BERLIN (dpa) — Die von Armin Laschet und Markus Söder gesetz­te Frist läuft ab, eine Entschei­dung ist aber noch immer nicht in Sicht. Am Abend lande­te Söder in Berlin.

In den sich seit Tagen zuspit­zen­den Macht­kampf um die Kanzler­kan­di­da­tur der Union kommt neue Bewegung. Mit großer Mehrheit stell­te sich die Junge Union am Abend hinter CSU-Chef Markus Söder und erhöh­te damit den Druck auf CDU-Chef Armin Laschet.

«Die beiden Kandi­da­ten hatten genug Zeit, zu einer Entschei­dung zu kommen. Dies ist nicht gesche­hen und jetzt sehen wir uns gezwun­gen, uns zu positio­nie­ren. Dies ist mit deutli­cher Mehrheit für Markus Söder erfolgt», sagte JU-Chef Tilman Kuban.

In der Video­kon­fe­renz der JU-Landes­chefs hatten sich nach Angaben der JU 14 Landes­vor­sit­zen­de für Söder ausge­spro­chen. Baden-Württem­berg und Schles­wig-Holstein als mittel­gro­ße Verbän­de sowie Branden­burg hätten von einem «gemisch­ten Stimmungs­bild» berich­tet. Die Junge Union Nordrhein-Westfa­len, die mehr als ein Viertel aller JU-Mitglie­der stellt, sprach sich für CDU-Chef Armin Laschet als Kanzler­kan­di­da­ten aus. Die JU hat 18 Landesverbände.

Das gesam­te Wochen­en­de hatten Söder und Laschet in streng gehei­men Beratun­gen um eine Lösung gerun­gen, eine Einigung gelang aber zunächst nicht. Über den Verlauf der Gesprä­che drangen zunächst weiter keine Details an die Öffent­lich­keit. Aus Unions­krei­sen war nur zu hören, Laschet und Söder seien in guten und konstruk­ti­ven Gesprächen.

Die von beiden genann­te Frist für eine Einigung endete am Sonntag. Sollten sich die Rivalen auch bis Montag nicht einigen, könnte es auf eine Entschei­dung in der Bundes­tags­frak­ti­on am Diens­tag hinauslaufen.

Am frühen Sonntag­abend lande­te Söder nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch Laschet wurde am Sonntag­abend beim Betre­ten der nordrhein-westfä­li­schen Landes­ver­tre­tung von einem Kamera­team gesehen. Über den weite­ren Ablauf des Abends und vor allem zum Stand der Dinge im unions­in­ter­nen Streit mit Laschet über die Kanzler­kan­di­da­tur war aber dennoch zunächst nichts zu erfahren.

Auch die Berli­ner CDU bekräf­tig­te am Sonntag ihre Unter­stüt­zung für Söder. Die Mitglie­der des Präsi­di­ums und die Kreis­vor­sit­zen­den hätten das einstim­mi­ge Meinungs­bild des Präsi­di­ums vom vergan­ge­nen Montag bestä­tigt, erklär­te Landes­chef Kai Wegner. «Markus Söder hat eine breite Unter­stüt­zung auch in der Basis der CDU Berlin.»

Nieder­sach­sens CDU-Chef Bernd Althus­mann rief die Mitglie­der seines Landes­vor­stands sowie die Bezirks- und Kreis­vor­sit­zen­den nach dpa-Infor­ma­tio­nen für Sonntag­abend zu einer Online-Sonder­sit­zung zusam­men, über deren Verlauf aber zunächst nichts nach außen drang. Auch hier wurde erwar­tet, dass es um ein Stimmungs­bild an der Basis gehen dürfte. Die CDU hat bundes­weit 325 Kreis­ver­bän­de, 27 Bezirks‑, 17 Landes- und über 10.000 Ortsverbände.

Über das Wochen­en­de hatte es in vielen Kreis­ver­bän­den bereits Abstim­mun­gen gegeben. So teilte etwa der CDU-Kreis­ver­band Alzey-Worms mit, dass 82,9 Prozent der Mitglie­der für Söder und 6,6 Prozent für Laschet gestimmt hatten. Der CDU-Kreis­vor­sit­zen­de Markus Conrad und der CDU-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Jan Metzler forder­ten die Partei­spit­ze auf, «das überwäl­ti­gen­de Votum der CDU-Basis, das — wie alle Umfra­gen belegen — in die gleiche Richtung geht und der Stimmung in vielen anderen Kreis­ver­bän­den entspricht, nicht zu ignorieren.»

