STUTTGART (dpa/lsw) — «Geht’s noch?» Lehrkräf­te sind sauer, weil der Regie­rungs­chef Mängel bei der Quali­tät des Unter­richts sieht. Dabei sei der Grund für die Schwä­chen von Grund­schü­lern doch sonnen­klar — und daran ändere sich auch so schnell nichts.

Der Landes­chef des Lehrer­ver­bands VBE, Gerhard Brand, hat Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann im Streit um mehr Lehrkräf­te an Grund­schu­len ungewöhn­lich hart attackiert. Brand geht vor allem der Satz von Kretsch­mann gegen den Strich, die schwa­chen Resul­ta­te vieler Grund­schü­ler bei der jüngs­ten Studie hätten nichts mit der Zahl der Lehrer, sondern mit der Quali­tät des Unter­richts zu tun. «Das war ein typischer Kretsch­mann: Erst sprechen, dann denken», sagte Brand der Deutschen Presse-Agentur in Stutt­gart. Anders­her­um wäre es besser gewesen. Aber schon bei seinem jüngs­ten Vorstoß für mehr Teilzeit für Lehrkräf­te habe sich der Regie­rungs­chef verga­lop­piert und später klein begeben müssen.

Der Landes­vor­sit­zen­de des Verbands Bildung und Erzie­hung (VBE) monier­te, der studier­te Lehrer Kretsch­mann (74) habe offen­sicht­lich nach Jahrzehn­ten in der Politik keine Ahnung vom Schul­all­tag mehr. «Er versteht davon, was heutzu­ta­ge im Unter­richt passiert, ungefähr genau­so viel wie ein Ziegel­stein vom Schwim­men.» Brand hält den Perso­nal­man­gel an den Grund­schu­len für den Haupt­grund für das weite­re Absacken der Leistun­gen. Er forder­te Kretsch­mann auf: «Schaf­fen Sie erstmals die quanti­ta­ti­ven Voraus­set­zun­gen, dann werden Sie sich wundern, wie quali­tät­voll der Unter­richt sein kann.» Derzeit sei die Lage an vielen Grund­schu­len so, dass wegen fehlen­den Perso­nals Klassen zusam­men­ge­legt und Stunden ausfal­len müssten.

Brand beklag­te, man fahre ein «Notpro­gramm nach dem anderen». Die Corona-Pande­mie sei immer noch nicht vorbei und dann seien die geflüch­te­ten Kinder aus der Ukrai­ne dazuge­kom­men. «Ohne diese Notla­gen haben wir schon zu wenig Perso­nal.» Kretsch­mann hätte den Lehrkräf­ten lieber mal für ihr Engage­ment danken sollen, statt die Quali­tät des Unter­richts zu kriti­sie­ren. Viele Lehrkräf­te hätten auf die Äußerung des Regie­rungs­chefs mit der Frage «Geht’s noch?» reagiert. Was Kretsch­mann sage, sei «Blödsinn».

Der Verbands­chef appel­lier­te an Kretsch­mann und Kultus­mi­nis­te­rin There­sa Schop­per (Grüne), den Menschen in Baden-Württem­berg reinen Wein einzu­schen­ken, wenn es um die Leistun­gen der Grund­schü­ler gehe. «Das wird sich in nächs­ter Zeit nicht verbes­sern.» Der massi­ve Lehrer­man­gel werde sich wegen der Pensi­ons­wel­le, die 2025 auf ihrem Schei­tel sei, noch verschär­fen. Die Zahl der Studi­en­ab­gän­ger werde nicht ausrei­chen, um diese Lücke aufzu­fül­len. «Wir müssen uns darauf einstel­len, dass wir fünf bis zehn Jahre brauchen, um den Lehrer­man­gel zu überwin­den.» Die Politik müsse zugeben: «Wir kommen im Moment nicht weiter und wir können das Niveau nicht halten.»

Kretsch­mann hatte sich am Diens­tag «tief beunru­higt» über die schwa­chen Leistun­gen vieler Grund­schü­ler gezeigt, die eine neue Studie offen­ge­legt hatte. Der Grünen-Politi­ker warnte jedoch davor, ständig nach mehr Lehrkräf­ten zu rufen. Das sei «immer diesel­be Leier. Die hat mit dem Problem nichts zu tun». Es gehe nicht um die Zahl der Lehrkräf­te, sondern um die Quali­tät des Unter­richts. Er erinner­te daran, dass das Land nach dem Absturz bei der Studie 2016 zwei wissen­schaft­li­che Insti­tu­te gegrün­det und eine Reihe von Maßnah­men ergrif­fen habe, um die Basis­kom­pe­ten­zen in Deutsch und Mathe zu stärken.

Brand sagte, die Insti­tu­te seien seit ihrer Gründung im März 2019 noch keine echte Hilfe gewesen. Vor allem beim größe­ren Zentrum für Schul­qua­li­tät und Lehrer­bil­dung (ZSL) fehle noch viel, bis es rund laufe. «Der Ertrag ist noch nicht so, dass die Lehrer «Hurra» schreien.»