BERLIN (dpa) — Ein letztes Mal treffen sich die Kanzler­kan­di­da­ten Olaf Scholz, Armin Laschet und Annale­na Baerbock zur TV-Debat­te. Der Tonfall: sachlich. Der Erkennt­nis­ge­winn: eher schmal.

Mindest­lohn, Hartz IV, Klima­schutz, Corona — zum letzten Mal vor der Bundes­tags­wahl haben die Kanzler­kan­di­da­ten von Union, SPD und Grünen in Dreier­be­set­zung vor einem großen Fernseh­pu­bli­kum für ihre Positio­nen gekämpft.

Beim dritten Triell, das diesmal von den Sendern ProSie­ben, Sat.1 und Kabel­eins ausge­tra­gen wurde, wurde an mehre­ren Stellen insbe­son­de­re in sozia­len Fragen Überein­stim­mung zwischen Olaf Scholz (SPD) und Annale­na Baerbock (Grüne) deutlich. Sie setzten sich hier erkenn­bar von ihrem Unions­mit­be­wer­ber Armin Laschet ab.

Wesent­lich neue Erkennt­nis­se brach­te die sehr sachlich ausge­tra­ge­ne Debat­te nicht. Laschet, Scholz und Baerbock wieder­hol­ten weitge­hend ihre Positio­nen aus zahlrei­chen Wahlkampf­re­den und aus den vorhe­ri­gen beiden Triell-Runden. Wie schon dabei sahen die Zuschau­er erneut Scholz als Sieger der Debatte.

Armin Laschet

Der CDU-Vorsit­zen­de kam diesmal — gefühlt — weniger als in den beiden Triell-Ausga­ben davor zum Angriff, obwohl er laut Stopp­uhr lange Zeit den größten Redean­teil hatte. Immer wieder musste er sich gegen Attacken von Scholz und Baerbock wehren. Am Anfang hatte Laschet auch noch mit einem Frosch im Hals zu kämpfen. Der verflüch­tig­te sich zwar rasch, aber die Schlacht­auf­stel­lung blieb im Grund­satz erhal­ten: Zwei gegen Laschet, Rot-Grün gegen Union.

So lehnte Laschet gleich zu Beginn als Einzi­ger eine Anhebung des Mindest­lohns durch den Gesetz­ge­ber ab und war bei diesem Thema in der Defen­si­ve. Er versuch­te es mit Attacken auf Scholz, warf diesem Wahltak­tik vor. Gleich darauf musste sich der NRW-Minis­ter­prä­si­dent gegen den Vorwurf von Baerbock zur Wehr setzen, er wolle Kinder nicht aus Hartz-IV heraus­ho­len. Laschet kam erstmal gar nicht zu Wort, machte aber dann doch noch seinen Punkt: «Das größte Problem von Armut ist, wenn Eltern keine Arbeit haben», beton­te der CDU-Chef. «Stimmt», kam von Scholz zurück.

Auch beim Grünen-Kernthe­ma Klima­schutz ging Baerbock Laschet frontal an — er kam zeitwei­se nur noch dazu, ihr mit erhobe­nem Zeige­fin­ger das Wort «Verbo­te» entge­gen zu halten. Ob das bei den Zuschau­ern souve­rän wirkte?

Kurz vor Schluss versucht Laschet dann, den Spieß umzudre­hen und einen Spalt­pilz zwischen Baerbock und Scholz zu bringen: Er fragte Baerbock, was sie von Scholz an diesem Montag bei dessen Aussa­ge im Finanz­aus­schuss des Bundes­tags zu den laufen­den Geldwä­sche-Ermitt­lun­gen erwar­te. Antwort Baerbock: «Dass volle Trans­pa­renz erfolgt.» Den erhoff­ten Wirkungs­tref­fer bei Scholz dürfte Laschet über den Umweg Baerbock wohl kaum erzielt haben.

Olaf Scholz

Der Kandi­dat, dessen Partei die Umfra­gen seit rund drei Wochen anführt, hatte es im Vergleich zum letzten TV-Schau­kampf leicht. Als erstes Thema kam Armut in Deutsch­land auf den Tisch, nicht die Geldwä­sche-Razzia oder Wirecard, was Scholz beim ARD/ZDF-Triell gleich unter Druck gebracht hatte. Ob er überhaupt nachvoll­zie­hen könne, wie es Pflege­kräf­ten und anderen gehe, laute­te eine Frage. «Unbedingt kann ich das nachemp­fin­den.» Im Schul­ter­schluss mit Baerbock an seiner linken Seiten konnte Scholz seinen Wahlkampf­schla­ger 12 Euro Mindest­lohn durch­buch­sta­bie­ren. Viele Frauen profi­tier­ten davon. «Das hat Frau Baerbock gesagt.»

Als Baerbock und Laschet über Steuern strit­ten, demons­trier­te der Finanz­mi­nis­ter mit einem Grinsen, dass er sich gerne über den Streit stellt. Er umriss die Steuer-Gemein­sam­kei­ten von SPD und Grünen und kanzel­te neben­bei die Unions­plä­ne für Entlas­tun­gen als «unfinan­zier­bar» ab. Baerbocks Angrif­fe wegen ihrer Ansicht nach zu lahmen Kohle­aus­stiegs­plä­nen versuch­te Scholz routi­niert an sich abper­len zu lassen. Es brauche nicht nur Ziele. «Es muss dann auch mit den Geset­zen (…) Tempo rein.»

Ganz wie Kanzle­rin Angela Merkel klang der SPD-Mann, als er zur Corona-Impfung aufrief. Und als Scholz doch noch zum Thema Geldwä­sche gefragt wurde, nämlich von Baerbock, konnte er in Ruhe aufzäh­len, was die Regie­rung bereits alles gemacht habe.

