HAMBURG (dpa) — Ein Ende der Preis­er­hö­hungs-Welle in Super­märk­ten und bei Discoun­tern ist einer aktuel­len Studie zufol­ge nicht in Sicht. Im Gegen­teil: Das Schlimms­te könnte noch kommen.

Die Menschen in Deutsch­land müssen für Lebens­mit­tel in den nächs­ten Monaten wahrschein­lich noch einmal deutlich mehr bezahlen.

«In Deutsch­land dürften die Preise im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del 2022 um mehr als 10 Prozent anzie­hen», fasste der Handels­exper­te Auréli­en Duthoit vom Kredit­ver­si­che­rer Allianz Trade das Ergeb­nis einer aktuel­len Studie zusam­men. Umgerech­net entspre­che das durch­schnitt­lich 250 Euro Mehrkos­ten im Jahr pro Kopf.

Trotz der jüngs­ten Preis­stei­ge­run­gen seien die Preise im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del weit davon entfernt, den tatsäch­li­chen Preis­an­stieg bei Lebens­mit­teln in den vergan­ge­nen 18 Monaten wider­zu­spie­geln. «Das Schlimms­te kommt auf die Haushal­te also erst noch zu», warnte Duthoit.

Preis­er­hö­hun­gen im Einzel­han­del verzögert

Die Herstel­ler von Lebens­mit­teln und Geträn­ken haben ihre Preise in Deutsch­land der Studie zufol­ge seit Anfang 2021 um durch­schnitt­lich 16,6 Prozent angeho­ben. Am stärks­ten waren die Aufschlä­ge bei Produk­ten des tägli­chen Bedarfs, darun­ter Öle und Fette (plus 53 Prozent), Mehle (plus 28 Prozent) und Nudeln (plus 19 Prozent) — vor allem getrie­ben durch die russi­sche Invasi­on in der Ukraine.

Im Gegen­satz seien die Preise im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del nur um vergleichs­wei­se beschei­de­ne 6 Prozent angestie­gen, heißt es in der Studie. Dabei entfie­len im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del 75 Prozent der Gesamt­kos­ten auf den Einkauf. Hier bestehe also noch Nachhol­be­darf. «Die Vergan­gen­heit hat gezeigt, dass sich Einzel­han­dels­prei­se im Großen und Ganzen an die Erzeu­ger­prei­se anpas­sen, wenn auch mit einer gewis­sen Verzö­ge­rung», sagt Duthoit.

«Die hohe Infla­ti­on und der nach der Pande­mie verzeich­ne­te Absatz­rück­gang bei Lebens­mit­teln in den Geschäf­ten setzen die Renta­bi­li­tät im Lebens­mit­tel­ein­zel­han­del unter Druck», sagte Duthoit. «Insofern dürften die Preis­stei­ge­run­gen zeitnah und in hohem Maße auf die Verbrau­cher­prei­se durchschlagen.»

Tatsäch­lich gaben bei einer aktuel­len Umfra­ge des Ifo-Insti­tus neun vohn zehn Unter­neh­men im Einzel­han­del mit Nahrungs- und Genuss­mit­teln an, weite­re Preis­er­hö­hun­gen zu planen. Haupt­ur­sa­che für die steigen­den Preise seien höhere Kosten bei der Beschaf­fung von Energie, Rohstof­fen, sonsti­gen Vorpro­duk­ten und Handels­wa­ren, hieß es vom Ifo.

Bauern melden weiter­hin angespann­te Lage

Und auch aus der Landwirt­schaft kamen zuletzt alles andere als beruhi­gen­de Signa­le für Verbrau­cher. Der Deutsche Bauern­ver­band warnte erst in dieser Woche, die angespann­te Lage auf den Agrar­märk­ten infol­ge des Ukrai­ne­krie­ges werde wohl noch monate­lang anhal­ten. Es sei davon auszu­ge­hen, dass die kriti­sche Versor­gungs­si­tua­ti­on bis weit ins kommen­de Jahr und über die Ernte 2023 hinaus­rei­chen werde, sagte der stell­ver­tre­ten­de General­se­kre­tär Udo Hemmer­lin. Daher werde es auch zu weite­ren Preis­er­hö­hun­gen für die Verbrau­cher kommen.

Ein Beispiel dafür: Milch­pro­duk­te. Sie könnten nach Angaben des zustän­di­gen Branchen­ver­bands bald deutlich teurer werden. «Bei Milch­pro­duk­ten mit länge­ren Kontrakt­lauf­zei­ten sind die Preis­stei­ge­run­gen im Laden teils noch nicht wirklich angekom­men, das wird erst in den kommen­den Wochen und Monaten gesche­hen», sagte Björn Börger­mann, Geschäfts­füh­rer des Milch­in­dus­trie-Verban­des, kürzlich der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung» (NOZ). «Steige­rungs­ra­ten von 20 Prozent könnten durch­aus möglich sein», so Börger­mann weiter. Am Ende sei dies aber Verhand­lungs­sa­che zwischen Molke­rei­en und Handelsunternehmen.

Die großen Handels­ket­ten versu­chen unter­des­sen den Preis­an­stieg zumin­dest zu dämpfen. Edeka-Chef Markus Mosa appel­lier­te in den vergan­ge­nen Wochen wieder­holt an die großen Marken­her­stel­ler den Bogen bei den Preis­er­hö­hun­gen nicht zu überspan­nen. «Steigen­de Verbrau­cher­prei­se dürfen aber nicht als Alibi der Indus­trie­kon­zer­ne dienen, um ihre Rendi­ten mit überhöh­ten Preis­for­de­run­gen zu maximie­ren», beton­te Mosa. Daher werde Edeka in Verhand­lun­gen mit den Herstel­lern vermeid­ba­re Preis­er­hö­hun­gen abwen­den. Nicht vermeid­ba­re Preis­er­hö­hun­gen dürften nicht allein den Verbrau­chern aufge­bür­det, sondern müssten in der gesam­ten Wertschöp­fungs­ket­te verteilt werden. Ähnlich äußer­te sich Rewe-Chef Lionel Souque.