KISSLEGG — Die Frühlings­son­ne strahl­te über Kißlegg beim Besuch der Minis­te­rin für Landes­ent­wick­lung und Wohnen Nicole Razavi MdL (CDU). Ebenso freute sich Bürger­meis­ter Dieter Kratten­ma­cher, sie sowie den CDU-Landtags­ab­ge­ord­ne­ten Raimund Haser begrü­ßen zu dürfen. Letzte­rer hatte die Minis­te­rin in seinen Wahlkreis geladen, um in Bad Waldsee, Kißlegg und Wangen diver­se Themen anzuspre­chen. „Kißlegg ist nicht nur Bahnüber­gang und IKOWA, ich möchte, dass das Land uns auch dabei hilft, den Ortskern zu einer attrak­ti­ven Ortsmit­te weiter­zu­ent­wi­ckeln“, so Haser. Mit dem Sanie­rungs­ge­biet „Ortskern III“ hat sich Kißlegg laut Bürger­meis­ter Kratten­ma­cher „große Ziele gesteckt“. Dazu gehört im Wesent­li­chen der denkmal­ge­schütz­te „Löwen“, den die Gemein­de 2015 erwor­ben hat und der nun grund­le­gend saniert werden soll. Das ehema­li­ge Gasthaus soll als künfti­ges Bürger­haus offen sein für gemein­sa­me Begeg­nun­gen sowie in Not gerate­nen Bürgern Wohnraum in kleinen Appar­te­ments bieten. Hierzu hat die Minis­te­rin bereits ihr „OK“ gegeben. Vor Ort konnte sie sich davon überzeu­gen, wie wichtig diese Entschei­dung war.

Direkt gegen­über wird durch Bauherr Werner Briegel aus dem ehema­li­gen Gasthof „Adler“ und einem Neubau mit Tiefga­ra­ge eine Tages­pfle­ge-Einrich­tung sowie Wohnun­gen für Betreu­tes Wohnen entste­hen und eine Sozial­sta­ti­on einzie­hen. Auch dieses Projekt ist laut Kratten­ma­cher „existen­zi­ell für eine neue Mitte“. Gut, dass sich ein Problem sozusa­gen von selbst gelöst hat, weil die Optik täuscht: städte­bau­lich wertvoll ist am Löwen nichts, insbe­son­de­re die Fassa­de, die nach einem sensa­tio­nel­len Fachwerk aussieht, würde man heutzu­ta­ge wohl als „Fake“ bezeich­nen. Ursprüng­lich sollte das Gebäu­de aus Sicht des Denkmal­schut­zes weitest­ge­hend erhal­ten bleiben und aufwen­dig saniert werden, was sich nach länge­rer Zeit und einge­hen­den Unter­su­chun­gen nun als nicht mehr erhal­tungs­wür­dig herausstellte.

Auch wenn der Adler nun abgeris­sen werden kann, ist Briegel absolut wichtig, dass sich das neue ortsbild­prä­gen­de Gebäu­de gut in das Ensem­ble denkmal­ge­schütz­ter Gebäu­de integriert. Die Minis­te­rin freute sich sehr über das Vorha­ben der Gemein­de und des Inves­tors und verwies auf das Wohnraum­för­der­pro­gramm des Landes Baden-Württem­berg sowie auf die bereits zugesag­ten Förder­mit­tel für Gemein­den, die Einrich­tun­gen mit sozia­lem Hinter­grund schaffen.

Als ziemlich störend stell­te sich der dichte Verkehr an diesem frühen Nachmit­tag im Ortskern von Kißlegg dar. Schwer­last­ver­kehr und Langholz­trans­port schlän­gel­ten sich mitten durch den Ort, sodass es nicht nötig war, die Minis­te­rin von der langfris­ti­gen Perspek­ti­ve einer Ortsum­fah­rung zu überzeu­gen. Obwohl dies nicht in ihrem Zustän­dig­keits­be­reich ist, hat sie eine klare Meinung: „Ortsum­fah­rung ist auch Menschen­schutz!“ Der Bürger­meis­ter gab zu beden­ken: „Die Ortsum­fah­rung von Kißlegg ist seit den ersten Tagen meines Dienst­an­tritts ein Thema — und jetzt bin ich in der dritten Amtszeit.“ Bleibt zu hoffen, dass auch dieses Thema in Stutt­gart endlich auf „frucht­ba­ren Boden“ fällt. Sie sagte zu, ihren Kolle­gen Winfried Hermann auf das Thema anzuspre­chen, wobei Haser ergänz­te: „Der kennt das Thema gut. Aber an der Entschei­dung hat das bislang leider nie etwas geändert.“

