BERLIN (dpa) — «Bist du gegen Corona geimpft?» Auf diese Frage antwor­ten junge Menschen mitun­ter: «Nein, ich will ja noch Kinder haben.» Ist das eine berech­ti­ge Sorge? Ein Faktencheck.

Jede einzel­ne Impfung zählt auf dem Weg, die Pande­mie in den Griff zu bekom­men. Aktuell kann sich in Deutsch­land jeder Erwach­se­ne gegen das Corona­vi­rus impfen lassen. Doch gerade unter jungen Menschen wird oft gegen die Sprit­ze argumen­tiert, man wolle sich dadurch nicht den Kinder­wunsch verbauen.

Behaup­tung: Die Corona-Impfung macht unfruchtbar.

Bewer­tung: Es gibt keine Hinwei­se darauf, dass eine Corona-Impfung Auswir­kun­gen auf die Frucht­bar­keit hat. Die Ständi­ge Impfkom­mis­si­on empfiehlt Frauen mit Kinder­wunsch und Schwan­ge­ren ab dem 2. Trime­non (ab der 13. Woche) die Impfung, da insbe­son­de­re Schwan­ge­re ein erhöh­tes Risiko für einen schwe­ren Verlauf haben. Auch Stillen­den wird die Impfung empfohlen.

Fakten: Das Gerücht, eine Corona-Impfung könne unfrucht­bar machen, hält sich so hartnä­ckig, dass das Robert Koch-Insti­tut (RKI) in einem Frage-und-Antwort-Stück darauf eingeht. Im Bereich «Impfung bei Schwan­ge­ren, Stillen­den und bei Kinder­wunsch» heißt es zu der vor allem im Inter­net verbrei­te­ten Behaup­tung, die Impfung mache Frauen oder Männer unfrucht­bar: «Diese Aussa­ge ist falsch.»

Das RKI zählt danach mehre­re Punkte auf, die diese Worte unter­mau­ern: In den nicht-klini­schen Studi­en vor Zulas­sung der Impfstof­fe habe es keine Hinwei­se auf das Auftre­ten von Unfrucht­bar­keit nach der Impfung gegeben. In der Zulas­sungs­stu­die des Herstel­lers Biontech seien zwölf Frauen unter den Geimpf­ten und elf Frauen in der Gruppe mit Place­bo-Gabe inner­halb des Nachbe­ob­ach­tungs­zeitrums von zwei Monaten schwan­ger geworden.

Studi­en als Grundlage

Das RKI nennt zudem eine Studie aus Israel. Ausge­wer­tet wurden Daten von 36 Paaren, die sich in einer Behand­lung für eine künst­li­che Befruch­tung befan­den und in der Zeit impfen ließen. Bei Anzahl und Quali­tät der gewon­ne­nen Eizel­len sowie der unter­such­ten Spermi­en­pa­ra­me­ter habe es vor und nach der Impfung keinen Unter­schied gegeben, teilt das Insti­tut mit.

In einer aktuel­len Studie aus Israel ging es ebenso um die weibli­che Frucht­bar­keit im Zusam­men­hang mit der Corona-Impfung. Am Schiba-Kranken­haus bei Tel Aviv wurde bei 129 vollstän­dig mit Biontech geimpf­ten Frauen der Spiegel des Anti-Müller-Hormons überwacht. Dieses gibt Aufschluss darüber, wie viele Eizel­len eine geschlechts­rei­fe Frau produ­ziert. Ergeb­nis war, dass die Impfung keinen Einfluss auf das Hormon­le­vel hatte.

Nach einer Studie der Univer­si­ty of Miami müssen sich auch Männer im Zuge der Corona-Impfung keine Sorgen um ihre Zeugungs­fä­hig­keit machen: Vor und nach Gabe von zwei Dosen eines mRNA-Impfstof­fes waren die Spermi­en der unter­such­ten 45 Männer zwischen 18 und 50 Jahren gleich fit.

