CARBIS BAY (dpa) — In Europa und Nordame­ri­ka steigen die Corona-Impfquo­ten rasant. Besiegt werden kann die Pande­mie aber nur, wenn auch die Menschen in ärmeren Ländern ausrei­chend geschützt werden. Die G7-Staaten wollen bei ihrem Gipfel eine Zusage machen.

Im Kampf gegen die Corona-Pande­mie wollen die G7-Staaten nach Angaben von Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel ärmeren Ländern bis Ende nächs­ten Jahres mit 2,3 Milli­ar­den Impfdo­sen helfen.

Die G7-Gruppe habe eine globa­le Verant­wor­tung, sagte Merkel am Samstag am Rande des G7-Gipfels im südwest­eng­li­schen Carbis Bay. Ein finaler Beschluss lag aber zunächst noch nicht vor.

Zu den führen­den westli­chen Indus­trie­na­tio­nen der G7 gehören neben Deutsch­land die USA, Großbri­tan­ni­en, Frank­reich, Itali­en, Kanada und Japan. Gastge­ber Boris Johnson hatte bereits vor Beginn des Gipfels als Ziel ausge­ge­ben, dass die Staaten­grup­pe sich auf eine Spende von einer Milli­ar­de Impfdo­sen einigt. Ob es sich bei den von Merkel genann­ten 2,3 Milli­ar­den Impfdo­sen nur um Spenden oder auch um Expor­te oder die Finan­zie­rung der inter­na­tio­na­len Impfinitia­ti­ve Covax handelt, blieb zunächst unklar.

UN-General­se­kre­tär Antonio Guter­res hatte zuvor die von Johnson verkün­de­te Milli­ar­den-Spende als unzurei­chend kriti­siert. «Eine Milli­ar­de ist sehr willkom­men. Aber offen­sicht­lich benöti­gen wir mehr als das.» Man sei «im Krieg mit dem Virus». Nach Angaben der Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) sind mindes­tens acht Milli­ar­den Impfdo­sen notwen­dig, um für eine weitge­hen­de Immuni­tät von 80 Prozent der Bevöl­ke­rung in Ländern mit gerin­gem oder mittle­rem Einkom­men zu sorgen.

Die USA hatten kurz vor dem Gipfel angekün­digt, 500 Millio­nen Dosen bereit­stel­len zu wollen — 280 Millio­nen davon sollen nach dpa-Infor­ma­tio­nen nun bereits bis Jahres­en­de ausge­lie­fert werden. Großbri­tan­ni­en hat 100 Millio­nen Dosen bis Ende kommen­den Jahres zugesagt. Diese beiden Länder hatten Impfstof­fe bislang aber kaum exportiert.

Die EU war lange die einzi­ge demokra­ti­sche Region der Welt, die im großen Maßstab Corona-Impfstoff expor­tier­te. Bislang wurden nach Angaben aus Brüssel rund 350 Millio­nen Dosen ausge­führt, was in etwa der Hälfte der Gesamt­pro­duk­ti­ons­men­ge entspricht. Bis Ende des Jahres soll sich die Export­men­ge Schät­zun­gen zufol­ge auf 700 Millio­nen Dosen verdoppeln.

Konkur­renz-Programm zu chine­si­scher Seidenstraße

Am zweiten Tag des dreitä­gi­gen Gipfels suchte die G7 auch nach einem gemein­sa­men Kurs in der China-Politik. Mit einer Milli­ar­den-Initia­ti­ve zum Aufbau von Infra­struk­tur will sie nun der autori­tär geführ­ten Großmacht Konkur­renz in Afrika und Latein­ame­ri­ka, aber auch in Europa und Asien machen. Das Vorha­ben soll eine Alter­na­ti­ve zu dem 2013 von China gestar­te­ten Projekt «Neue Seiden­stra­ße» sein, mit dem China weltweit neue Handels­we­ge erschließt. Die G7-Initia­ti­ve mit dem Titel «Build Back Better World» (eine besse­re Welt wieder­auf­bau­en) soll nach US-Angaben am Sonntag in der Abschluss­erklä­rung des G7-Gipfels in der südeng­li­schen Urlaubs­re­gi­on Cornwall veran­kert werden.

