MÜNCHEN (dpa) — Die Marathon­läu­fe­rin­nen und ‑läufer sorgen für einen tollen Start des deutschen Leicht­ath­le­tik-Teams in die Heim-EM in München. Und das jeweils nach Rennen, die es in sich hatten.

Unter einem weiß-blauen Himmel genoss Richard Ringer mit geschlos­se­nen Augen den größten Moment seiner Karrie­re und lausch­te der Natio­nal­hym­ne. Sein golde­ner Schluss­spurt im Marathon soll dem deutschen Leicht­ath­le­tik-Team den erhoff­ten Schub für die Heim-EM in München geben.

Mit dem ersten Europa­meis­ter­ti­tel für einen deutschen Marathon­läu­fer und zuvor dem Team-Sieg für die deutschen Frauen auf der längs­ten Laufdi­stanz legten die Gastge­ber in München einen Traum­start hin. Dazu gab es Silber für das Männer-Team, im Einzel liefen Amanal Petros und Miriam Dattke in faszi­nie­ren­den Rennen als Vierte nur knapp an weite­ren Medail­len vorbei.

Comeback für Ringer

«Unfass­bar — ich wollte 2018 perfor­men und bin das erste Mal ausge­stie­gen. Und jetzt bin ich Europa­meis­ter», sagte der 33 Jahre alte Ringer, der vor vier Jahren bei der EM in Berlin über 10.000 Meter ausge­stie­gen war. Der Routi­nier aus Rehlin­gen hatte angekün­digt, noch etwas gutma­chen zu wollen und hielt Wort.

Der eigent­lich als Mitfa­vo­rit gehan­del­te Petros war nicht überrascht, dass der zwischen­zeit­lich schon zurück­ge­fal­le­ne Ringer 50 Meter vor der Zielli­nie am Münch­ner Odeons­platz an Maru Teferi aus Israel vorbei­rausch­te und in 2:10:21 Stunden noch gewann. «Der kommt ursprüng­lich von der Mittel­stre­cke. Er hat es klasse gemacht, ich bin stolz auf ihn», sagte Petros. Dem in Eritra gebore­nen Läufer ging auf den letzten Metern die Puste aus, so reich­te es 18 Sekun­den hinter Ringer nur zu Rang vier. Das störte Petros nicht: «Ich bin super, super zufrie­den. Dadurch haben wir Silber gewon­nen. Es hat sehr gut angefan­gen für Deutschland.»

Auch Ringer beton­te den Teamge­dan­ken und die gegen­sei­ti­ge Motiva­ti­on. So habe ihn Petros nach 25 Kilome­tern gefragt, wie es ihm gehe. Letzt­lich lande­te nur Israel in der Mannschaft vor den Deutschen. Zudem half Ringer bei warmen, aber nicht zu heißen Tempe­ra­tu­ren zur Mittags­zeit nicht nur das Eis unter seiner Kappe, die er auf der langen Zielge­ra­den wegwarf, ehe er den Turbo zünde­te. Die Gewöh­nung an solches Wetter durch sein Training in Ameri­ka sah er als mitent­schei­dend an. «Hitze­wel­le? Ja was, lange Hose an ist doch okay», sagte Ringer grinsend zu seiner Akklimatisierung.

Starke Perfor­mance der deutschen Läuferinnen

Gemein­sam jubeln durften auf dem Podest auch die deutschen Frauen, obwohl Miriam Dattke in 2:28:52 Stunden nur um Zenti­mer Bronze der zeitglei­chen Nieder­län­de­rin Nienke Brink­man überlas­sen musste. Trotz­dem sagte die für Regens­burg laufen­den 24-Jähri­ge: «Für mich ist der vierte Platz ein Traum, ich habe nicht damit gerech­net.» Den ersten Titel bei dieser EM holte sich Aleksan­dra Lisows­ka aus Polen in 2:28:36 Stunden. Silber ging an Matea Parlov Kostro aus Kroatien.

Die deutsche Meiste­rin Domeni­ka Mayer als Sechs­te und Deborah Schöne­born als Zehnte sorgten dafür, dass das deutsche Team die Mannschafts­wer­tung gewann. Rabea Schöne­born als Zwölf­te und Katha­ri­na Stein­ruck auf Rang 15 komplet­tier­ten das hervor­ra­gen­de Teamergebnis.

Chefbun­des­trai­ne­rin «sehr, sehr glücklich»

Drei Wochen nach dem Ende der Weltmeis­ter­schaf­ten in den USA mit nur zwei Medail­len war die Freude über den starken EM-Auftakt auch beim Deutschen Leicht­ath­le­tik-Verband groß. «Man merkt, was Erfah­rung für ein Pfand ist», sagte Chefbun­des­trai­ne­rin Annett Stein über Ringer, der 2016 schon EM-Dritter über 5000 Meter war. «Auch die Mannschafts­me­dail­len im Marathon sind heraus­ra­gend, wir sind alle sehr, sehr glück­lich», ergänz­te Stein.

Verbands­prä­si­dent Jürgen Kessing erklär­te, es sei genau das einge­tre­ten, was man sich gewünscht und erhofft habe. «Ich gehe davon aus, dass der Funke gezün­det hat inner­halb des Teams und dass er überge­sprun­gen ist auf das Publi­kum. Das war heute ein guter Start, und so kann es weiter­ge­hen.» Die Stimmung entlang des Rundkur­ses durch die Münch­ner Innen­stadt, der viermal absol­viert werden musste, beflü­gel­te alle.

Von Robert Semmler und Chris­ti­an Kunz, dpa