Unions­frak­ti­ons­vi­ze Carsten Linne­mann (CDU) warnte vor besag­ter Abstim­mung in der Frakti­on am Diens­tag. «Was wir jetzt brauchen, ist eine gemein­sa­me Lösung und keine Kampf­ab­stim­mung in der Frakti­on. Ansons­ten drohen Gräben aufge­ris­sen zu werden, die sich nur schwer wieder zuschüt­ten lassen», sagte er der Funke Medien­grup­pe. Zuvor hatte auch der im Kampf um den CDU-Vorsitz unter­le­ge­ne Fried­rich Merz vor dem Szena­rio gewarnt und sich erneut hinter Laschet gestellt.

Hamburgs CDU-Chef Chris­toph Ploß sagte der «Rheini­schen Post»: Sollte es zum Wochen­start keine Entschei­dung geben, müsse die Frakti­on als einzi­ges gemein­sa­mes Unions­gre­mi­um entscheiden.

Mögli­cher­wei­se könnte es aufgrund der sich geänder­ten Lage an diesem Montag aber auch noch eine Sonder­sit­zung des CDU-Vorstands geben. Bis zum Sonntag­abend gab es dazu nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur aber noch keine Einladung.

Am vergan­ge­nen Sonntag hatten sich sowohl Laschet als auch Söder zur Übernah­me der Kanzler­kan­di­da­tur bereit­erklärt. In der Folge stell­ten sich die Spitzen­gre­mi­en von CDU und CSU jeweils hinter ihre Partei­chefs. Am Diens­tag traten beide in der Bundes­tags­frak­ti­on auf, wo es nach Teilneh­mer­an­ga­ben mehr Zuspruch für Söders gab.

Rücken­de­ckung erhielt Laschet vom CDU-Arbeit­neh­mer­flü­gel CDA. Dessen Chef Karl-Josef Laumann, der in NRW unter Laschet Sozial­mi­nis­ter ist, sagte der «Bild am Sonntag», Laschet sei der richti­ge Kandi­dat, «weil er eine Politik der Mitte und des Ausgleichs verkörpert».

Auch der Chef der Arbeit­neh­mer­grup­pe in der Frakti­on, Uwe Schum­mer (CDU), plädier­te in den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe für Laschet. «Umfra­gen sind flüch­tig wie Sand», sagte der Nordrhein-Westfa­le mit Blick auf Söder, der bei seinen Ambitio­nen unter anderem auf die seit langem guten Werte für ihn verweist. Der Arbeit­neh­mer­grup­pe gehören rund 80 Abgeord­ne­te aus CDU und CSU an.

Der CDU-Vorsit­zen­de von Thürin­gen, Chris­ti­an Hirte, sprach sich mit Blick auf die Umfra­ge­zah­len hinge­gen indirekt für Söder aus. Auch der CDU-Politi­ker Chris­te­an Wagner, Mitgrün­der des konser­va­ti­ven «Berli­ner Kreises» in der Union plädier­te für Söder. Er sagte der «Heilbron­ner Stimme»: «Die Entschei­dung, wer für die Union als Kanzler­kan­di­dat antritt, muss unter dem Gesichts­punkt der Erfolgs­aus­sich­ten getrof­fen werden.» Das spreche für Söder.

Der Chef der Senio­ren-Union der CDU, Otto Wulff, plädier­te für Laschet. «Ich halte nichts davon, Politik auf Basis von Tages­mei­nun­gen zu machen oder den Kanzler­kan­di­da­ten nach den Umfra­gen auszu­wäh­len», sagte er der dpa. «Wir müssen aus Überzeu­gung handeln. Und die Führungs­gre­mi­en der CDU sind, wie ich auch, davon überzeugt, dass Laschet der richti­ge Kanzler­kan­di­dat für die Union ist.»

SPD-Frakti­ons­chef Rolf Mützenich warf der Union vor, die Corona-Politik während der Debat­te um die Kanzler­kan­di­da­tur zu vernach­läs­si­gen. Der «Bild am Sonntag» sagte er: «Es ist wirklich erschre­ckend, was unser Koali­ti­ons­part­ner treibt. Tag um Tag vertän­deln CDU und CSU leicht­fer­tig mit ihrem inter­nen Streit um Macht und Eitel­kei­ten, statt sich um die wichti­gen Dinge zu kümmern.»