UVALDE/WASHINGTON (dpa) — Ein 18-Jähri­ger schießt an einer Grund­schu­le in Texas auf Kinder und Erwach­se­ne. US-Präsi­dent Biden sagt, die Nation müsse sich fragen, «wann in Gottes Namen wir der Waffen­lob­by die Stirn bieten werden».

Nach dem Massa­ker an einer Grund­schu­le im US-Bundes­staat Texas steht das ganze Land unter Schock angesichts eines erneut verhee­ren­den Gewalt­aus­bruchs. Mindes­tens 19 Kinder wurden getötet, nachdem ein 18-Jähri­ger am Diens­tag während der Unter­richts­zeit das Feuer in der Robb Elemen­ta­ry School in Uvalde nahe San Antonio eröff­net hatte. Der Amokläu­fer wütete so lange, bis ihn Sicher­heits­kräf­te laut Medien­be­rich­ten erschossen.

Es ist eines der opfer­reichs­ten Schul­mas­sa­ker in der US-Geschich­te. Nur beim Shooting an der Sandy Hook Grund­schu­le in Connec­ti­cut 2012 starben mehr Menschen.

Mehr als zwölf Stunden nach der Tat waren immer noch Angehö­ri­ge im Unkla­ren über den Verbleib einzel­ner Schüler. Eltern mussten laut «New York Times» DNA-Proben abgeben, um ihre Verwandt­schaft zu Opfern zu festzu­stel­len. Viele Kinder waren mit schwe­ren Verlet­zun­gen in umlie­gen­de Kranken­häu­ser gebracht worden.

Den Ermitt­lern zufol­ge betrat der Schüt­ze am Diens­tag­nach­mit­tag die Grund­schu­le in der Klein­stadt Uvalde und schoss um sich. Auch mindes­tens zwei Erwach­se­ne wurden bei dem Vorfall getötet. Der Schüt­ze wurde ersten Erkennt­nis­sen nach von Sicher­heits­kräf­ten getötet. Es war unklar, ob er zu den erwach­se­nen Todes­op­fern gezählt wurde.

Der gerade von einer mehrtä­gi­gen Asien-Reise zurück­ge­kehr­te US-Präsi­dent Joe Biden wandte sich an die Nation. Beglei­tet von seiner Ehefrau Jill hielt er kurz nach seiner Landung eine emotio­na­le Anspra­che im Weißen Haus. «Als Nation müssen wir uns fragen, wann in Gottes Namen wir der Waffen­lob­by die Stirn bieten werden», sagte er. Die Vorstel­lung, dass ein 18-jähri­ger Jugend­li­cher in ein Waffen­ge­schäft gehen und zwei Sturm­ge­weh­re kaufen könne, sei einfach falsch.

Erick Estra­da vom Minis­te­ri­um für öffent­li­che Sicher­heit in Texas schil­der­te im Gespräch mit dem Sender CNN die ersten Erkennt­nis­se zum Hergang der Tat. Der Verdäch­ti­ge habe zunächst in der Wohnung seiner Großmutter auf die Frau geschos­sen. Sie wurde in ein Kranken­haus gebracht, ihr Zustand war laut CNN kritisch.

Nur vorläu­fi­ge Informationen

Anschlie­ßend sei der Schüt­ze mit einem Auto zur Schule gefah­ren und habe dort einen Unfall verur­sacht, sagte Estra­da. Der junge Mann habe dann das Auto verlas­sen und sei mit einer Schutz­wes­te beklei­det sowie mit einem Rucksack und einem Gewehr in die Schule einge­drun­gen. Dort habe er das Feuer eröff­net. Der 18-Jähri­ge sei dann vom Sicher­heits­per­so­nal der Schule gestellt worden. Estra­da beton­te, dass es sich um vorläu­fi­ge Infor­ma­tio­nen handele.

