LONDON (dpa) ‑Alle Briten bejubeln das 70. Thron­ju­bi­lä­um der Queen. Alle Briten? Nein. Laut einer Umfra­ge hat eine Mehrheit kein Inter­es­se an den Feier­lich­kei­ten. Naht das Ende der Monarchie?

Auf den ersten Blick ist es eine bombas­ti­sche Jubel­fei­er für die Queen, doch ein wenig wirkt es bereits wie ein pompö­ser Abschied für die Rekord-Königin. Bei den Festi­vi­tä­ten zum 70. Thron­ju­bi­lä­um von Eliza­beth II. zieht das Verei­nig­te König­reich alle Register.

Am Samstag stehen ein Pferde­ren­nen — die Queen ist ein riesi­ger Fan des Reitsports — sowie ein Mega-Konzert mit vielen Stars am Bucking­ham-Palast auf dem Programm. Für insge­samt vier Tage ist das Land in einen royalen Rausch verfal­len, quasi jeder mit Rang und Namen betei­ligt sich an den Feiern, Millio­nen Briten bejubeln landes­weit ihre 96 Jahre alte Monar­chin. Aber schaut man genau­er hin, wird klar, dass beilei­be nicht alle Briten mitma­chen. Und Gegner der Royal Family hoffen, dass nach der könig­li­chen Feier ein kolos­sa­ler Monar­chie-Kater folgt.

Die meisten sind indifferent

Der Mehrheit der Menschen im Land sei das «Jubilee» egal, sagte Graham Smith von der Anti-Monar­chie-Organi­sa­ti­on Republic der Deutschen Presse-Agentur. Er verwies auf eine Umfra­ge, die Republic beim Meinungs­for­schungs­in­sti­tut Yougov in Auftrag gegeben hat. Nur 11 Prozent bekun­de­ten demnach großes und weite­re 32 Prozent «ziemli­ches» Inter­es­se. Hinge­gen waren 29 Prozent «nicht sehr» und weite­re 25 Prozent «überhaupt nicht» inter­es­siert. Letzt­lich würden sich viele Leute über einen zusätz­li­chen arbeits­frei­en Tag freuen.

Es liegt nahe, dass das «Jubilee» der letzte große Auftritt der Queen sein dürfte. Zwar zeigte sich das Staats­ober­haupt vor allem zum Auftakt insge­samt drei Mal öffent­lich, lächelnd und offen­bar guter Laune. Doch der Tag habe die Königin angestrengt, war zu hören. Bei der Dankes-Messe in der Kathe­dra­le St. Paul’s ließ sich die Monar­chin ebenso entschul­di­gen wie am Samstag beim Pferde­ren­nen — dabei gelten Glaube und Pferde neben der Familie als ihre wichtigs­ten Eckpfeiler.

Immer häufi­ger lässt sich die Queen von ihrem ältes­ten Sohn Prinz Charles und ihrem Enkel Prinz William vertre­ten. Sie wolle die Dinge ordnen und zeigen, dass die Nachfol­ger ihr Vertrau­en genie­ßen, kommen­tie­ren Royals-Exper­ten. Kriti­ker wie Smith aber sind überzeugt, der nahen­de Wechsel auf dem Thron werde zu einer histo­ri­schen Zäsur führen. «Für die meisten Leute sind die Monar­chie und die Queen diesel­be Sache», sagte der Aktivist. Deshalb hoffe er, dass das Ende der Queen auch das Ende der Monar­chie einläute.

Charles deutlich unbeliebter

Die demogra­fi­sche Entwick­lung scheint für die Gegner des Königs­hau­ses zu sprechen. Zwar unter­stüt­zen nach wie vor mehr als 60 Prozent der Briten die Insti­tu­ti­on. Doch die Zahl ist seit Eliza­beths Diaman­tenem Thron­ju­bi­lä­um 2012 um gut zehn Punkte gesun­ken. Auffäl­lig ist, dass die Unter­stüt­zung umso stärker nachlässt, je jünger die Befrag­ten sind. In der Alters­grup­pe der 18- bis 24-Jähri­gen sind Gegner und Befür­wor­ter mit je rund einem Drittel fast gleichauf.

