STUTTGART (dpa/lsw) — Der neue Vorsit­zen­de der Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz war einst selbst Raucher. Den Fehler begehe er nicht noch einmal, erzählt Manne Lucha im Inter­view. Er will nun vor allem den Rauchern von E‑Zigaretten zu Leibe rücken — aber nicht nur denen.

Der neue Vorsit­zen­de der Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz will sich für ein Verbot von Einweg-E-Zigaret­ten stark machen. «Ich bin absolut dafür, dass diese Vapes vom Markt kommen», sagte Baden-Württem­bergs Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha der Deutschen Presse-Agentur in Stutt­gart. Es gebe bereits Bestre­bun­gen der Kolle­gin­nen und Kolle­gen aus dem Umwelt­be­reich, ein Verbot zu prüfen. «Als Gesund­heits­mi­nis­ter unter­stüt­ze ich diese ausdrück­lich. Bund und Länder sollten sich dieses Themas jetzt dringend anneh­men», sagte der Grünen-Politi­ker. Er spreche aber für sich und nicht für die Landes­re­gie­rung, so Lucha.

Bayern fordert ein europa­wei­tes Verbot von Einweg-E-Zigaret­ten. Das Kabinett dort hatte vor kurzem eine Bundes­rats­in­itia­ti­ve beschlos­sen, mit der die Bundes­re­gie­rung aufge­for­dert werden soll, sich auf EU-Ebene für ein Verkaufs­ver­bot entspre­chen­der Wegwerf­pro­duk­te einzu­set­zen. Hinter­grund der Initia­ti­ve sei es, den wachsen­den Markt an diesen Einweg­pro­duk­ten auszu­brem­sen. Nach nur einma­li­ger Nutzung der E‑Zigaretten fielen Elektro­schrott, Plastik­müll und Alt-Batte­rien an. Mit einer Änderung der EU-Einweg­kunst­stoff­richt­li­nie könne ein Verbot in der Einweg­kunst­stoff­ver­bots­ver­ord­nung veran­kert werden.

Der Gesamt­um­satz mit E‑Zigaretten allei­ne in Deutsch­land wird den Angaben der bayeri­schen Staats­kanz­lei zufol­ge für das Jahr 2022 auf rund 575 Millio­nen Euro geschätzt. Das seien rund 40 Prozent mehr als 2021. Schät­zun­gen zufol­ge gehe die Steige­rung insbe­son­de­re auf verkauf­te Wegwerf­pro­duk­te zurück.

«Vapes sind deshalb so gefähr­lich, weil sie so ein nieder­schwel­li­ger und lifestyle-typischer Einstieg sind», sagte Lucha der dpa. «Damit wird die Zugangs­schwel­le signi­fi­kant gesenkt.» Aber nicht nur die Einweg-Zigaret­ten sind ihm ein Dorn im Auge, sondern das Rauchen von E‑Zigaretten ganz allge­mein. «Wir müssen eine ehrli­che Debat­te über ein Verbot elektro­ni­scher Zigaret­ten führen, etwa wenn es um die Aromen geht», sagte Lucha. «Es sind gerade diese Aromen, die zum Einstieg verfüh­ren.» Verbo­ten werden sollten nach Angaben seines Minis­te­ri­ums zugesetz­te Aromen, die den Reiz der E‑Zigarette ausmach­ten, etwa Menthol. Der Zusatz von Menthol ist bei klassi­schen Zigaret­ten seit 2020 verboten.

Es sei nicht nachvoll­zieh­bar, weshalb für E‑Zigaretten weniger stren­ge Regelun­gen gelten sollten als für klassi­sche Zigaret­ten, sagte Lucha. Er fordert eine recht­li­che Gleich­stel­lung. «Die Diskus­si­on, ob hier geraucht, verdampft oder nur erhitzt wird, halte ich für eine Schein­de­bat­te. Am Ende ist doch entschei­dend, welche Schad­stof­fe im Körper der Konsu­mie­ren­den oder in der Nähe befind­li­cher Perso­nen ankom­men.» Die E‑Zigarette sugge­rie­re eine gerin­ge­re gesund­heit­li­che Belas­tung — und dies müsse vermie­den werden.

Lucha hat in diesem Jahr den Vorsitz bei der Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz (GMK) inne. Dort treffen die jewei­li­gen Minis­te­rin­nen und Minis­ter der Bundes­län­der in der Regel jährlich zum Austausch zusammen.

