BERLIN/MÜNCHEN (dpa) — Knapp neun Prozent­punk­te verliert die Union bei der Bundes­tags­wahl. Armin Laschet räumt ein, dass er dazu beigetra­gen hat. Aber er bleibt dabei: Auch er will Gesprä­che über eine neue Regie­rung führen.

Unions­kanz­ler­kan­di­dat Armin Laschet hat nach den schwe­ren Verlus­ten bei der Wahl eine Erneue­rung der CDU angekün­digt und persön­li­che Fehler einge­räumt. Ein Ergeb­nis unter 30 Prozent sei nicht der Anspruch der Union als Volks­par­tei, sagte der CDU-Chef nach Beratun­gen der Parteigremien.

Beson­ders drastisch seien die Ergeb­nis­se der CDU im Osten ausge­fal­len. Es stehe völlig außer Frage, das Ergeb­nis «kann, darf und wird» die Union nicht zufrie­den­stel­len, sagte Laschet. Zwar habe die Union im Schluss­spurt aufge­holt und Rot-Rot-Grün verhin­dert. Es habe aber zugleich schmerz­li­che Verlus­te gegeben und nicht gereicht für Platz eins. Natür­lich wisse er, dass er auch einen persön­li­chen Anteil daran habe. Das Ergeb­nis werde inten­siv aufge­ar­bei­tet werden. Egal, ob die Union in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung komme, es müsse eine Erneue­rung auf allen Ebenen statt­fin­den. Die Union hat bei der Wahl ein Debakel erlit­ten, sie stürz­te von 32,9 Prozent auf den histo­ri­schen Tiefpunkt von 24,1 Prozent ab.

Dennoch strebt Laschet weiter­hin Sondie­run­gen über die Bildung einer neuen Regie­rung an. Vorstand und Präsi­di­um der CDU seien sich einig, «dass wir zu Gesprä­chen für eine sogenann­te Jamai­ka-Koali­ti­on bereit stehen», sagte der CDU-Chef.

Laschet: Auch SPD ohne Regierungsauftrag

Aus dem Wahler­geb­nis könne keine Partei für sich einen Regie­rungs­auf­trag ablei­ten — die Union nicht, die SPD aber auch nicht. Kanzler werde derje­ni­ge, der eine Mehrheit im Bundes­tag hinter sich habe. Dies sei ein Moment, in dem Volks­par­tei­en mit dem Anspruch von Wahler­geb­nis­sen um die 30 Prozent mit Demut vor den Wähler treten müssten. «Olaf Scholz und ich sind, finde ich, zur gleichen Demut aufge­ru­fen.» Auch mit 25 Prozent habe man nicht den Anspruch: «Ich bin den nächs­te Kanzler, und jetzt müssen wir mal gerade gucken, wie wir die anderen mit dazu kriegen.»

Laschet sagte, ein Jamai­ka-Bündnis könne zu einer «gesell­schaft­li­chen Breite» beitra­gen. Deutsch­land müsse moder­ni­siert werden und brauche eine «Koali­ti­on für mehr Nachhal­tig­keit». Mit der FDP teile die Union etwa das Anlie­gen wirtschaft­li­chen Wachs­tums, mit den Grünen das Engage­ment für den Wandel zu einem klima­neu­tra­len Industrieland.

Der CDU-Chef machte deutlich, man sei im Gespräch. «Wir werden die Gesprä­che sicher auch noch forma­li­siert in den nächs­ten Tagen fortset­zen.» Dies dürfe aber nicht das Klein-Klein sein, das man aus frühe­ren Sondie­run­gen kenne. Laschet beton­te zudem, es gehe ihm um Gesprä­che «auf Augenhöhe».

