FRANKFURT/MAIN (dpa) — Nachdem das Boden­per­so­nal die Lufthan­sa einen ganzen Tag lahmge­legt hat, rüsten sich nun die Piloten für einen Arbeits­kampf. Der könnte weit hefti­ger ausfal­len, wenn nicht noch eine Lösung gefun­den wird.

Bei der Lufthan­sa ist ein Streik der Piloten wieder ein Stück näher gerückt. In einer Urabstim­mung haben sich die Mitglie­der der Verei­ni­gung Cockpit (VC) mit einer sehr deutli­chen Mehrheit für einen Arbeits­kampf ausge­spro­chen. Das berich­te­te die Gewerk­schaft am Sonntag nach Auszäh­lung der Stimmen.

Damit ist ein Streik der rund 5000 Piloten der Lufthan­sa und der Lufthan­sa Cargo zwar ab sofort möglich, wurde aber zunächst nicht ausge­ru­fen. Bereits vor der Auszäh­lung hatte der VC-Tarif­ex­per­te Marcel Gröls erklärt, dass es sich zunächst um ein «Warnsi­gnal» an den Lufthan­sa-Vorstand hande­le. Vom Manage­ment erwar­te man nun «gute Angebo­te». Die Verhand­lun­gen sind noch von beiden Seiten nicht als geschei­tert erklärt worden.

Laut VC stimm­ten bei der Lufthan­sa-Passa­ge 97,6 Prozent für den Arbeits­kampf, bei der kleine­ren Lufthan­sa Cargo waren es 99,3 Prozent. Die Betei­li­gung lag laut Gewerk­schaft in beiden Flugbe­trie­ben über 93 Prozent. Erfor­der­lich war eine Zustim­mung von mehr als 70 Prozent aller Stimmberechtigten.

Es kommt nicht zwangs­läu­fig zum Streik

Die VC werte­te das Ergeb­nis als Beleg für die große Unter­stüt­zung für die Ziele der Konzern­ta­rif­kom­mis­si­on. «Wir brauchen jetzt eine moder­ne und faire inter­na­tio­nal konkur­renz­fä­hi­ge Vergü­tungs­struk­tur in allen Berufs­grup­pen», erklär­te Gröls. Die positi­ve Urabstim­mung führe noch nicht zwangs­läu­fig zu Streik­maß­nah­men. Aber sie sei ein unüber­hör­ba­res Signal an die Lufthan­sa, die Bedürf­nis­se des Cockpit­per­so­nals ernst zu nehmen.

Erst am Mittwoch hatte die Gewerk­schaft Verdi mit einem Warnstreik des Boden­per­so­nals den Flugbe­trieb der größten deutschen Airline für einen ganzen Tag nahezu lahmge­legt. Es fielen über 1000 Flüge aus, und rund 134 000 Passa­gie­re mussten ihre Reise­plä­ne ändern. Eine Urabstim­mung hatte Verdi davor nicht abgehal­ten. Unter­neh­men und Politik hatten Dauer und Umfang der Arbeits­nie­der­le­gun­gen kriti­siert. Am Mittwoch (3. August) sollen die Verhand­lun­gen fortge­setzt werden.

Insidern zufol­ge könnte die Piloten-Gewerk­schaft noch in der Ferien­zeit streik­be­reit sein. Auch der Septem­ber war in den Vorjah­ren meist ein beson­ders verkehrs­rei­cher Monat, so dass ein Streik das Unter­neh­men auch zu diesem Zeitpunkt empfind­lich treffen würde.

Grund für die Streik­vor­be­rei­tun­gen der VC sind die nach sechs Gesprächs­run­den festge­fah­re­nen Verhand­lun­gen über einen neuen Gehalts­ta­rif­ver­trag. Aus VC-Sicht hat die Lufthan­sa bislang kein verhan­del­ba­res Angebot vorge­legt. Die VC verlangt nach eigenen Angaben unter anderem Gehalts­stei­ge­run­gen von 5,5 Prozent im laufen­den Jahr und einen automa­ti­sier­ten Infla­ti­ons­aus­gleich ab dem kommen­den Jahr. Sie hatte den vorhe­ri­gen Tarif­ver­trag zum 30. Juni gekündigt.

Im Hinter­grund schwelt zudem ein Konflikt über die künfti­ge Konzern­stra­te­gie. Die VC hatte sich in der Vergan­gen­heit die exakte Zahl von 325 Flugzeu­gen garan­tie­ren lassen, die ausschließ­lich von den rund 5000 Kapitä­nen und Ersten Offizie­ren geflo­gen werden dürfen, die dem Konzern­ta­rif­ver­trag unter­lie­gen. Die Lufthan­sa hatte unter dem Eindruck der Corona-Krise die entspre­chen­de Verein­ba­rung aufge­kün­digt und begon­nen, unter dem Kranich-Logo einen neuen Flugbe­trieb (AOC) mit niedri­ge­ren Tarif­be­din­gun­gen aufzu­bau­en. Die neue Airline mit der inter­nen Bezeich­nung «Cityline 2» soll im Europa-Verkehr wesent­li­che Aufga­ben der bishe­ri­gen Kernge­sell­schaft übernehmen.