Die Grund­schu­le war nach der Attacke abgerie­gelt und von Einsatz­fahr­zeu­gen umgeben. Auf Fernseh­bil­dern war zu sehen, wie Kranken­tra­gen aus dem Gebäu­de gerollt wurden. Eltern irrten auf der Suche nach ihren Kindern umher. Eine Frau, deren Nichte zunächst noch vermisst wird, warte­te im Auto vor einem nahe gelege­nen Kranken­haus. «Wir wissen nicht, wo sie ist», sagte sie dem Lokal­sen­der Kens5. «Es ist nicht typisch für meine Nichte, sich nicht zu melden. Ihr Telefon ist aus.»

Täter verschanz­te sich im Inneren

Wie das Heimat­schutz­mi­nis­te­ri­um mitteil­te, wurde ein Beamter der US-Grenz­kon­trol­le bei dem Shooting verletzt. Demnach wurden Einsatz­kräf­te des in Uvalde statio­nier­ten Grenz­schut­zes zu Hilfe gerufen. Sie seien bei ihrer Ankunft in der Schule von dem Täter beschos­sen worden, der sich im Inneren des Gebäu­des verschanzt hatte. «Ihr eigenes Leben riskie­rend, brach­ten sich die Grenz­kon­troll­be­am­ten vor Ort zwischen den Schüt­zen und Kinder, um die Aufmerk­sam­keit des Schüt­zen von poten­zi­el­len Opfern abzulen­ken und Leben zu retten», erklär­te eine Spreche­rin des Minis­te­ri­ums auf Twitter.

Erneut hinter­lässt in den USA ein Massa­ker Fassungs­lo­sig­keit und die Frage nach dem Motiv, ausge­rech­net in einer Grund­schu­le nach Opfern zu suchen. Amokläu­fe, auch an Schulen, kommen in den USA mit trauri­ger Regel­mä­ßig­keit vor. Präsi­dent Biden ordne­te an, bis einschließ­lich Samstag die Flaggen auf allen öffent­li­chen Gebäu­den in den USA auf halbmast zu setzen.

Biden zeigt immer wieder mit dem Finger auf den US-Kongress, wenn es um stren­ge­re Waffen­ge­set­ze geht. Viele Republi­ka­ner lehnen schär­fe­re Regulie­run­gen ab — die Waffen­lob­by ist in den USA sehr mächtig. Für weitrei­chen­de Geset­zes­än­de­run­gen fehlen Bidens Demokra­ten die nötigen Stimmen im US-Senat. Amokläu­fe, auch an Schulen, kommen in den USA in trauri­ger Regel­mä­ßig­keit vor.

Tat erinnert an Sandy-Hook-Massaker

Schon vor knapp zehn Jahren hatte das Massa­ker an der Sandy Hook Grund­schu­le in Connec­ti­cut beson­de­re Erschüt­te­rung in den USA ausge­löst: Im Dezem­ber 2012 hatte ein 20-Jähri­ger dort um sich geschos­sen, 20 Schul­kin­der und sechs Lehrkräf­te wurden getötet. Und erst vor gut einer Woche hatte ein Schüt­ze mit einem Sturm­ge­wehr in Buffa­lo im US-Bundes­staat New York in einem Super­markt das Feuer eröff­net, zehn Menschen erschos­sen und drei weite­re verletzt. Den Ermitt­lern zufol­ge war die Tat rassis­tisch motiviert — elf der 13 Opfer waren schwarz.

Über den Hinter­grund der Tat in Uvalde war zunächst wenig bekannt. Die Ermitt­ler hielten sich bedeckt. Medien­be­rich­ten nach soll der Schüt­ze die bei der Tat verwen­de­te Waffe vor rund einer Woche kurz nach seinem 18. Geburts­tag gekauft haben. Ehema­li­ge Schul­ka­me­ra­den ordne­ten dem Schüt­zen laut CNN ein Insta­gram-Profil zu, auf dem vor wenigen Tagen ein Foto von zwei Geweh­ren gepos­tet worden war. Das Verhal­ten des Schüt­zen habe sich zuletzt verän­dert, zitier­te die «Washing­ton Post» einen Jugend­freund. Er habe bei seiner Mutter und manch­mal bei seiner Großmutter gelebt und sich in letzter Zeit aggres­siv verhalten.

Von Chris­tia­ne Jacke, Julia Naue und Julia­ne Rodust, dpa