Die Affäre um Profi­te von Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten bei der Beschaf­fung von Corona-Schutz­mas­ken setzt die Union kurz vor wichti­gen Landtags­wah­len schwer unter Druck.

Die Abgeord­ne­ten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) haben ihren Austritt aus der Unions­frak­ti­on erklärt, wollen ihr Mandat aber behal­ten, obwohl Partei- und Frakti­ons­füh­rung den Rückzug verlan­gen. Beide sollen Provi­sio­nen in sechs­stel­li­ger Höhe für die Vermitt­lung von Masken-Geschäf­ten kassiert haben. Frakti­ons­chef Ralph Brink­haus (CDU) schließt nicht aus, dass es noch mehr solcher Fälle in den eigenen Reihen gibt.

«Wir werden die nächs­ten Tage dazu nutzen, auch alle Zweifels­fäl­le entspre­chend zu klären, weil wir auch glauben, dass wir das schul­dig sind», sagte Brink­haus in der ARD. Es könne nicht sein, dass sich Abgeord­ne­te in der schwers­ten Krise des Landes berei­cher­ten. «Wir führen nicht nur Gesprä­che, sondern wir verlan­gen auch entspre­chen­de Auskünfte.»

Brink­haus forder­te Nüßlein und Löbel auf, ihre Manda­te sofort aufzu­ge­ben. Ähnlich äußer­te sich CDU-Chef Armin Laschet: Wer Geschäf­te mache mit dem Schutz von Menschen in der Krise, der sei kein Volks­ver­tre­ter, sagte Laschet dem ARD-Haupt­stadt­stu­dio. «Und der muss das Parla­ment auch schleu­nigst verlas­sen.» CSU-Chef Markus Söder twitter­te: «Alle Betrof­fe­nen sollten umgehend reinen Tisch machen und grund­le­gen­de Konse­quen­zen ziehen.»

Auch CDU-General­se­kre­tär Paul Ziemi­ak forder­te Löbel und Nüßlein zum sofor­ti­gen Verlas­sen des Bundes­tags auf. «So ein Verhal­ten ist unanstän­dig und es beschämt uns», sagte er bei «Bild live». «Und wenn man so die Hand aufge­hal­ten hat, dann muss man sein Mandat nieder­le­gen. Ich spreche hier für die ganze Partei: Beide müssen jetzt den Schritt gehen.»

Die Union gerät mit der Affäre kurz vor den Landtags­wah­len in Baden-Württem­berg und Rhein­land-Pfalz zuneh­mend in Bedräng­nis. Nüßlein und Löbel haben zwar angekün­digt, im Septem­ber nicht mehr zur Bundes­tags­wahl anzutre­ten, wollen aber in den nächs­ten Monaten noch im Bundes­tag bleiben. Beide erklär­ten ihren Austritt aus der Fraktion.

Er halte das für falsch, sagte Brink­haus, räumte aber ein, dass der Frakti­on die Hände gebun­den seien: «Wir haben eine Handha­be, wer Mitglied in der Frakti­on ist, wir haben keine Handha­be, wer Mitglied im Deutschen Bundes­tag ist», sagte er. «Das ist jetzt für beide Kolle­gen eine morali­sche Frage, wie sie damit umgehen.»

Gegen Nüßlein wird von der Münch­ner General­staats­an­walt­schaft unter anderem wegen des Anfangs­ver­dachts der Bestech­lich­keit und Bestechung von Mandats­trä­gern ermit­telt. Der CSU-Politi­ker hatte bereits am Freitag mittei­len lassen, er lege sein Amt als Frakti­ons­vi­ze der Union nieder und werde nicht mehr für den Bundes­tag kandidieren.

Am Sonntag­abend erklär­te Nüßlein dann über seinen Anwalt: «Die öffent­li­che Vorver­ur­tei­lung meiner Person hat ein Maß erreicht, das für mich, aber vor allem auch für meine Partei unerträg­lich ist.» Um Nachtei­le von der CSU abzuwen­den, sei er mit sofor­ti­ger Wirkung aus der Frakti­on ausge­tre­ten, wolle sein Mandat aber bis zum Ende der Wahlpe­ri­ode behal­ten. «Dies verbin­de ich mit der Erwar­tung, dass der derzeit gegen mich gerich­te­te Anfangs­ver­dacht straf­ba­rer Handlun­gen noch während meiner Zugehö­rig­keit zum Deutschen Bundes­tag wider­legt werden wird.»

Löbel hatte am Freitag eine Betei­li­gung an umstrit­te­nen Geschäf­ten mit Corona-Schutz­mas­ken einge­räumt. Seine Firma kassier­te demnach Provi­sio­nen von rund 250.000 Euro, weil sie Kaufver­trä­ge über Masken zwischen einem Liefe­ran­ten und zwei Privat­un­ter­neh­men vermit­telt hatte. Löbel hatte sich in einem ersten Schritt nur aus dem Auswär­ti­gen Ausschuss des Bundes­tags zurück­ge­zo­gen. Am Sonntag­mor­gen kündig­te der 34-Jähri­ge dann an, sein Mandat Ende August nieder­zu­le­gen und sofort aus der Unions­frak­ti­on auszutreten.

SPD-General­se­kre­tär Lars Kling­beil sagte, das Verhal­ten von Löbel und Nüßlein schade dem Vertrau­en in Politik insge­samt. «Deswe­gen es ist völlig richtig, dass beide jetzt sofort ihr Mandat nieder­le­gen müssen», sagte er bei «Bild live». Kling­beil forder­te von beiden auch die Abgabe der Gewin­ne, die sie aus der Vermitt­lung von Masken-Deals gezogen haben sollen. Es gehe dabei um «persön­li­che Berei­che­rung», sagte er. «Und dieses Geld muss zurück. Das erwar­te ich.»

Grünen-Chef Robert Habeck sieht angesichts der Affäre ein grund­sätz­li­ches Problem in der Union. «Keine Partei ist vor Einzel­fäl­len von persön­li­chen Fehltrit­ten gefeit. Aber im Fall der Union weist vieles darauf hin, dass es sich um ein struk­tu­rel­les und syste­ma­ti­sches Problem handelt», sagte Habeck der dpa. «Damit offen­bart sich bei CDU und CSU ein krudes Verständ­nis von Macht, das das Vertrau­en in die Integri­tät der demokra­ti­schen Insti­tu­tio­nen beschä­digt.» Die Vorgän­ge müssten syste­ma­tisch aufge­ar­bei­tet werden. «Jetzt muss alles auf den Tisch — und jetzt heißt jetzt.»