Ziemi­ak: «Brutal offene» Analyse

Für sich selbst sagte Laschet, er wolle vorerst Minis­ter­prä­si­dent in Nordrhein-Westfa­len bleiben. Er habe im Bundes­tags­wahl­kampf «sehr darauf geach­tet», seine Aufga­be als Minis­ter­prä­si­dent in NRW «sehr ernst­haft» bis hin zu jeder Kabinetts­sit­zung und Bearbei­tung jedes Vorgangs weiter­zu­füh­ren, sagte Laschet am Montag in Berlin. «Deshalb können Sie davon ausge­hen, dass ich das auch in der nächs­ten Zeit bis zu einem Wechsel im Amt des Minis­ter­prä­si­den­ten in vollem Umfang machen werde.»

CDU-General­se­kre­tär Paul Ziemi­ak kündig­te eine «schonungs­lo­se Analy­se» an. Es gebe keinen Grund, irgend­et­was schön­zu­re­den, sagte er. «Die Verlus­te sind bitter und sie tun weh.» Beson­ders schmer­ze das Abschei­den im Osten, dort seien viele Manda­te verlo­ren worden. Die Analy­se solle «brutal offen» sein.

CSU-Chef Markus Söder kündig­te in München eine umfas­sen­de Aufar­bei­tung und Fehler­ana­ly­se an. «Wir dürfen es nicht schön reden», sagte der bayeri­sche Minis­ter­prä­si­dent. Die Union dürfe jetzt nicht einfach zur Tages­ord­nung übergehen.

Söder: «Ja, es war eine Niederlage»

Söder beton­te, dass damit aber «keine Rückspie­le oder Zusatz­kri­tik» an Kanzler­kan­di­dat Armin Laschet verbun­den sei. «Es ist wichtig, dass wir uns jetzt ernst­haft damit ausein­an­der­set­zen», die Union müsse sich mit einer Analy­se «ehrlich machen». «Es ist eine sehr ernste Zeit für die Union.» Erneu­ern gehe am besten in der Regierung.

Söder beton­te, es sei ein sehr enttäu­schen­des Ergeb­nis für die gesam­te Union: «Ja, es war eine Nieder­la­ge.» Wer wie die Union so viele Stimmen verlie­re, könne das Ergeb­nis nicht umdeu­ten. Beson­ders schmer­ze, dass die Union auch bei vielen Kompe­tenz­fel­dern schlecht abgeschnit­ten habe, darun­ter auch eigent­li­che Kernbe­rei­che wie innere Sicher­heit oder Wirtschafts­po­li­tik. «Es gab eine Tendenz zum Wechsel», sagte Söder. Gleich­wohl sei zumin­dest die CSU «an einigen Stellen mit einem blauen Auge davon gekom­men». Als Beispiel nannte er, dass die CSU 45 der 46 Direkt­man­da­te in Bayern geholt habe.

Dobrindt: Nicht verbiegen

Auch CSU-Spitzen­kan­di­dat Alexan­der Dobrindt nannte das Abschnei­den der Union «eine der unnötigs­ten Nieder­la­gen der vergan­ge­nen Jahrzehn­te». Mit Blick auf mögli­che Sondie­rungs­ge­sprä­che beton­te er, dass sich die Union nicht verbie­gen dürfe. Zugleich sei es auch wichtig, dass die Regie­rungs­fin­dung nicht ewig dauern dürfe.

Nach Teilneh­mer­an­ga­ben kriti­sier­te er in der Vorstands­sit­zung auch Armin Laschet: Es habe bei der CDU Schwä­chen bei Kurs, Kampa­gne und beim Kandi­da­ten gegeben. Bayerns Junge-Union-Chef Chris­ti­an Doleschal sagte den Angaben nach, man müsse ehrlich analy­sie­ren, dass die Union diese Wahl nicht gewon­nen habe. Der Kandi­dat sei hierbei als erstes zu nennen: Dieser habe bis zum Wahltag jedes Fettnäpf­chen mitge­nom­men, das es gegeben habe.