Neben der dringend benötig­ten Bahnun­ter­füh­rung war das Gebiet nördlich der Bahnli­nie, zwischen dem Gewer­be­ge­biet Stolzen­see­weg und dem Obersee, das dem Sanie­rungs­ge­biet „Ortskern III“ zugeschrie­ben wurde, Thema des Kißlegg-Besuchs. „Ziel ist ein Misch­ge­biet mit Schwer­punkt Wohnen in Verbin­dung mit der Zufahrt zum Obersee“, ist der Wunsch von Kratten­ma­cher. Die Minis­te­rin hatte auch dafür ein offenes Ohr und verwies auf den überar­bei­te­ten Grund­stücks­fonds auch für überbau­te Flächen.

Zudem stell­te Bürger­meis­ter Kratten­ma­cher den Sachver­halt zum Vorha­ben des Inter­kom­mu­na­len Gewer­be­ge­biets (IKOWA) bei Walters­ho­fen dar, in der Hoffnung, die Minis­te­rin als Fürspre­che­rin gewin­nen zu können. Raimund Haser bekräf­tig­te, dass entlang der Autobahn auf bayeri­scher Seite Richtung Lindau sowie Richtung München bereits Gewer­be­ge­bie­te verwirk­licht wurden und dabei auch Gewer­be­trei­ben­de aus Baden-Württem­berg abgezo­gen wurden. „Die Bayern haben es uns vorge­macht, bei uns schei­tert es am Anbin­de­ge­bot. Der Landes­ent­wick­lungs­plan sollte hier flexi­bler sein“, gab Haser der Minis­te­rin mit auf den Weg. „Die Zukunft für inter­kom­mu­na­le Gewer­be­ge­bie­te wird entlang der Autobah­nen sein, dort, wo die Belas­tung ohnehin groß ist, wo aber anderer­seits die Trans­port­we­ge ideal sind – direkt und ohne Belas­tung für Städte und Ortschaften.“

Zu guter Letzt war es beim Kißlegg-Besuch der Minis­te­rin gerade­zu ein Muss, die „Heimat Bären­wei­ler“ mit dem „fachkun­di­gen Denkmal­schüt­zer“, wie sich Chris­ti­an Skrodzki selbst bezeich­net, zu besuchen. Seit 30 Jahren kauft der „Tausend­sas­sa“, wie ihn die Minis­te­rin bezeich­ne­te, „altes Glump“ auf und kann beste Referen­zen vorwei­sen, wie den Bürger­bahn­hof in Leutkirch oder die Allgäu­er Genuss­ma­nu­fak­tur in Urlau. Nach 400 Jahren Spital Bären­wei­ler, eine ehema­li­ge fürst­li­che Stiftung, die als mildtä­ti­ge Einrich­tung lange Zeit mit Landwirt­schaft betrie­ben wurde, sollen diese Liegen­schaf­ten behut­sam restau­riert und unter dem rühri­gen und kreati­ven Inves­tor Skrodzki einer vielfäl­ti­gen Nutzung zugeführt werden.

Eines der Themen, die den Bauherrn umtrei­ben, ist die Energie­ver­sor­gung der Gebäu­de. Dazu ist viel Finger­spit­zen­ge­fühl notwen­dig: Moder­ne Heizsys­te­me gespeist mit erneu­er­ba­ren Energien dürfen nicht mit dem Denkmal­schutz kolli­die­ren. Auch hier wird es Möglich­kei­ten geben, ist sich die Minis­te­rin sicher: „Der Erhalt und der Betrieb des Denkmals hängt auch von der Energie­ver­sor­gung ab“, so Nicole Razavi. Deshalb werde sie die innova­ti­ven Energie­plä­ne, um die sich bereits zuvor der hiesi­ge Abgeord­ne­te Haser in seiner Funkti­on als Umwelt­po­li­ti­scher Sprecher der CDU-Frakti­on im Landtag geküm­mert hatte, wohlwol­lend begleiten.

Alles in allem reiste eine von Landschaft, Tatkraft und Projek­ten begeis­ter­te Minis­te­rin weiter nach Wangen. Ein Besuch des Bürger­meis­ters zu einem Termin im Landtag wegen der anste­hen­den Sanie­rungs­vor­ha­ben wurde inzwi­schen bereits vereinbart.