Zwischen Bund und Ländern herrscht weitge­hend Einig­keit über eine Fortset­zung des Lockdowns mindes­tens bis Ende Januar. Doch in der Runde von Bundes­kanz­le­rin Merkel mit den Minis­ter­prä­si­den­ten dürften vor allem zwei Punkte für Diskus­sio­nen sorgen.

Vor den ersten Beratun­gen von Bund und Ländern im neuen Jahr an diesem Diens­tag über die Corona-Pande­mie zeich­net sich eine Fortset­zung des Lockdowns bis mindes­tens Ende Januar ab. Auch eine große Mehrheit der Deutschen ist für eine Verlängerung.

In einer YouGov-Umfra­ge im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich fast zwei Drittel der Befrag­ten dafür aus, die Einschrän­kun­gen mindes­tens in der bishe­ri­gen Härte fortzuführen.

Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) kommt an diesem Diens­tag in Berlin mit den Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder zusam­men, um über eine Verlän­ge­rung des Mitte Dezem­ber beschlos­se­nen harten Lockdowns zu beraten. Seit 16. Dezem­ber sind viele Geschäf­te in Deutsch­land, aber auch Schulen und Kitas dicht.

Während über eine Verlän­ge­rung des Lockdowns weitge­hend Einig­keit herrscht zwischen Bund und Ländern, dürften zwei Punkte in der Runde wahrschein­lich für Diskus­sio­nen sorgen:

SCHULEN

Die Kultus­mi­nis­ter hatten am Montag beschlos­sen, dass eine Wieder­auf­nah­me des Schul­be­triebs in Stufen möglich ist — «sollte es die Situa­ti­on in den einzel­nen Ländern zulas­sen». CDU-Chefin Annegret Kramp-Karren­bau­er spricht sich unter­des­sen für einen vorsich­ti­gen Kurs aus. «Ich wünsche mir, dass wir in den Schulen und in den Kitas keine oder so wenig Präsenz wie möglich haben», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Wenn die Grund­la­ge für alle Bundes­län­der ist, Präsenz­un­ter­richt so weit es irgend­wie möglich ist zu vermei­den, kann das ein guter Weg sein. Das wäre ein ganz, ganz wichti­ges Signal.»

Der Präsi­dent des Deutschen Lehrer­ver­ban­des, Heinz-Peter Meidin­ger, kriti­sier­te die Pläne der Kultus­mi­nis­ter und forder­te die Minis­ter­prä­si­den­ten zu Nachbes­se­run­gen auf. «Die Kultus­mi­nis­ter haben zwar einen Stufen­plan vorge­legt — aber sie haben es versäumt, ihn mit Angaben zu verse­hen, ab welchem Inzidenz­wert welche Stufe greift», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutschland.

Der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) forder­te eine klare Entschei­dung gegen die flächen­de­cken­de Öffnung von Schulen. «Wir erwar­ten, dass in der Konfe­renz der Minis­ter­prä­si­den­ten mit der Kanzle­rin eine klare Entschei­dung gegen das flächen­de­cken­de Öffnen der Schulen getrof­fen wird. Das geben die Infek­ti­ons­zah­len einfach nicht her», sagte VBE-Chef Udo Beckmann dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND).

Der Wirtschafts­rat der CDU dringt dagegen auf eine baldi­ge Öffnung von Kitas und Schulen. «Die Schul- und Kita-Schlie­ßun­gen fortzu­set­zen und andere härte­re Maßnah­men zu beschlie­ßen kommt mir eher als Ersatz­hand­lung vor», sagte General­se­kre­tär Wolfgang Steiger den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Kinder in Schulen, Arbeit­neh­mer an Arbeits­plät­zen und Kunden in Geschäf­ten mit einge­spiel­ten Hygie­ne­kon­zep­ten seien immer noch siche­rer aufge­ho­ben als Senio­ren in Alten- und Pflege­ein­rich­tun­gen. Es brauche deshalb eine langfris­ti­ge Strate­gie, «um einen dauer­haf­ten Lockdown bis Ostern zu verhindern».

Der Parla­men­ta­ri­sche Geschäfts­füh­rer der SPD-Bundes­tags­frak­ti­on, Carsten Schnei­der, forder­te angesichts der sich abzeich­nen­den weite­ren Schul­schlie­ßun­gen einen Corona-Sonder­ur­laub zur Kinder­be­treu­ung. «Es ist Eltern nicht zuzumu­ten, jetzt schon ihren Jahres­ur­laub zur Betreu­ung der Kinder zu nehmen, der dann in den Ferien fehlt», sagte Schnei­der dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Bereits im Dezem­ber habe die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz neue Möglich­kei­ten verspro­chen, für die Betreu­ung von Kindern bezahl­ten Urlaub zu nehmen. Eine neue gesetz­li­che Regelung hätten CDU und CSU dann aber verhindert.

