LONDON (dpa) — Den Europa­meis­ter­schafts-Pokal können die DFB-Frauen beim Empfang in Frank­furt am Montag nicht präsen­tie­ren — aber ein glanz­vol­les Turnier vorwei­sen. Das 1:2 gegen England muss das Team erstmal verarbeiten.

Auch der Kanzler in der Kabine konnte die Fußbal­le­rin­nen nicht trösten. Olaf Scholz sagte dem Team von Bundes­trai­ne­rin Marti­na Voss-Tecklen­burg nach dem so bitte­ren EM-Finale in Wembley, wie stolz man zuhau­se auf diese Mannschaft sei.

Dennoch verlie­ßen Alexan­dra Popp, Svenja Huth, Merle Frohms, Lena Oberdorf und all die anderen mit verwein­ten oder zumin­dest feuch­ten Augen Englands Fußball-Tempel. Am Ende eines großar­ti­gen Turniers verab­schie­de­ten sich die DFB-Frauen aber auch mit viel Stolz. «Trotz­dem glaube ich, dass wir heute Nacht wenig bis gar nicht oder wenn, dann schlecht schla­fen werden», sagte Voss-Tecklenburg.

Ein dennoch stolzer Kanzler

Auf Twitter beschei­nig­te SPD-Politi­ker Scholz dem Vize-Europa­meis­ter nach der 1:2‑Niederlage nach Verlän­ge­rung im Finale gegen England eine «Weltklas­se-Leistung in einem engen Spiel. Das war ein mitrei­ßen­des Turnier und ganz Deutsch­land ist stolz auf dieses Team!»

«Wir waren nah dran nach, vor allem nach dem 1:1. Wir sind schon mega unglück­lich», räumte Voss-Tecklen­burg ein. Svenja Huth, die die verletz­te Torjä­ge­rin Alexan­dra Popp als Kapitä­nin vertrat, meinte ebenso nieder­ge­schla­gen wie unver­blümt: «Tut einfach schwei­ne­weh, so kurz vor Schluss das 1:2 zu bekommen.»

Chloe Maggie Kelly sorgte mit ihrem Siegtref­fer in der 110. Minute vor der EM-Rekord­ku­lis­se von 87 192 Zuschau­ern für ohren­be­täu­ben­den Jubel und für den ersten inter­na­tio­na­len Titel der Liones­ses überhaupt. Lena Magull hatte zuvor in der 79. Minute die erstma­li­ge Führung der Liones­ses durch Ella Toone (62.) ausge­gli­chen und Deutsch­land vom Titel träumen lassen.

«Das müssen wir erstmal sacken lassen. Wir sind trotz­dem froh und stolz, dass wir so viele Menschen erreicht haben», sagte die Wolfs­bur­ge­rin Huth. «Ich finde einfach, dass wir als Mannschaft unfass­bar gut funktio­niert haben», sagte Voss-Tecklen­burg. Die 54-Jähri­ge war zwar als Spiele­rin viermal Europa­meis­te­rin, aber als Traine­rin verpass­te sie ihren ersten Titel mit den DFB-Frauen.

Debat­te um mögli­ches Handspiel

Die Verant­wort­li­chen hader­ten nach dem verlo­re­nen Finale auch mit den Video­as­sis­ten­ten. Dabei ging es um die Szene in der 26. Minute beim Stand von 0:0, als ein mögli­ches Handspiel von Englands Kapitä­nin Leah William­son im Straf­raum überprüft wurde. Einen Elfme­ter gab es aber nicht. Voss-Tecklen­burg sprach von einem «klaren Handspiel».

Auf die Frage, ob ihr Team da betro­gen wurde, antwor­te­te die 54-Jähri­ge: «Das Wort will ich nicht in den Mund nehmen. Aber auf dem Niveau bei einem Finale bei der Europa­meis­ter­schaft darf das nicht passie­ren.» Joti Chatzi­al­e­xiou, Leiter Natio­nal­mann­schaf­ten beim Deutschen Fußball-Bund, bemän­gel­te die Arbeit der Video­as­sis­ten­ten generell bei der EM. «Das war jetzt das dritte oder vierte Mal bei diesem Turnier, dass nicht einge­grif­fen wurde. Das ist sehr enttäu­schend. Wenn einem das so wegge­nom­men wird, dann tut’s weh», sagte er.

Die Spiele­rin­nen aller­dings thema­ti­sier­ten das nicht mehr groß, als sie zum Bus gingen. Nach der Nacht im Teamquar­tier in Watford nordwest­lich von London war für Montag­vor­mit­tag der Rückflug nach Frank­furt angesagt. Am Nachmit­tag wollen sich die Fußbal­le­rin­nen auf dem Rathaus­bal­kon im Römer den Fans präsen­tie­ren — auch wenn sie den Pokal nicht mitbringen.

«Ich würde mir sehr, sehr wünschen, dass wir das morgen in Deutsch­land hautnah spüren, was da ja anschei­nend losge­tre­ten wurde», sagte Voss-Tecklen­burg, deren Team in den vergan­ge­nen vier Wochen enorm an Popula­ri­tät hinzu­ge­won­nen hat.

Von Ulrike John und Philip Dethlefs, dpa