MÜNCHEN (dpa) — Das Warten hat ein Ende. Deutsch­land startet mit dem Duell gegen Frank­reich in die Fußball-EM. Drei Jahre nach dem WM-Debakel in Russland und nach weite­ren Rückschlä­gen will die DFB-Elf wieder begeistern.

Jetzt zählt’s. Beim Kracher-Start gegen Frank­reich muss die deutsche Fußball-Natio­nal­mann­schaft heute (21.00 Uhr/ZDF und Magen­taTV) bei der Europa­meis­ter­schaft gleich bewei­sen, dass sie bereit ist, für einen glanz­vol­len Abschied von Bundes­trai­ner Joachim Löw zu sorgen.

Kapitän Manuel Neuer sieht das Team vor dem Heimspiel mit 14.000 Fans in München motiviert «bis in die Haarspitzen».

Die Aufga­be: Schwe­rer geht es nicht. Mit dem Duell gegen Weltmeis­ter Frank­reich startet Löw sein Abschieds­tur­nier als Bundes­trai­ner. Eine Nieder­la­ge würde dem in der Vorbe­rei­tung von Löw wie auch den Rückkeh­rern Mats Hummels und Thomas Müller immer wieder beschwo­re­nen guten Team-Spirit sicher­lich nicht zuträg­lich sein. Obwohl diesmal einfach alles viel besser sein soll als beim WM-Debakel 2018 in Russland, schwingt eine Restsor­ge mit, dass die Löw-Ära mit einer weite­ren Enttäu­schung enden könnte.

«Wir sind den Fans etwas schul­dig», sagte Kapitän Manuel Neuer. Ein Coup gegen die Equipe Trico­lo­re würde für den weite­ren Turnier­weg gegen Titel­ver­tei­di­ger Portu­gal und die unbeque­men Ungarn hinge­gen sicher­lich viele Kräfte freiset­zen. «Es ist so, dass wir selber eine Waffe sein können», machte Neuer klar.

Das Perso­nal: Offizi­ell bestä­ti­gen wollte es Löw noch nicht, aber es war heraus­zu­hö­ren: Joshua Kimmich dürfte wie bei der General­pro­be gegen Lettland (7:1) auf die rechte Vertei­di­ger­po­si­ti­on versetzt werden. Dafür hob der Bundes­trai­ner den Bayern-Profi auf eine Stufe mit Weltmeis­ter-Kapitän Philipp Lahm. «Gleiche Leistung, gleiche Quali­tät», so das Gütesie­gel für Kimmich unabhän­gig von der Positi­on auf dem Platz. In der Zentra­le müssen dann wieder Ilkay Gündo­gan und Toni Kroos die Räume dicht machen.

Leon Goretz­ka steht mögli­cher­wei­se nach seinem Muskel­fa­ser­riss immer­hin als Joker für das Mittel­feld parat. Defini­tiv ausfal­len wird der Gladba­cher Jonas Hofmann wegen seiner Kniever­let­zung. Sollte Manuel Neuer unerwar­tet fehlen, wäre Bernd Leno vor Kevin Trapp erster Ersatz, das verriet Löw schon. Insge­samt drei Akteu­re aus seinem 26-Mann-Kader darf der Bundes­trai­ner laut UEFA-Regula­ri­en nicht für das Spiel nominie­ren. Diese Regel kriti­sier­te Löw scharf.

Der Gegner: Weltmeis­ter Frank­reich ist für Fans wie Exper­ten der logische Turnier­fa­vo­rit. Trainer Didier Deschamps verfügt auf allen Positio­nen von Torwart Hugo Lloris bis zum Traum­s­turm mit Antoine Griez­mann, Karim Benze­ma und Kylian Mbappé über Spieler mit Weltklas­se-Poten­zi­al. Kleine­re Reibe­rei­en wie zuletzt zwischen Mbappé und Ersatz-Stürmer Olivi­er Giroud dürften kaum ins Gewicht fallen. Deschamps könnte zum ersten Fußbal­ler werden, der als Spieler und Trainer Welt- und Europa­meis­ter wurde. Die Final-Nieder­la­ge beim Heimtur­nier 2016 gegen Portu­gal (0:1 nach Verlän­ge­rung) soll überwun­den werden.

Die Fans: Für Neuer und Löw sind sie das große Plus. Erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Pande­mie spielt die DFB-Elf im eigenen Land wieder vor mehre­ren tausend Fans und das in München, wo bisher alle vier Turnier­spie­le bei Welt- und Europa­meis­ter­schaf­ten seit 1974 gewon­nen wurden. 14.000 sind im Stadi­on zugelas­sen. Noch im April wäre München von der UEFA wegen der unsiche­ren Zuschau­er-Frage fast die Gastge­ber-Rolle aberkannt worden. Doch jetzt kann in der Arena des FC Bayern gefei­ert werden. «Wir brauchen jede Unter­stüt­zung. Für mich ist es etwas sehr Beson­de­res, die Spiele in München zu haben», sagte Neuer.

Die Histo­rie: Deutsch­land ist sozusa­gen Europa­meis­ter-Meister. Keine Nation kann bei dem konti­nen­ta­len Turnier auf so viele Erfolgs­mo­men­te zurück­bli­cken. Drei Titel schaff­te sonst nur Spani­en, aber im ewigen Ranking liegt die DFB-Elf mit 28 gewon­ne­nen Spielen klar vorne. Die Partie gegen Frank­reich ist die 50. EM-Partie seit 1972, als die Jahrhun­dert-Elf um Gerd Müller und Günter Netzer gleich bei der ersten Quali­fi­ka­ti­on in Belgi­en den Titel holte. Es folgten weite­re Turnier­sie­ge 1980 mit Kopfball-Ungeheu­er Horst Hrubesch und 1996 mit dem Golden Goal von Oliver Bierhoff. Bei allem Glanz ist der letzte EM-Turnier­sieg nun schon 25 Jahre her. Der gelang damals im Londo­ner Wembley-Stadi­on — dem Final­ort am 11. Juli.

Von Arne Richter, Jens Mende und Klaus Bergmann, dpa