LONDON (dpa) — Die im Schat­ten sieht man nicht? Das legt der Titel von Prinz Harrys Autobio­gra­fie nahe. «Reser­ve» soll zwar erst im Januar erschei­nen — doch für Aufre­gung in seiner Heimat sorgt das Buch schon jetzt.

Prinzes­sin Kate dürfte schon schöne­re Geburts­tags­ge­schen­ke erhal­ten haben. Am 10. Januar 2023 soll die Autobio­gra­fie ihres Schwa­gers Prinz Harry erschei­nen — einen Tag nach dem 41. Geburts­tag der Ehefrau von Prinz William könnte die Stimmung in der Royal Family damit auf einen neuen Tiefpunkt sinken.

«Dieses Buch ist noch viel schlim­mer als die Leute denken», zitier­te die briti­sche Zeitung «Sun» eine Quelle. Denn wenn es stimmt, was Medien seit länge­rem vermu­ten, dürfte Harrys (38) Werk den Palast und vor allem seinen Vater König Charles III. massiv ins Visier nehmen.

Darauf deutet jeden­falls der Titel hin. «Spare» heißt das Buch im Origi­nal, vermut­lich eine Anspie­lung auf die Redewen­dung «The heir and the spare», also «der Erbe und der Ersatz». Das ist unver­hoh­len auf Harry als jünge­ren Bruder von Thron­fol­ger William gemünzt, der nur beim Tod des Älteren zum Zuge kommen könnte. Auch die Titel der übersetz­ten Ausga­ben machen die Rolle, wie sich Harry offen­bar sieht, deutlich: In Deutsch­land heißt das Buch «Reser­ve», in Spani­en «Im Schat­ten» und in Schwe­den «Der Andere», wie die «Sun» berichtet.

Famili­en­ban­de gelten schon länger als zerrüttet

Die Bezie­hun­gen zwischen Harry und seiner Ehefrau Herzo­gin Meghan auf der einen Seite und Charles, aber auch Bruder William auf der anderen gelten seit länge­rem als zerrüt­tet. Auslö­ser war vor allem das aufse­hen­er­re­gen­de Inter­view des Paars, das vor Jahren nach Kalifor­ni­en auswan­der­te, mit US-Modera­to­rin Oprah Winfrey im März 2021. Darin warfen Meghan und Harry dem Palast Rassis­mus sowie mangeln­de Unter­stüt­zung vor.

Seitdem wollen briti­sche Medien zwar immer wieder Anzei­chen für Tauwet­ter entdeckt haben. Charles etwa beton­te in seiner ersten Anspra­che an die Nation als König demons­tra­tiv seine Liebe zu Sohn und Schwie­ger­toch­ter. Aber es bleiben ausrei­chend Streit­punk­te. So übernahm ausge­rech­net Charles den zuletzt von Harry gehal­te­nen Ehren­ti­tel Captain General der Royal Marines — ohne auch nur mit einem Wort auf die Rolle seines Sohnes und Vorgän­gers einzugehen.

Buch trifft in angespann­te Gemengelage

Auf diese ohnehin angespann­te Gemenge­la­ge trifft nun das Buch, das Harry gemein­sam mit dem Ghost­wri­ter J.R. Moehrin­ger verfasst haben soll. Eigent­lich sollte es bereits im Herbst erschei­nen, doch nach dem Tod seiner Großmutter Königin Eliza­beth II. hat Harry offen­bar auf eine Überar­bei­tung gedrängt, wie es in London heißt. Doch dadurch verpasst der Verlag Pengu­in Random House das lukra­ti­ve Geschäft vor dem US-Feier­tag Thanks­gi­ving und Weihnach­ten. Immer­hin 20 Millio­nen Euro Vorschuss soll der Queen-Enkel erhal­ten haben. Mehrmals sei Harry aufge­for­dert worden, einzel­ne Teile ausführ­li­cher darzu­stel­len oder gar Anekdo­ten zu ergän­zen, berich­te­te die «Sun». Auch das schüre Ängste im Palast vor Enthüllungen.

Die Bezie­hun­gen inner­halb der Familie seien mit der Verkün­dung des vielsa­gen­den Titels ohnehin nahe am Tiefstand, schrieb die Zeitung «Mirror». Harry habe zudem eine Einla­dung zum gemein­sa­men Weihnachts­fest abgelehnt, will das Blatt erfah­ren haben. Die «Daily Mail» berich­te­te, statt­des­sen erwäge er, zu Jahres­be­ginn in seine Heimat zu fliegen und sein Buch zu erklä­ren. William soll seit der Bekannt­ga­be kaum ein Wort mit seinem jünge­ren Bruder gespro­chen haben. Die Royals-Exper­tin Angela Levin sagte der Zeitung, der Palast sitze wie auf glühen­den Kohlen.

«Dieses Buch bedeu­tet wirklich “alles oder nichts”», sagte der Royals-Biograf Tom Bower der «Sun». Doch wie wird der Palast reagie­ren? «Ich kann mir gut vorstel­len, dass König Charles gewarnt worden ist, dass jede Form der Vergel­tung unschön sein wird.» Der Exper­te vermu­tet, dass der Monarch Harrys Kindern Archie (3) und Lilibet (1) die Titel eines Prinzen und einer Prinzes­sin verwei­gern könnte. Darauf haben sie eigent­lich ein Anrecht, seitdem ihr Großva­ter König ist. «Letzt­end­lich könnte er auch Harry und Meghan die Titel wegneh­men», sagte Bower. «Aber das wäre ziemlich drastisch.» Der Famili­en­streit im Palast ist noch lange nicht vorbei.

Von Benedikt von Imhoff, dpa