STUTTGART (dpa/lsw) — Baden-Württem­berg steigt als letztes Bundes­land ins neue Schul­jahr ein. Die wichtigs­ten Corona-Regeln hat das Kultus­mi­nis­te­ri­um festge­zurrt. Aber das reicht nicht, kriti­sie­ren die Gymna­si­al­leh­rer. Unklar ist jedoch, wer sich den Schuh anzie­hen muss.

Trotz neuer Hygie­ne­re­geln für Klassen­zim­mer und Unter­richt sind Kinder und Jugend­li­che nach Ansicht der Gymna­si­al­leh­rer zum Schul­start nicht gut genug vor Corona-Infek­tio­nen geschützt. Fenster ließen sich oft aus Sicher­heits­grün­den nicht vollstän­dig oder gar nicht öffnen, kriti­sier­te der Philo­lo­gen­ver­band Baden-Württem­berg (PhV). Deshalb müssten Raumluft­rei­ni­ger beschafft werden, um die Aerosol­kon­zen­tra­ti­on niedrig zu halten. Die winzi­gen Tröpf­chen gelten als Haupt­grund für die Anste­ckung mit dem Coronavirus.

«Eine solche techni­sche Lösung könnte den Infek­ti­ons­schutz für alle betrof­fe­nen Schüle­rin­nen und Schüler und Lehrkräf­te massiv verbes­sern und Schul­schlie­ßun­gen verhin­dern», sagte der PhV-Landes­vor­sit­zen­de Ralf Scholl am Freitag in Stutt­gart. Auch das Umwelt­bun­des­amt bewer­te die Geräte als sinnvol­le zusätz­li­che Maßnah­me. Zudem hatten Forscher der Univer­si­tät der Bundes­wehr München einen Raumluft­rei­ni­ger unter­sucht und eine Halbie­rung der Aerosol­kon­zen­tra­ti­on binnen weniger Minuten festgestellt.

Das in der Studie verwen­de­te Gerät kostet aller­dings mehr als 4000 Euro. Die Gewerk­schaft Erzie­hung und Wissen­schaft (GEW) sieht daher zwar auf lange Sicht ebenfalls die Vortei­le eines Raumluft­rei­ni­gers, ist aber skeptisch mit Blick auf Zeitplan und Kosten. «Die Geräte sind sinnvoll», sagte der GEW-Landes­ge­schäfts­füh­rer Matthi­as Schnei­der der Deutschen Presse-Agentur. «Aber wenn man sich anschaut, wie die Schulen derzeit ausge­stat­tet sind und wie teuer so ein Reini­ger ist, dann ist eine schnel­le Umset­zung zum Schul­start unrea­lis­tisch.» Außer­dem sei es schwie­rig, Handwer­ker für den umgehen­den Einbau zu buchen.

Durch die Anlagen wird die Raumluft meist über Venti­la­to­ren ausge­wech­selt. Die Außen­luft wird angesaugt, gefil­tert, gegebe­nen­falls aufge­heizt und schließ­lich in den Raum gelas­sen. Gleich­zei­tig wird die Abluft durch Unter­druck abgesaugt und vom Zentral­ge­rät ins Freie befördert.

Das Kultus­mi­nis­te­ri­um reagier­te verär­gert auf die Kritik des PhV. «Wir haben für den Regel­be­trieb der Schulen im Rahmen des Pande­mie­ge­sche­hens ein umfas­sen­des Hygie­ne­kon­zept mit zahlrei­chen Hygie­ne- und Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men erstellt», sagte Kultus­mi­nis­te­rin Susan­ne Eisen­mann. «Dieses Konzept sollte sich der Philo­lo­gen­ver­band vielleicht einmal durch­le­sen, bevor er die Behaup­tung in die Welt setzt, dass wir mit der Gesund­heit der Lehrkräf­te sowie der Schüle­rin­nen und Schüler spielen», kriti­sier­te die CDU-Politi­ke­rin weiter. «Die Behaup­tung des Philo­lo­gen­ver­bands deckt sich also nicht mit der Realität.»

Schul­trä­ger seien die Kommu­nen — und diese müssten gewähr­leis­ten, dass sich die Fenster an den Schulen öffnen ließen. «Das regel­mä­ßi­ge Lüften aller Räume ist eine der zentra­len Infek­ti­ons­schutz­maß­nah­men», sagte Eisen­mann. Schul­trä­ger müssten auch selbst entschei­den, ob Lüftungs­an­la­gen einge­setzt würden. «Sie sind etwa dann sinnvoll, wenn eine ausrei­chen­de Belüf­tung der Räume nicht sicher­ge­stellt werden kann», sagte auch Eisenmann.

Die CDU-Spitzen­kan­di­da­tin für die Landtags­wah­len im kommen­den März verwies auf die millio­nen­schwe­ren Mittel, die den Kommu­nen für die Sanie­rung ihrer Schulen zustän­den. Das Land habe in den vergan­ge­nen drei Jahren unter anderem einen kommu­na­len Fonds aufge­legt, der zu 80 Prozent für Schul­sa­nie­run­gen einge­setzt werde. «Die Mittel in Höhe von 476,4 Millio­nen Euro sind vollstän­dig bewil­ligt und werden fortlau­fend von den Schul­trä­gern abgeru­fen», erklär­te die Ministerin.