Der CSU-Europa­po­li­ti­ker Manfred Weber sprach intern demnach von einem bitte­ren Ergeb­nis für die Union — und erinner­te daran, dass CSU-Chef Markus Söder im Frühjahr das Angebot gemacht hatte, selbst Kanzler­kan­di­dat zu werden. Und mit ihm hätte die CSU in Bayern viel, viel besser abgeschnit­ten, argumen­tier­te Weber laut Teilneh­mern. Die frühe­re bayeri­sche Landtags­prä­si­den­tin Barba­ra Stamm sagte laut Teilneh­mern, ob die CDU mit diesem Wahler­geb­nis den Anspruch erheben könne, den Kanzler zu stellen, da sei sie skeptisch.

Altmai­er: Neuauf­stel­lung der CDU

Bundes­wirt­schafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU)sprach von einem ausge­spro­chen schlech­ten Wahler­geb­nis. «Wir haben ein Ergeb­nis, das ich mir vor wenigen Monaten noch nicht einmal in den schlimms­ten Alpträu­men vorstel­len konnte», sagte er. Man müsse intern über notwen­di­ge Maßnah­men zur Neuauf­stel­lung der CDU inhalt­lich und auch in anderer Hinsicht beraten. Die CDU habe weite Teile der Wechsel­wäh­ler der Mitte nicht anspre­chen können.

Sachsens Minis­ter­prä­si­dent Micha­el Kretschmer (CDU) sieht hausge­mach­te Fehler als Grund für das schlech­te Abschnei­den der Union verant­wort­lich. «Es sind Fehlent­schei­dun­gen in der Vergan­gen­heit gewesen, inhalt­li­cher Art, in der Regie­rung und auch in der perso­nel­len Aufstel­lung», sagte er. Auch im Wahlkampf habe es sicher­lich Fehler gegeben, «die dazu geführt haben, dass dieses Wahler­geb­nis, das schlech­tes­te in der Union, jetzt so einge­tre­ten ist».

«Wenn wir weiter­ma­chen wie bisher, dann mache ich mir große Sorgen, was in vier Jahren übrig bleibt», sagte Kretschmer, in dessen Bundes­land die AfD stärks­te Kraft gewor­den war. «Deswe­gen braucht es jetzt erst mal ein Innehal­ten. Die CDU hat diese Wahl verlo­ren.» Natür­lich trage die Union Verantwortung.

Auch Nieder­sach­sen CDU-Vorsit­zen­der Bernd Althus­mann sieht Verän­de­rungs­be­darf. «Ich glaube, wir werden inhalt­lich, organi­sa­to­risch und für die Zukunft vielleicht auch perso­nell uns so aufstel­len, dass wir Bundes­tags­wah­len gewin­nen können», sagte er. «Wir werden das Wahler­geb­nis mit Demut anneh­men müssen. Der Wähler hat gespro­chen. Er wollte offen­sicht­lich zum Teil einen Wechsel.»

Braun: Bitte­res Ergebnis

Für Kanzler­amts­chef Helge Braun ist «das Ergeb­nis bitter, und die CDU wird sich sicher nicht damit abfin­den, eine Unter-30-Prozent-Partei zu sein», sagte der CDU-Politi­ker im Deutsch­land­funk. Die stell­ver­tre­ten­de CSU-Vorsit­zen­de Dorothee Bär hinge­ge­gen sieht das Wahler­geb­nis für die Union aus CDU und CSU als große Aufhol­jagd, wenn auch nicht als zufrie­den­stel­lend an. Insge­samt sei man mit dem Wahler­geb­nis natür­lich nicht sehr glück­lich, sagte die Digital-Staats­mi­nis­te­rin im Deutsch­land­funk. «Wir haben aber trotz­dem durch eine ganz große Aufhol­jagd, durch einen ganz großen Schluss­spurt es noch mal hinbe­kom­men, auch die Prozen­te nach oben zu bekom­men.» Die CSU sei maßgeb­lich mitver­ant­wort­lich dafür, dass es keine rot-rot-grüne Mehrheit gebe.