WILHELMSDORF — „Eigent­lich wollte ich nichts Sozia­les machen“, erinnert sich die 20jährige Anna Bachmei­er an den Anfang ihres Freiwil­li­gen Sozia­len Jahres (FSJ) im Hoffmann­haus in Wilhelms­dorf. Jetzt, 11 Monate später erzählt sie Manne Lucha, was sich alles für sie geändert hat seither. „Ich bin selbst­stän­di­ger gewor­den, ich habe gelernt, mich selbst zu versor­gen, ich kann mich um mich selbst kümmern“. 

Manne Lucha, Wahlkreis­ab­ge­ord­ne­ter und Minis­ter für Sozia­les, Gesund­heit und Integra­ti­on, war auf Einla­dung des Landes­ar­beits­krei­ses Freiwil­li­ges Sozia­les Jahr in Baden-Württem­berg (LAK FSJ) nach Wilhelms­dorf gekom­men, um mit jungen Freiwil­li­gen an ihren Einsatz­stel­len ins Gespräch zu kommen und von ihnen aus erster Hand zu erfah­ren, was es bedeu­tet, sich für ein FSJ zu entschei­den. Anna Bachmei­er und ihr FSJ-Kolle­ge Shaban Zikol­li haben beide das Hoffmann­haus gewählt, einen in Oberschwa­ben bekann­ten und renom­mier­ten diako­ni­schen Träger der Jugend­hil­fe. Die junge Frau arbei­tet in einer Wohngrup­pe für minder­jäh­ri­ge Mütter und ihre Kinder, Shaban in einer Wohngrup­pe für 12 – 15jährige Jungs. Er hat für sich eine Perspek­ti­ve gesucht nach der Schule, hat schon „alles Mögli­che“ gemacht, aber noch nicht das Rechte gefun­den. Der 21jährige hatte das Gefühl, „dass sich jobmä­ßig was ändern muss“. Da hat ihm jemand geraten, doch ein Freiwil­li­ges Sozia­les Jahr zu machen. „Und ich dachte immer, FSJ, das ist doch nur Essen ausfah­ren“. Jetzt, einein­halb Monate später, überlegt er bereits, ob er nach seinem FSJ eine Ausbil­dung zum Jugend- und Heimerzie­her macht.

Anna Bachmei­er sagt: „Es ist toll zu merken, dass man akzep­tiert wird. Ich habe erlebt, wie die jungen Mütter genau­so reifen wie ihre Kinder, wie Kinder anfan­gen, erste Schrit­te zu machen, wie Vertrau­en entsteht“. 

Gerhard Haag, Gesamt­lei­ter des Hoffmann­hau­ses, hat solche Entschei­dungs­pro­zes­se bei jungen Menschen schon oft erlebt. Er bestä­tigt die Frage des Minis­ters nach dem „Klebe­ef­fekt“ des FSJ: „Wir haben immer wieder junge Menschen, die sich in ihrem Freiwil­li­gen­jahr dazu entschlie­ßen, anschlie­ßend eine Ausbil­dung bei uns zu machen. Das ist dann ein ganz tolles Ausbil­dungs­ver­hält­nis“. Die Freiwil­li­gen­diens­te FSJ und BFD (Bundes­frei­wil­li­gen­dienst) seien für die Nachwuchs­ge­win­nung im sozia­len Bereich „elemen­tar wichtig“, so Haag. 

Wolfgang Hinz-Rommel, Abtei­lungs­lei­ter Freiwil­li­ges Sozia­les Engage­ment im Diako­ni­schen Werk Württem­berg, betont, dass es haupt­säch­lich die derzei­ti­gen Freiwil­li­gen sind, die für „Nachwuchs“ sorgen: „Die Aller­meis­ten empfeh­len ihre Stelle im Bekann­ten­kreis weiter“. Bis zu 15 Prozent eines Jahrgangs entschlie­ßen sich zu einem Freiwil­li­gen­dienst, „es könnten aber auch 25 Prozent sein“, sagt Hinz-Rommel. Dabei sei Baden-Württem­berg ohnehin bundes­weit führend bei den Freiwil­li­gen­diens­ten. Das liege auch daran, so Annet­te Vacano für den Sprechen­den­rat der Träger des FSJ in Baden-Württem­berg, „dass wir als Träger hier sehr eng zusammenarbeiten“. 

Wie hat sich bisher die Corona-Pande­mie auf die Freiwil­li­gen­diens­te ausge­wirkt? Nachwuchs­sor­gen gebe es im Hoffmann­haus nicht, betont Gerhard Haag: „Wir haben einen Riesen-Andrang“. Und auch landes­weit boomen FSJ und BFD, Anfra­gen gibt es mittler­wei­le von jungen Menschen aus aller Welt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, so Wolfgang Hinz-Rommel und Annet­te Vacano. „Das FSJ holt die jungen Menschen aus der Isola­ti­on des Lockdowns, ermög­licht echte sozia­le Kontak­te und schafft oft Klarheit darüber: was will ich eigent­lich nach der Schule“. Aller­dings, so Annet­te Vacano, „haben die Freiwil­li­gen, die jetzt kommen, die Defizi­te der Pande­mie hinter sich“. Darauf stell­ten sich die Träger, die die jungen Freiwil­li­gen betreu­en und beglei­ten, inten­siv ein. 

Manne Lucha zeigte sich beein­druckt von der Offen­heit der beiden jungen Menschen ihm gegen­über und von ihrem Engage­ment: „Sie beide sind die beste Werbung für unsere Freiwil­li­gen­diens­te“. Und Anna Bachmei­er, die ihr FSJ bald beendet, sagt: „Ich bin so dankbar für die Zeit. Ich kann das nur weiterempfehlen“.