LONDON (dpa) — Er war nicht die schil­lernds­te Figur der Rockwelt. Doch der Tod des Rolling-Stones-Schlag­zeu­gers Charlie Watts ist ein hefti­ger Schlag für die Aura der Unsterb­lich­keit, mit der sich die Band umgab. Ist es Zeit für Jagger und Co., in Rente zu gehen?

Volles Haar, drahti­ge Körper und schein­bar niemals müde: Die Rolling Stones galten als Inbegriffs des Wunsches nach ewiger Jugend.

Seit knapp 60 Jahren rockten Mick Jagger, Keith Richards und bis vor kurzem auch Charlie Watts die Bühnen der Welt — doch nun ist der Schlag­zeu­ger im Alter von 80 Jahren gestor­ben. Mehr Gentle­man als Rebell, stets gut geklei­det und immer verläss­lich, galt er auch über das Musika­li­sche hinaus als Motor der Band.

Als könnten sie es selbst noch nicht ganz fassen, waren die Reaktio­nen von Jagger und Richards zunächst ohne Worte. Jagger poste­te ein Foto von Watts hinter seinem Schlag­zeug. Bei Richards war es nur das kommen­tar­lo­se Bild eines Drumsets, an dem ein Schild hing mit der Aufschrift «Closed» (Geschlos­sen). Gitar­rist Ronnie Wood war der erste, der seine Sprache wieder­fand: «Ich werde dich sehr vermis­sen — du bist der Beste», poste­te er auf Insta­gram. Auf der Websei­te der Band war nur ein großes Porträt von Watts zu sehen. Der Liebha­ber maßge­schnei­der­ter Anzüge schmun­zelt darin in feins­ten Zwirn geklei­det mit verschränk­ten Armen in die Kamera.

Umso wortrei­cher kamen die Würdi­gun­gen aus allen Teilen der Musik­welt und darüber hinaus. «Beileid für die Stones. Das ist ein gewal­ti­ger Schlag für sie, weil Charlie ein Fels war», sagte Ex-Beatle Paul McCart­ney in einer Video­bot­schaft. Watts sei ein «fantas­ti­scher Schlag­zeu­ger» gewesen. McCart­neys ehema­li­ger Bandkol­le­ge und Drummer Ringo Starr schrieb: «Gott segne Charlie Watts, wir werden dich vermis­sen, Mann».

Der Front­mann der Kinks, Ray Davies, zeigte sich «geschockt» von der Nachricht über Watts Tod. Er habe Klasse und einen unver­wech­sel­ba­ren Stil gehabt, sei ein super Typ gewesen und werde sehr vermisst werden, so Davies weiter.

Queen-Gitar­rist Brian May bezeich­ne­te Watts als «den freund­lichs­ten Menschen, den man sich vorstel­len kann». Er sei ein «starker Pfeiler» für die Rolling Stones gewesen, denen er «eine Spur von Jazz und einen Berg purer Klasse» gegeben habe, so May weiter.

Popstar Elton John schrieb: «Charlie Watts war der ultima­ti­ve Schlag­zeu­ger. Er war der stilvolls­te aller Männer und mit ihm war man in glänzen­der Gesellschaft.»

In briti­schen Medien wurde bereits speku­liert, die Stones könnten nun aus dem Tritt geraten oder gar ganz hinwer­fen. Hat womög­lich die Aura der Unsterb­lich­keit, mit der sie das Lebens­ge­fühl einer ganzen Genera­ti­on prägten und selbst deren Enkel noch begeis­ter­ten, mit dem Tod von Watts Schaden genommen?

Der briti­sche Journa­list und Buchau­tor Tony Barrell mutmaß­te, die übrigen Bandmit­glie­der könnten «aus Respekt» für den Drummer ihre gemein­sa­me Karrie­re beenden. Es sei natür­lich möglich weiter­zu­ma­chen, sagte Barrell der Nachrich­ten­agen­tur PA. Doch der Klang würde niemals wieder der gleiche sein. Die Band selbst äußer­te sich zunächst nicht zu ihren weite­ren Plänen.

Für die geplan­te US-Tour sollte Watts aus gesund­heit­li­chen Gründen ohnehin ersetzt werden. Einsprin­gen soll Steve Jordan, der bereits auf mehre­ren Solo-Alben von Gitar­rist Keith Richards zu hören war. Doch ob die Stones ihre Magie auch dauer­haft ohne den Taktge­ber Watts entfal­ten können, wird sich wohl erst noch zeigen müssen.

Von Chris­toph Meyer, dpa