RIGA (dpa) — Die deutsche Eisho­ckey-Natio­nal­mann­schaft ist erstmals seit elf Jahren wieder in ein WM-Halbfi­na­le eingezogen.

Deutsch­land steht vor dem nächs­ten Eisho­ckey-Wunder. Dank eines erfolg­rei­chen Penal­ty-Dramas gegen die Schweiz trennt Deutsch­land nur noch ein Sieg von der ersten WM-Medail­le seit 68 Jahren und einer ähnli­chen Sensa­ti­on wie dem Olympia-Finale 2018.

Mit dem packen­den 3:2 (0:1, 1:1, 1:0) nach Penal­ty­schie­ßen und einem 0:2‑Rückstand gegen den Erzri­va­len zog das deutsche Natio­nal­team in Riga in das Halbfi­na­le ein und hat schon jetzt das beste WM-Abschnei­den seit dem Heim-Turnier vor elf Jahren sicher. Marcel Noebels verwan­del­te den entschei­den­den Penalty.

Chance auf WM-Medaille

In der Vorschluss­run­de am 5. Juni hat die Auswahl von Bundes­trai­ner Toni Söder­holm die Chance auf die erste WM-Medail­le seit Silber 1953. Der Gegner stand nach dem Spiel noch nicht fest. «Das wäre schon großar­tig, wenn wir das Spiel heute gewin­nen. Es ist eine großar­ti­ge Möglich­keit für uns und da wollen wir was errei­chen», hatte Söder­holm schon vor der Partie bei Sport1 gesagt.

Sein Team erfüll­te sich mit einmal mehr großer Leiden­schaft die eigenen äußerst hoch gesteck­ten Erwar­tun­gen und träumt nun von mehr. Tom Kühnhackl (38. Minute) und Leon Gawan­ke 44 Sekun­den vor dem Ende der regulä­ren Spiel­zeit schos­sen die Deutschen in die torlo­se Verlän­ge­rung und Noebels schließ­lich im zwölf­ten Viertel­fi­na­le seit 1992 erst zum zweiten Sieg. Die Schweiz wähnte sich nach Treffern von Vertei­di­ger Ramon Unter­san­der (16.) vom SC Bern und Stürmer Fabri­ce Herzog (34.) vom HC Davos schon wie der Sieger.

Geschich­te wieder­holt sich

Mit dem Erfolg wieder­hol­te sich ein kleines Stück deutscher Eisho­ckey-Geschich­te. 2010 hatte Deutsch­land als WM-Gastge­ber mit 1:0 gegen die Schweiz erstmals überhaupt ein WM-Halbfi­na­le erreicht. Korbi­ni­an Holzer war bei den Deutschen ebenso wie Andres Ambühl bei den Schwei­zern schon damals dabei gewesen — und war jetzt in Riga erneut einer der wichtigs­ten deutschen Vertei­di­ger. Diesmal war das Duell ebenfalls inten­siv, aber nicht so aufge­heizt wie vor elf Jahren in Mannheim.

Die Rivali­tät zwischen Deutsch­land und der Schweiz ist enorm. Bei den Eidge­nos­sen hat Eisho­ckey einen größe­ren Stellen­wert, der Vizewelt­meis­ter von 2013 und 2018 streb­te diesmal WM-Gold an. Mit dem erkämpf­ten Sieg fügte das Söder­holm-Team dem Rivalen eine riesi­ge Enttäu­schung zu, weil sich die Schweiz als klarer Favorit sah und sich das DEB-Team nun schon zum dritten Mal nachein­an­der in einem K.o.-Spiel in den Weg stell­te. In Pyeongchang 2018 hatte ein 2:1 nach Verlän­ge­rung den wunder­sa­men Lauf ins olympi­sche Finale ermög­licht. Sechs Spieler von vor gut drei Jahren waren nun jeweils im Olympic Sports Centre von Riga dabei.

DEB-Team überzeug­te

Nach dem spiele­risch schwa­chen Auftritt im Vorrun­den­fi­na­le gegen die Letten präsen­tier­te sich die Söder­holm-Truppe verbes­sert und leiste­te sich lange nicht so viele Fehler in der neutra­len Zone. Das Offen­siv­spiel blieb aber lange ungefähr­li­cher als das der Schwei­zer. Eine schöne Kombi­na­ti­on des Kontra­hen­ten führte zum Rückstand durch Vertei­di­ger Unter­san­der vom SC Bern.

Das DEB-Team überzeug­te aber wieder mal mit seinem «Löwen­herz» (Söder­holm) und überstand auch die Unter­zahl gegen die beste Überzahl­mann­schaft des Turniers. Dennoch folgte zwar das 0:2. Aber Kühnhackl, vor knapp fünf Jahren in Riga entschei­den­der Torschüt­ze für die Olympia-Quali­fi­ka­ti­on, stocher­te noch vor dem Ende des zweiten Drittels den Puck zum Anschluss ins Tor. «Wir wollen daran anknüp­fen», kündig­te Kapitän Moritz Müller an.

Im Schluss­drit­tel machte das deutsche noch einmal Dampf und wurde durch Gawan­kes Schuss kurz vor dem Ende der regulä­ren Spiel­zeit mit einem Mann mehr auf dem Eis für diesen Kraft­akt belohnt.

Für das Turnier unter den beson­de­ren Corona-Umstän­den hatten die deutschen Cracks gar den WM-Titel nicht ausge­schlos­sen. Nach wechsel­haf­ten Auftrit­ten in der Vorrun­de und dem erst im letzten Gruppen­spiel gesicher­ten Einzug in die K.o.-Runde sind sie nun als eins von nur noch vier Mannschaf­ten im Turnier. Erst zum zweiten Mal bestrei­tet das DEB-Team jetzt ein WM-Halbfi­na­le, bei den bishe­ri­gen WM-Medail­len 1930, 1932, 1934 und 1953 war der Modus ein anderer.

Von Kristi­na Puck und Carsten Lappe, dpa