Die Regeln des Nicht­rau­cher­schut­zes müssten auch für E‑Zigaretten gelten, so Lucha. Das treffe aber bislang nur zu, wenn in den E‑Zigaretten auch Nikotin enthal­ten sei, teilte Luchas Minis­te­ri­um mit. Wenn jemand im Restau­rant eine E‑Zigarette rauche, hätten Ordnungs­äm­ter wenig Möglich­kei­ten, nachzu­wei­sen, dass darin wirklich Nikotin sei, so das Minis­te­ri­um. «Eine generel­le Gleich­stel­lung, unabhän­gig vom Inhalts­stoff, würde hier Rechts­si­cher­heit schaf­fen und die Kontroll­mög­lich­keit erheb­lich vereinfachen.»

Einweg-E-Zigaret­ten sind mit einer nicht wieder auffüll­ba­ren aroma­ti­sier­ten Flüssig­keit gefüllt und mit einer nicht wieder auflad­ba­ren Batte­rie verse­hen. Nach vollstän­di­gem Gebrauch sind sie deshalb Elektro­schrott. Dennoch werden erheb­li­che Mengen der Einweg-E-Zigaret­ten über den Restmüll entsorgt. Dies führt zum einen zu Rohstoff­ver­lust, zum anderen besteht die Gefahr von Bränden durch die enthal­te­nen Batterien.

Lucha kündig­te für Baden-Württem­berg aber auch weite­re Schrit­te im allge­mei­nen Nicht­rau­cher­schutz an. «Wir brauchen eine quali­fi­zier­te Debat­te über mehr und präzi­se­re Beschrän­kun­gen beim Rauchen und einen konse­quen­ten Nicht­rau­cher­schutz», sagte er. «Wir schau­en uns an, in welchen Gepflo­gen­hei­ten und räumli­chen Kontex­ten wir Rauchen noch stärker nicht haben wollen.»

Denn: Jugend­li­che greifen in Deutsch­land neuer­dings wieder deutlich mehr zur Zigaret­te. Der Anteil der Rauche­rin­nen und Raucher bei den 14- bis 17-Jähri­gen stieg 2022 auf mehr als 15 Prozent, wie aus neuen Zahlen der regel­mä­ßig durch­ge­führ­ten «Deutschen Befra­gung zum Rauch­ver­hal­ten» hervor­geht. Der Schnitt der sechs Vorjah­re hatte gut zehn Prozent betra­gen. Auch der Konsum von E‑Zigaretten und ähnli­chen Produk­ten stieg der Studie zufol­ge bei jungen Leuten deutlich an.

Der Berufs­ver­band der Pneumo­lo­gen warnt vor einer regel­rech­ten Epide­mie, wie sie bereits in den USA grassie­re. «Wir fürch­ten, dass die nächs­te Genera­ti­on von Rauchern heran­ge­zo­gen wird», sagt der Stutt­gar­ter Pneumo­lo­ge Alexan­der Rupp. E‑Zigaretten seien alles andere als unschäd­lich. Vapes seien ein Einstieg in den Tabak­rauch. «Sie richten sich beson­ders an junge Menschen, wollen cool und poppig rüber­kom­men.» Man komme viel leich­ter ran, sagte Rupp. Der Verbands­ver­tre­ter beton­te, er unter­stüt­ze den Vorstoß Luchas vollkom­men, es brauche ein Werbe­ver­bot und die Einschrän­kung von Verkaufsmöglichkeiten.

Die FDP im Landtag sieht das ganz anders. «Minis­ter Lucha verne­belt in seiner Verbots­rhe­to­rik die notwen­di­ge sachli­che Diskus­si­on», sagte der gesund­heits­po­li­ti­sche Sprecher der Frakti­on, Jochen Haußmann. Die Gesund­heits­ri­si­ken von E‑Zigaretten seien deutlich niedri­ger, die Nutzung stagnier­te auf sehr niedri­gem Niveau. «Die Forde­rung nach einem europa­wei­ten Verbot ist daher reiner Aktio­nis­mus.» Statt­des­sen brauche es mehr Präven­ti­on und Aufklärung.

Die Tabak­in­dus­trie spricht sogar von «postfak­ti­scher Verbrau­cher­ver­un­si­che­rung». Das gesund­heit­li­che Risiko von E‑Zigaretten würde im Vergleich zum Rauchen in der Bevöl­ke­rung deutlich überschätzt, sagte der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Bundes­ver­bands der Tabak­wirt­schaft, Jan Mücke. «Anstatt mit falschen Behaup­tun­gen und fehlge­lei­te­ten Verbots­for­de­run­gen Ängste zu schüren, sollte die E‑Zigarette endlich auch in Deutsch­land als Chance zur Risiko­mi­ni­mie­rung für Rauche­rin­nen und Raucher geför­dert werden.»