gerin­ge Chancen, sich zur Wehr zu setzen, wenn in Wohnge­bie­ten Kitas gebaut würden.

Auch das Landge­richt München I hatte im vorlie­gen­den Fall entschie­den, dass die Grund­dienst­bar­keit der Kita nicht entge­gen­steht. Denn um den Betrieb endlich aufneh­men zu können, hatte die Hausver­wal­tungs­ge­sell­schaft eine Feststel­lungs­kla­ge erhoben, um auf der siche­ren Seite zu sein, wie eine Spreche­rin des Oberlan­des­ge­richts (OLG) erläu­ter­te. Gegen diese Entschei­dung waren die Nachbarn in die nächs­te Instanz gezogen. Das Urteil des nun zustän­di­gen OLG dürfte schon am Diens­tag verkün­det werden, sofern der Senat nicht einen eigenen Verkün­dungs­ter­min festsetzt.

Von Elke Richter, dpa