NÜRNBERG (dpa) — Noch zwei Wochen sind es bis zur Wahl — und die Union liegt weiter hinter der SPD zurück. Armin Laschet und Markus Söder haken sich nun demons­tra­tiv unter. Bringt das Wochen­en­de die erhoff­te Trendwende?

Die Delegier­ten jubeln und johlen Armin Laschet zu, der Applaus will gar kein Ende nehmen.

Mehr als acht Minuten lang spenden sie am Samstag beim CSU-Partei­tag in Nürnberg dem schwer unter Druck stehen­den Unions­kanz­ler­kan­di­da­ten im Stehen Beifall — mehr als doppelt so lange wie dem eigenen Vorsit­zen­den Markus Söder nach dessen Rede am Vortag. Die kleine bayeri­sche Schwes­ter­par­tei der CDU ist fest entschlos­sen, nicht auch nur den Hauch eines Zweifels an der Unter­stüt­zung für Laschet aufkom­men zu lassen.

Schon beim Empfang des Kandi­da­ten in Nürnberg ist klar: Zwei Wochen vor der Bundes­tags­wahl am 26. Septem­ber wollen die Christ­so­zia­len ein Bild der Geschlos­sen­heit in die Republik senden. Noch wenig zuvor hatten Söder und CSU-General­se­kre­tär Markus Blume den NRW-Minis­ter­prä­si­den­ten mit spitzen Bemer­kun­gen in Bedräng­nis gebracht. Doch beim Einmarsch gibt es soviel Jubel für ihn, dass man glauben könnte, Laschet habe die Wahl schon gewon­nen und das Kanzler­amt nach der Ära von 16 Jahren Angela Merkel erfolg­reich für die Union verteidigt.

Laschet hat sich an diesem Tag entschie­den, die Seele der CSU zu strei­cheln. Gleich zu Beginn seiner Rede versucht er es mit der Taktik, die Delegier­ten zu umarmen, jeden­falls rheto­risch. Er habe ja einige Jahre in Bayern gelebt, in München studiert und immer «diese Eigen­stän­dig­keit, dieses Selbst­be­wusst­sein in Bayern» sehr geschätzt, dass durch die CSU wie durch keine andere Partei verkör­pert werde. Nur die CSU könne den Freistaat Bayern in Berlin stark vertre­ten — «und deshalb brauchen wir CDU und CSU in der nächs­ten Bundes­re­gie­rung», ruft er in den Saal — und die Delegier­ten jubeln.

Immer wieder muss sich Laschet während der knapp 50 Minuten seiner Rede räuspern, manch­mal klingt er heiser — eine Wahlkampf­stim­me sei das, heißt es nachher aus seinem Team. Soll wohl auch bedeu­ten: Laschet kämpft, er schont sich nicht. Der CDU-Chef geht durch die Kernthe­men der Konser­va­ti­ven für die heiße Schluss­pha­se des Wahlkampfs: innere und äußere Sicher­heit, Arbeits­plät­ze und Wirtschaft, Stabi­li­tät der Finan­zen, Klima­wan­del. Wirkli­che Neuig­kei­ten hat er nicht mitge­bracht nach Nürnberg, aber das haben die Delegier­ten wohl auch nicht erwartet.

Attacken gegen die SPD

Wichti­ger ist für sie an diesem Tag, dass sich Laschet als Kämpfer präsen­tiert. Schnell ist klar, wen er als Haupt­geg­ner im Visier hat: SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz und seine Partei. «In all den Entschei­dun­gen der Nachkriegs­ge­schich­te standen Sozial­de­mo­kra­ten immer auf der falschen Seite», ätzt Laschet. Er meint ihre Wirtschafts‑, Steuer- und Finanz­po­li­tik: Die SPD habe immer daran gedacht, Steuern zu erhöhen, Schul­den zu machen und den Menschen möglichst viel vorzu­schrei­ben. In den sozia­len Medien schäu­men anschlie­ßend die SPD-Anhän­ger — dem CDU-Chef kann das nur Recht sein, er setzt auf Polari­sie­rung und die Mobili­sie­rung der eigenen Anhänger.