Jenaer Forscher wider­le­gen Behauptung

Wie konnte die Falsch­in­for­ma­ti­on, die Impfung mache Frauen unfrucht­bar, überhaupt entste­hen? Eine Antwort darauf geben Forscher der Univer­si­tät Jena: Sie wider­le­gen eine im Inter­net verbrei­te­te Behaup­tung, die nach der mRNA-Impfung vom Immun­sys­tem gebil­de­ten Antikör­per richte­ten sich gegen Bestand­tei­le der Plazen­ta. «Weder aus den bishe­ri­gen Erfah­run­gen mit Schwan­ge­ren, die an Covid-19 erkrankt sind, noch aus Sicht der Plazen­ta­for­schung lässt sich die Behaup­tung belegen», sagt Ekkehard Schleuß­ner, Direk­tor der Klinik für Geburtsmedizin.

Durch die mRNA-Impfung wird eine Art Spike-Prote­in des Corona­vi­rus gebil­det. Das Virus­pro­te­in weist in einem winzi­gen Teil eine Ähnlich­keit mit dem Prote­in Syncytin‑1 auf. Dieses ist während einer Schwan­ger­schaft an der Bildung der Plazen­ta betei­ligt. Die Ähnlich­keit beschrän­ke sich jedoch ledig­lich auf eine Sequenz von 5 von 1273 Amino­säu­ren im Spike-Prote­in bezie­hungs­wei­se 538 Amino­säu­ren im Syncy­tin-1-Prote­in. Die Sequen­zen seien noch nicht einmal identisch, da sie sich in der mittle­ren Amino­säu­re unterscheiden.

«Hier dürfte also der Mythos seinen Ursprung haben», schreibt die Uni Jena. Seit Jahren würden in der Thera­pie bestimm­ter Autoim­mun­krank­hei­ten jedoch Antikör­per gegen ein Prote­in genutzt, das dem Syncy­tin-1-Prote­in sehr viel ähnli­cher sei. Zahlrei­che Experi­men­te hätten gezeigt, dass dies keiner­lei Einfluss auf die Plazen­ta­ent­wick­lung habe.

Zudem: Wenn schon die Impfung unfrucht­bar machen würde, dann müsste es eine Corona-Infek­ti­on erst recht tun, betont die Uni Jena. Denn bei einer Infek­ti­on sei die poten­zi­el­le Antikör­per-Bildung deutlich höher und auch unkal­ku­lier­ba­rer als bei einer Impfung.

Es gebe keine beson­de­re Ähnlich­keit zwischen dem Spike-Prote­in von Sars-CoV‑2 und dem für die Bildung der Plazen­ta wichti­gen Prote­in Syncytin‑1, erklärt auch Virolo­ge Lars Dölken von der Univer­si­tät Würzburg gegen­über der Deutschen Presse-Agentur. Und das RKI ergänzt: «Nach dieser Logik müsste auch die Infek­ti­on mit Covid-19 unfrucht­bar machen. Auch dies wurde jedoch weltweit nicht beobachtet.»

Corona-Impfung wird Schwan­ge­ren empfohlen

Schwan­ge­re sind beson­ders gefähr­det, schwer an Covid-19 zu erkran­ken. Das zeigen Daten der «Cronos-Regis­ter­stu­die», die den Zustand von Müttern und Babys unter­sucht, wenn sich die Mutter während der Schwan­ger­schaft mit Covid-19 infiziert.

In den Empfeh­lun­gen der Ständi­gen Impfkom­mis­si­on (Stiko) wird Frauen deshalb ab dem 2. Trime­non eine Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff empfoh­len. Es gebe nur noch sehr wenige Gründe gegen eine Impfung von werden­den Müttern. Dazu zählt etwa eine bekann­te Aller­gie gegen einen der Inhaltsstoffe.

Von Leo Stahl­berg und Marc Fleisch­mann, dpa