Peter Weiß, arbeits­markt- und sozial­po­li­ti­scher Sprecher der Unions­frak­ti­on, wies den Vorwurf zurück. «Wir haben im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz geregelt, dass bei einer Schlie­ßung von Schulen und Kitas Eltern zu Hause bleiben können, wenn es keine Notbe­treu­ung für ihre Kinder gibt. Der Arbeit­ge­ber kann den Lohn dann über den Staat refinan­ziert erhal­ten», sagte er der «Welt» (Diens­tag). Diese Regelung sei ausreichend.

IMPFUNGEN

Vor allem an mangeln­der Impfstoff­be­schaf­fung gibt es seit Tagen Kritik — auch aus der SPD. CDU-Chefin Kramp-Karren­bau­er hat diese zurück­ge­wie­sen. Zwar gebe es berech­tig­te Fragen und auch Verbes­se­rungs­be­darf in den Abläu­fen. Die SPD-Kritik sei aber «der billi­ge Versuch, inmit­ten der Pande­mie Wahlkampf zu machen». Die Entschei­dun­gen seien von der Bundes­re­gie­rung aus Union und SPD zusam­men getrof­fen worden, entwe­der gemein­sam im Corona-Kabinett oder im Bundes­ka­bi­nett. «Mir scheint die SPD da mehr mit dem Kampf um eigene Umfra­ge­wer­te beschäf­tigt zu sein als mit dem Kampf gegen die Pande­mie. Das spricht für sich.»

Sachsens Minis­ter­prä­si­dent Micha­el Kretschmer (CDU) warf der SPD ebenfalls partei­po­li­ti­sche Profi­lie­rungs­ver­su­che im Super­wahl­jahr vor und warnte vor einer Aufkün­di­gung des überpar­tei­li­chen Zusam­men­halts in der Corona-Krise. «Deutsch­land hat sich in dieser Pande­mie von anderen Ländern unter­schie­den, indem die Krise nicht partei­po­li­tisch aufge­la­den wurde. Das hat nur ein Akteur gemacht — die AfD», sagte Kretschmer dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Alle anderen Partei­en hätten zusam­men­ge­hal­ten. «Diesen Pfad sollte die SPD jetzt nicht verlassen.»

Auch Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn wies Kritik an der Impfstoff­be­schaf­fung erneut zurück. «Zuerst einmal ist es weiter­hin aus meiner Sicht richtig, diesen europäi­schen Weg gegan­gen zu sein und zu gehen», sagte der CDU-Politi­ker am Montag­abend im ZDF-«heute journal». Man habe von Anfang an auf mehre­re Herstel­ler gesetzt, da nicht klar gewesen sei, wer als Erstes ans Ziel komme. Weiter bekräf­tig­te Spahn: «Das Ziel ist tatsäch­lich, dass wir bis zum Sommer jedem ein Impfan­ge­bot in Deutsch­land machen können.»

Das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um listet in einer der dpa vorlie­gen­den Aufstel­lung vom 3. Januar mehre­re aktuel­le Projek­te rund um die Zulas­sung von Covid-19-Impfstof­fen auf. Unter anderem geht es dabei um die Entnah­me von sechs statt bisher fünf Dosen aus einem Fläsch­chen der Firma Biontech. Dazu gebe es einen offizi­el­len Antrag. Außer­dem strebe Biontech eine Verdopp­lung seiner Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tät an. Und es solle geprüft werden, ob es möglich ist, den zeitli­chen Abstand zwischen erster und zweiter Impfung zu vergrößern.

Finanz­mi­nis­ter Olaf Scholz (SPD) überreich­te Spahn laut einem Bericht der «Bild»-Zeitung am Montag im Namen der SPD-regier­ten Bundes­län­der einen viersei­ti­gen Fragen­ka­ta­log rund um das Thema Impfen. Unter anderem will er demnach wissen, warum die EU so wenig Impfdo­sen bestellt habe und warum sie höhere Liefer­an­ge­bo­te von Biontech und Moder­na ausge­schla­gen habe.

Der SPD-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Flori­an Post fordert zur Aufar­bei­tung der Proble­me bei der Impfstoff­be­schaf­fung einen Unter­su­chungs­aus­schuss. «Frau Merkel und Herr Spahn haben in ihrem Amtseid geschwo­ren, Schaden vom deutschen Volk abzuwen­den. Doch beide haben die Impfstoff-Beschaf­fung den Dilet­tan­ten um EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin (Ursula) von der Leyen anver­traut», sagte er der «Bild»-Zeitung. Unter deren Versa­gen litten nun Hundert­tau­sen­de Alte und Pfleger in Deutsch­land, die auf ihren Impfstoff warten müssten. «Dieser Skandal muss in Unter­su­chungs­aus­schüs­sen im Bundes­tag und im EU-Parla­ment aufge­klärt werden.»

FDP-Chef Chris­ti­an Lindner schlug einen «natio­na­len Impfgip­fel» vor. «Gemein­sam mit Gemein­den, pharma­zeu­ti­scher Indus­trie und den nieder­ge­las­se­nen Arztpra­xen sollte man beraten, wie die Mängel abgestellt werden können», die derzeit bei der Impfpra­xis in Deutsch­land festzu­stel­len seien, sagte Lindner den «Stutt­gar­ter Nachrich­ten» und der «Stutt­gar­ter Zeitung».