Wenn die Umfra­ge­wer­te bereits zu Zeiten der durch­aus belieb­ten Queen fallen, werde die Unter­stüt­zung mit ihrem deutlich unbelieb­te­ren Sohn Charles weiter sinken, hofft Smith. Sowohl der Thron­fol­ger als auch William seien den Leuten egal. «Die Chancen, dass (Williams Sohn) George einmal auf dem Thron sitzt, sind ziemlich gering.»

Argumen­te von Monar­chie-Befür­wor­tern wischt Smith beisei­te, auch die wirtschaft­li­chen. Es gebe keinen Gegen­wert für jährli­che Steuer­aus­ga­ben von Hunder­ten Millio­nen Pfund. Touris­ten würden weiter­hin kommen und Fotos vom Bucking­ham-Palast machen. «Es macht keinen Unter­schied, ob es die Monar­chie gibt», behaup­tet Smith. Zudem seien die Royals weder demokra­tisch gewählt noch trans­pa­rent in ihrem Handeln. Statt­des­sen sorgten sie mit Skanda­len wie den Missbrauchs­vor­wür­fen gegen Queen-Sohn Prinz Andrew für ein schlech­tes Image.

Land zerris­sen wie lange nicht mehr

Auch die Rolle der Queen als einigen­der Kraft für das Verei­nig­te König­reich zieht nach Ansicht der Kriti­ker nicht mehr. Zwar ist die Familie übers Wochen­en­de in alle Landes­tei­le gereist: Tochter Anne nach Schott­land, Enkel William nach Wales und der jüngs­te Sohn Edward nach Nordir­land. Doch das verdeckt nicht, dass das Land zerris­sen ist wie lange nicht mehr. In Schott­land streben viele Menschen nach Unabhän­gig­keit. Der Stadt­rat von Glasgow weiger­te sich, Geld für die «Jubilee»-Feiern auszu­ge­ben. In Nordir­land hat kürzlich erstmals eine Partei die meisten Stimmen erhal­ten, die für eine Wieder­ver­ei­ni­gung mit der zur EU gehören­den Republik Irland eintritt.

Von der Queen gibt es zur bröckeln­den Union ebenso wenig ein Wort wie zu den explo­die­ren Lebens­hal­tungs­kos­ten, die Millio­nen in Armut stürzen könnten. «No politics», lautet die eiser­ne Regel der Monar­chin. Wenn die Königin — oder wie kürzlich in Vertre­tung ihr Sohn Charles — das Regie­rungs­pro­gramm verliest, das ihr Downing Street aufge­schrie­ben hat, wirkt das angesichts der jahrhun­der­te­al­ten Ritua­le, schnei­di­gen Unifor­men und weißen Perücken eher wie Folklo­re. Aktivis­ten wie Smith sind sicher, dass solche Bilder bald Geschich­te sein werden.

Austra­li­en geht auf Distanz

Die neue austra­li­sche Regie­rung geht auf Distanz zum Staats­ober­haupt Queen Eliza­beth II. Das 70. Thron­ju­bi­lä­um der Königin sei ein Anlass, über die Zukunft der frühe­ren briti­schen Kolonie nachzu­den­ken, sagte Kabinetts­mit­glied Matt Thist­le­thwai­te der briti­schen Nachrich­ten­agen­tur PA.

Nach dem Ende von Eliza­beths Regent­schaft sei die Zeit für eine ernst­haf­te Debat­te gekom­men. «Austra­li­en ist ein unabhän­gi­ger Staat. Wir haben unsere eigene einzig­ar­ti­ge Identi­tät und Kultur», sagte Thist­le­thwai­te. Alle Austra­li­er müssten die Möglich­keit haben, Staats­ober­haupt zu werden. Die Queen ist wie in vielen anderen Mitglied­staa­ten des Common­wealth formal Staats­ober­haupt Australiens.

Auch in Kanada haben die Monar­chie-Gegner Zulauf. Eine Umfra­ge des Angus Reid Insti­tu­te im April ergab, dass 51 Prozent die Staats­form ändern wollen. «Heute sind wir eine multi­kul­tu­rel­le Gesell­schaft, deren kolonia­le Bindun­gen zu Großbri­tan­ni­en ein fernes Relikt sind», kommen­tier­te der Kolum­nist Bob Hepburn kürzlich im «Toron­to Star». Eine Monar­chie sei «lächer­lich in einem moder­nen Land».