Nach US-Schät­zun­gen wird in Teilen der Welt Infra­struk­tur im Wert von 40 Billio­nen US-Dollar benötigt. Durch die Pande­mie sei sie noch größer gewor­den sei, berich­te­ten US-Regie­rungs­be­am­te. Die USA wollten mit den G7-Partnern, dem priva­ten Sektor und anderen Teilha­bern «bald» kollek­tiv Hunder­te Milli­ar­den für Infra­struk­tur-Inves­ti­tio­nen in Ländern mit niedri­gen und mittle­ren Einkom­men mobilisieren.

Kampf gegen den Klimawandel

Nach Angaben der US-Regie­rung einig­ten sich die G7-Staaten zudem auf «konkre­te Maßnah­men» zum Klima­schutz. Das Weiße Haus teilte am Samstag mit, die Staats- und Regie­rungs­chefs würden sich bei dem Gipfel unter anderem zu Schrit­ten verpflich­ten, um die staat­li­che Förde­rung fossi­ler Energie­trä­ger wie Kohle einzu­schrän­ken. Die USA, Deutsch­land, Großbri­tan­ni­en und Kanada wollten Entwick­lungs­län­dern zudem bis zu zwei Milli­ar­den Dollar bereit­stel­len, um deren Ausstieg aus der Kohle zu beschleunigen.

Gastge­ber Großbri­tan­ni­en will die Konfe­renz nutzen, um die sieben führen­den westli­chen Wirtschafts­mäch­te auf ehrgei­zi­ge Klima­zie­le einzu­schwö­ren, die dann bei der UN-Klima­kon­fe­renz im schot­ti­schen Glasgow im Novem­ber auf globa­ler Ebene verein­bart werden sollen.

MERKEL UND BIDEN SPRECHEN ÜBER NORD STREAM 2

Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel traf sich am Rande des Gipfels in Carbis Bay erstmals zu einem persön­li­chen Gespräch mit dem neuen US-Präsi­den­ten Joe Biden. Dabei ging es auch um den Streit um die Gas-Pipeline Nord Stream 2, den beide Seiten nun entschär­fen wollen. Man sei «auf einem guten Weg», sagte die Kanzle­rin anschlie­ßend. Sie sei sich mit Biden einig, dass es «existen­zi­ell und unabding­bar» sei, die Ukrai­ne weiter am Gastran­sit von Russland nach Europa zu beteiligen.

Die Regie­rung Bidens hatte vor drei Wochen ihren jahre­lan­gen Wider­stand gegen die umstrit­te­ne Pipeline zwischen Russland und Deutsch­land teilwei­se aufge­ge­ben und auf Sanktio­nen gegen die Betrei­ber­ge­sell­schaft verzich­tet — auch aus Rücksicht auf die Bezie­hun­gen zu Deutsch­land. Anschlie­ßend war eine Delega­ti­on der Bundes­re­gie­rung nach Washing­ton gereist, um über das weite­re Vorge­hen zu beraten. Die Gesprä­che wurden auch danach fortge­setzt. Im Kern geht es darum, wie der Ukrai­ne die Milli­ar­den-Einnah­men aus dem russi­schen Gastrans­fer langfris­tig gesichert werden können.

Nordir­land-Streit trübt Gipfel-Harmonie

Der Streit zwischen der EU und Großbri­tan­ni­en über Brexit-Sonder­re­geln für Nordir­land trübte dagegen die Gipfel-Harmo­nie. EU-Spitzen­ver­tre­ter forder­ten die Einhal­tung von Abspra­chen ein, der briti­sche Premier­mi­nis­ter sieht hinge­gen die EU in der Pflicht.

Für die G7 markiert der Gipfel in Cornwall einen Neustart nach der Ära von US-Präsi­dent Donald Trump, in der dessen Abschot­tungs­po­li­tik die Gruppe an den Rand der Spaltung brach­te. Nun wollen die USA und die anderen großen westli­chen Demokra­tien wieder an einem Strang ziehen. US-Präsi­dent Biden will die Staaten­grup­pe vor allem durch eine harte Abgren­zung zu autori­tä­ren Staaten wie Russland und China zusammenschweißen.