Der Finanz­mi­nis­ter verwei­ge­re der Bundes­wehr Drohnen zum Schutz der Bundes­wehr, «weil er Angst hat vor den Linken in seiner Partei», kriti­siert Laschet — das gefällt den CSU-lern. Wieder hält Laschet dem Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter nach einer Durch­su­chung von dessen Minis­te­ri­um durch die Staats­an­walt­schaft im Zusam­men­hang mit einer Geldwä­sche-Spezi­al­ein­heit vor, Zweifel am Rechts­staat zu säen, Scholz diskre­di­tie­re die unabhän­gi­ge Justiz. Immer wieder geht Laschet Scholz direkt an — das dürfte ein Vorge­schmack auf die Fernseh­de­bat­te von Laschet mit Scholz und der Grünen-Kanzler­kan­di­da­tin Annale­na Baerbock am Sonntag­abend sein.

Als Laschet seine Rede beendet hat, kommt nicht nur Söder auf die Bühne, fast die gesam­te CSU-Führung reiht sich um den Kandi­da­ten. Das soll nochmal zeigen: Wir stehen hinter ihm. Als die Delegier­ten gar nicht aufhö­ren wollen mit dem Klatschen, wirkt es, als werde es Laschet beina­he unange­nehm: Er knöpft sich das Jackett zu, als wolle er signa­li­sie­ren: Jetzt reicht es auch. Gut möglich ist nach den vergan­ge­nen schwie­ri­gen Monaten mit der CSU auch, dass den Kandi­da­ten Zweifel beschlei­chen, ob soviel Jubel tatsäch­lich von Herzen kommt, oder nicht eher einer perfek­ten Partei­tags­re­gie geschul­det ist.

Einen warmen und herzli­chen Empfang hatte Söder Laschet am Vortag verspro­chen — und in seiner Rede tatsäch­lich auf süffi­san­te Bemer­kun­gen in dessen Richtung verzich­tet. Nach dem Auftritt des Kanzler­kan­di­da­ten klingt der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent am Samstag dann gerade­zu überschwäng­lich, als er ruft: «Das war die Rede unseres künfti­gen Kanzlers Armin Laschet. Wir haben einen großar­ti­gen Empfang verspro­chen, er hat es mit einer großar­ti­gen Rede gedankt.»

Letzte Chance beim TV-Triell?

Ob der Burgfrie­den in der Union tatsäch­lich bis zum Wahlabend hält? Die Umfra­gen für die Union und Laschet bleiben jeden­falls weiter­hin wie festgeta­ckert im histo­ri­schen Tief. Immer­hin, so sagen manche in der CSU, sei wohl die Talsoh­le erreicht. Es deute sich an, dass sich die Lage konso­li­die­re — auf drama­tisch schlech­tem Niveau. Dass Söder der eigent­li­che «Kandi­dat der Herzen» wäre, bekam er quasi von einer Umfra­ge des Civey-Insti­tuts beschei­nigt, nach der die Union mit ihm als Kanzler­kan­di­dat in der Wähler­gunst deutlich besser da stehen würde und auf 37 Prozent käme.

Ob in der CSU-Führungs­eta­ge tatsäch­lich jemand glaubt, dass Laschet am Sonntag­abend beim zweiten großen TV-Triell mit Scholz und der Baerbock das Ruder tatsäch­lich noch herum­rei­ßen kann? So einen leich­ten Gang wie bei der CSU dürfte er dann nicht haben.

Der Schlag­ab­tausch bei ARD und ZDF dürfte für ihn wohl eine der letzten Chancen sein, das Bild der Menschen von ihm zum Positi­ven zu korri­gie­ren. Tief haben sich sein Lacher während der Flutka­ta­stro­phe und andere Patzer ins Gedächt­nis einge­brannt. Dabei wird auch Laschet klar sein: Schafft er es nicht in den nächs­ten 14 Tagen, den Trend zu drehen, und geht es schief bei der Bundes­tags­wahl, dürfte es sein letzter Auftritt bei einem CSU-Partei­tag gewesen sein.

Von Jörg Blank, Marco Hadem, Chris­toph Trost, Micha­el Donhau­ser, dpa