Bei der Koali­ti­ons­fra­ge wies Scholz staats­tra­gend auf die Gemein­sam­keit hin, dass alle ein Bündnis mit der AfD ausschlös­sen. «Und dann will ich auch keinen Hehl machen daraus, dass ich am liebs­ten natür­lich eine Regie­rung bilden würde zusam­men mit den Grünen.»

Annale­na Baerbock

Baerbock agier­te ähnlich wie beim vorhe­ri­gen Triell. In der Sozial­po­li­tik suchte sie den Schul­ter­schluss mit Scholz. Beim grünen Kernthe­ma Klima­schutz stell­te sie sich hinge­gen gegen beide. Sie warf Scholz und Laschet als den Vertre­tern der großen Koali­ti­on Taten­lo­sig­keit vor. Auch das bringe Kosten mit sich, argumen­tier­te die Grünen-Chefin: «Wenn wir jetzt nichts tun, dann wird es in Zukunft unbezahlbar.»

Erneut strit­ten Baerbock und Laschet über die Bedeu­tung eines Verbots umwelt­schäd­li­cher Techno­lo­gien – für sie eine notwen­di­ge politi­sche Leitplan­ke, aus seiner Sicht eine Innova­ti­ons­brem­se. «Ich frage mich, was mit Ihnen eigent­lich los ist, Herr Laschet», gab sich Baerbock entgeistert.

Insge­samt wirkte Baerbock ruhig und gut sortiert. Geziel­te Stiche setzte sie insbe­son­de­re gegen Laschet. «Können Sie mal bitte bei den Fakten bleiben?», forder­te sie den CDU-Chef in der Neuauf­la­ge einer Debat­te aus dem vorigen Triell um das Hartz-IV-System auf, von dem sie Kinder ausneh­men möchte. Laschet hinge­gen beton­te, vorran­gig müssten Eltern in Lohn und Brot gebracht werden.

Erneut setzte Baerbock neben der Klima­po­li­tik Akzen­te vor allem im Sozia­len – immer wieder verwies sie auf die schwie­ri­ge finan­zi­el­le Lage allein­er­zie­hen­der Eltern und auf Kinder­ar­mut. Obwohl ihre Partei in den Umfra­gen nur auf Platz drei rangiert, beton­te Baerbock: «Für einen Aufbruch braucht es eine grün geführ­te Regie­rung.» Dafür kämpfe sie bis zuletzt.

Das Urteil der Zuschauer

In einer Blitz­um­fra­ge des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts Forsa nannten 42 Prozent der 2291 befrag­ten wahlbe­rech­tig­ten Zuschau­er den SPD-Mann Scholz als Sieger des Triells. Auf Platz zwei lande­te Laschet mit 27 Prozent, dicht gefolgt von Baerbock, die auf 25 Prozent kam. Scholz war auch schon bei den ersten beiden Runden in Zuschau­er­um­fra­gen als Sieger vom Platz gegangen.

Was diesmal anders war

Anders als bei den beiden anderen Triells durften sich die Kandi­da­ten in einer Runde gegen­sei­tig Fragen stellen. Baerbock fragte Scholz nach der Bekämp­fung der Geldwä­sche in Deutsch­land. Laschet knüpf­te daran an und wollte von Baerbock wissen, was sie sich von der für diesen Montag beantrag­ten Sonder­sit­zung des Finanz­aus­schus­ses des Bundes­tags erwar­te. Und Scholz konfron­tier­te Laschet mit der Weige­rung der Union, die höheren Heizkos­ten durch die CO2-Beprei­sung gleicher­ma­ßen auf Mieter und Vermie­ter aufzuteilen.

Worüber disku­tiert wurde

In der 90-Minuten-Sendung wurde ein breites Spektrum von Themen angespro­chen: Es reich­te von der Höhe des Mindest­lohns und der Hartz-IV-Sätze über Klima­schutz und Digita­li­sie­rung bis hin zu Corona-Bekämp­fung und Pflege. Auch zu ihren Wunsch­ko­ali­tio­nen und zu ihrem No Go bei Koali­tio­nen wurden Scholz, Laschet und Baerbock befragt. Eine Koali­ti­on mit der AfD, ja auch nur Gespräch mit ihr, lehnten alle drei ab.

Was nicht zur Sprache kam

Außen- und Sicher­heits­po­li­tik war kein Thema des Triells, auch die Europa­po­li­tik kam nicht zur Sprache. Innen­po­li­tisch fehlten beispiels­wei­se die Themen Gesund­heits­sys­tem und Kranken­ver­si­che­rung oder Mieten. Nur am Rande spiel­ten die Ermitt­lun­gen gegen die Geldwä­sche-Zentral­stel­le des Zolls eine Rolle, um die es eine Woche zuvor noch einen harten Schlag­ab­tausch gegeben hatte.

Wie es weitergeht

Die Ausein­an­der­set­zung bei den Sendern Sat.1, ProSie­ben und Kabel­eins war das letzte Triell. Zuvor waren die Kanzler­kan­di­da­tin und die zwei Kanzler­kan­di­da­ten bereits bei RTL/ntv und und ARD/ZDF aufein­an­der gesto­ßen. Für noch immer unent­schlos­se­ne Wähle­rin­nen und Wähler wird es aber am kommen­den Donners­tag (23.) eine weite­re Möglich­keit geben, sich eine Meinung zu bilden. Dann tragen ARD und ZDF (20.15 Uhr) eine Schluss­run­de mit den Spitzen­kan­di­da­tin­nen und Spitzen­kan­di­da­ten aller im Bundes­tag vertre­te­nen Partei­en aus.

Von Jörg Blank, Marti­na Herzog, Ulrich Stein­kohl und Basil Wegener, dpa