Die Diskus­si­on um die unzurei­chen­de Einhal­tung der Menschen­rech­te im WM-Gastge­ber­land Katar beschäf­tigt die Natio­nal­mann­schaft. Bundes­trai­ner Löw und Führungs­spie­ler Kimmich bezie­hen Position.

BUKAREST (dpa) — Joachim Löw hält einen Boykott der Fußball-WM 2022 in Katar nicht für sinnvoll. Seine Natio­nal­spie­ler vertei­digt der Bundes­trai­ner derweil vehement gegen den Vorwurf, sich in der anhal­ten­den Debat­te um die Menschen­rechts­la­ge im umstrit­te­nen Emirat instru­men­ta­li­sie­ren zu lassen.

«Ein Boykott hilft nieman­den. Man kann mit so einem Turnier Aufmerk­sam­keit in der ganzen Welt erzeu­gen und Dinge in die richti­ge Richtung bringen», sagte Löw vor dem Quali­fi­ka­ti­ons­spiel in Rumäni­en am Sonntag (20.45 Uhr/RTL).

Auch Führungs­spie­ler Joshua Kimmich hält einen Verzicht auf das Turnier für kontra­pro­duk­tiv, betont aber die gesell­schafts­po­li­ti­sche Verant­wor­tung der Fußball-Profis. «Generell bin ich der Meinung, dass wir für einen Boykott zehn Jahre zu spät dran sind», sagte der Bayern-Spieler mit Blick auf die umstrit­te­ne Verga­be des Turniers durch den Weltver­band FIFA im Dezem­ber 2010. «Im Fußball hat man die Chance, auf Dinge hinzu­wei­sen. Da sehe ich nicht nur uns in der Pflicht, sondern auch andere Teile der Bevöl­ke­rung», sagte der 26-Jährige.

Kein Verständ­nis hat Löw für Kritik an einem Inter­net-Video des Deutschen Fußball-Bundes, in dem die Natio­nal­spie­ler bei der Vorbe­rei­tung für ihre Menschen­rechts­ak­ti­on vor dem Island-Spiel am Donners­tag in Duisburg zu sehen sind. Wenn jemand denke, dass sich Spieler wie Manuel Neuer oder Ilkay Gündo­gan «aus Marke­ting­zwe­cken vor einen Karren spannen» ließen, der «irre gewal­tig», sagte Löw.

Die aktuel­le Natio­nal­spie­ler-Genera­ti­on denke grund­sätz­lich über den Fußball hinaus, versi­cher­te der 61-Jähri­ge. «Weil ich weiß, dass unsere Spieler für alles, was neben dem Platz ist und in der Welt passiert, diese Werte vorle­ben», beton­te der Bundestrainer.

Nach den überwie­gend positi­ven Reaktio­nen rund um das Spiel in Duisburg am Donners­tag­abend hatte der DFB für die anschlie­ßen­de Veröf­fent­li­chung eines 63-Sekun­den-Videos am Freitag­abend unter dem Titel «Making of.. #HUMANRIGHTS» Kritik einste­cken müssen. Der Vorwurf: Der gute Grund­ge­dan­ke der Aktion werde durch ein Marke­ting­vi­deo verwäs­sert und beschä­digt, äußer­ten mehre­re Nutzer im Internet.

In dem Clip ist zu sehen, wie unter anderen Neuer, Gündo­gan und Leroy Sané ihre schwar­zen T‑Shirts mit den Buchsta­ben in weißer Farbe bemalen. Diese hatten die elf Spieler dann als Schrift­zug «Human Rights» (Menschen­rech­te) vor dem Anpfiff zum mit 3:0 gewon­ne­nen Spiel gegen Island präsen­tiert. Damit zielte die Mannschaft auch auf die Arbeits­be­din­gun­gen in Katar ab.

Löw beton­te, die Aktion sei «aus Eigen­in­itia­ti­ve» der Spieler entstan­den und nicht wie behaup­tet auf Geheiß des Verban­des. «Nicht alles, was beim DFB oder der Natio­nal­mann­schaft passiert, ist negativ», sagte der Bundes­trai­ner. In der jünge­ren Vergan­gen­heit war der DFB mehrfach gerade für öffent­lich­keits­wirk­sa­me Aktio­nen öffent­lich hart angegan­gen worden. Diesmal wurde vielfach auch Doppel­mo­ral unter­stellt, da zum Beispiel die Bayern-Spieler bei ihrem Club Werbung für die Flugli­nie aus Katar machen und dort regel­mä­ßig ihr Trainings­la­ger abhalten.