BERLIN (dpa) — Ein günsti­ges Nahver­kehrs­ti­cket für das ganze Land, eine deutli­che Steuer­sen­kung für Sprit: Mit dem ersten Energie­preis-Schock war plötz­lich vieles möglich. Doch damit ist jetzt Schluss — was folgt?

Mobili­tät wird für viele Menschen in Deutsch­land wieder deutlich teurer. In der Nacht von Mittwoch auf Donners­tag laufen sowohl das 9‑Euro-Ticket für Bus und Bahn als auch der sogenann­te Tankra­batt aus, eine Senkung der Energie­steu­ern auf Kraft­stof­fe auf das in der EU zuläs­si­ge Mindest­maß. Die beiden Maßnah­men hatte die Bundes­re­gie­rung beschlos­sen, um Bürge­rin­nen und Bürger angesichts hoher Energie­prei­se vorüber­ge­hend zu entlasten.

Die Preise für Benzin und Diesel dürften mit dem Ende des Tankra­batts wieder deutlich steigen — wann und wie sehr ist aber noch unklar. «Wir werden in den kommen­den Tagen und Wochen sicher eine Mischung aus hohen und niedri­gen Preisen sehen», sagt Jürgen Albrecht, Sprit­preis-Exper­te beim ADAC. Schon jetzt seien die Preis­un­ter­schie­de je nach Region und Tages­zeit teils im zweistel­li­gen Centbe­reich. «Das wird zunächst eher noch mehr werden.»

Tankra­batt mit gemisch­ter Bilanz

Der Hinter­grund: Ab Mitter­nacht am 1. Septem­ber gelten für Benzin und Diesel wieder die alten Steuer­sät­ze. Inklu­si­ve Mehrwert­steu­er steigt der Preis für Super­ben­zin der Sorte E10 damit um 35 Cent pro Liter, für Diesel werden pro Liter 17 Cent mehr fällig. Aller­dings galten die niedri­ge­ren Steuer­sät­ze auch für Tankstel­len­be­trei­ber — einige dürften also noch günstig gekauf­ten Sprit haben, den sie auch entspre­chend günsti­ger abgeben können.

Das Bundes­kar­tell­amt hatte am Diens­tag angekün­digt, die Preis­ge­stal­tung der Tankstel­len nach dem 1. Septem­ber genau beobach­ten zu wollen. Schließ­lich funktio­nie­re der Wettbe­werb auf dem Kraft­stoff­markt nicht beson­ders gut, sagte Andre­as Mundt, Präsi­dent der Behör­de. Zum Start der Steuer­sen­kung hatte es teils hefti­ge Diskus­sio­nen darüber gegeben, ob die Konzer­ne die Vergüns­ti­gung wirklich komplett an Kunden weiterreichen.

«In der Gesamt­bi­lanz stellen wir fest, dass die Steuer­sen­kung nicht vollstän­dig beim Verbrau­cher angekom­men ist», sagt ADAC-Exper­te Albrecht. Die hohen Preise seien mit verschie­de­nen Sonder­fak­to­ren — die Folgen des Krieges, der schwa­che Euro, das Niedrig­was­ser im Rhein und damit verbun­de­ne hohe Trans­port­kos­ten — nicht vollstän­dig zu erklären.

Ohne Sprit­preis-Steuer­sen­kung wäre Tanken in den vergan­ge­nen drei Monaten aber deutlich teurer gewesen. Da gebe es keinen Zweifel, sagt Prof. Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Insti­tut für Wirtschafts­for­schung — und lässt doch kaum ein gutes Haar am Tankra­batt. «Die niedri­gen Preise führen dazu, dass mehr gefah­ren wird – das ist ökolo­gisch kontraproduktiv.»

Hinzu komme die ungerech­te Vertei­lung, so Frondel. Denn von der Steuer­sen­kung profi­tier­te vor allem, wer mehre­re Autos hat und viel damit fährt, in der Tendenz also eher Haushal­te mit hohem und mittle­ren Einkom­men. «Einkom­mens­schwa­che Haushal­te haben dagegen oft gar kein Auto und profi­tie­ren deshalb auch gar nicht von dem Instrument.»

Positi­ve Resonanz beim 9‑Euro-Ticket

Beim 9‑Euro-Ticket ist die Bilanz vieler Akteu­re und Exper­ten deutlich positi­ver. Die Resonanz in der Bevöl­ke­rung war groß: 52 Millio­nen Tickets wurden nach Angaben des Verbands Deutscher Verkehrs­un­ter­neh­men (VDV) verkauft, hinzu kommen 10 Millio­nen günsti­ge­re Abos.

Ab dem 1. Septem­ber werden für Monats­kar­ten wieder die alten, meist deutlich höheren Preise fällig. In naher Zukunft drohen zudem weite­re Erhöhun­gen: Hohe Kosten für Strom und Diesel belas­ten auch viele Verkehrs­un­ter­neh­men — und dürften in vielen Fällen auf die Fahrprei­se durch­schla­gen. In manchen Regio­nen sind Aufschlä­ge von 3, 4 oder knapp 5 Prozent bereits beschlos­se­ne Sache.

Anders als beim Tankra­batt ist beim 9‑Euro-Ticket die Diskus­si­on um eine Nachfol­ge­re­ge­lung längst in vollem Gange — als 29‑, 49- oder 69-Euro-Ticket zum Beispiel. Knack­punkt ist aber weniger der Preis als die Finan­zie­rung: Denn die Länder fordern vor allem eine Verbes­se­rung des Grund­an­ge­bots im Nahver­kehr: mehr Infra­struk­tur, mehr Perso­nal, mehr Fahrzeu­ge. Und dafür braucht es: mehr Geld.