SEOUL (dpa) — Auf der korea­ni­schen Halbin­sel steigt die Bedro­hungs­la­ge zuneh­mend: Nach Nordko­re­as erstem Raketen­test über Japan seit fünf Jahren haben nun Südko­rea und USA mit dem Abschuss von vier Raketen geantwortet.

Einen Tag nach dem jüngs­ten nordko­rea­ni­schen Raketen­test haben die USA und Südko­rea in der Region selbst Geschos­se abgefeu­ert. Das südko­rea­ni­sche Militär teilte am Mittwoch mit, als Reakti­on auf die Provo­ka­ti­on Nordko­re­as hätten die USA und Südko­rea vier Boden-Boden-Raketen in Richtung des Japani­schen Meers (korea­nisch: Ostmeer) geschos­sen. Beide Seiten hätten jeweils zwei Raketen abgefeu­ert, die Schein­zie­le präzi­se getrof­fen hätten. Damit sei die Fähig­keit der Verbün­de­ten demons­triert worden, vor weite­ren Provo­ka­tio­nen abschre­cken zu können.

Am Diens­tag hatte Pjöng­jang eine ballis­ti­sche Mittel­stre­cken­ra­ke­te in Richtung des Japani­schen Meeres abgefeu­ert. Mit einer Flugdi­stanz von rund 4500 Kilome­tern hat nie zuvor eine nordko­rea­ni­sche Rakete eine länge­re Reich­wei­te zurück­ge­legt. Es war das erste Mal seit knapp fünf Jahren, dass eine nordko­rea­ni­sche Rakete über die japani­sche Insel­grup­pe geflo­gen war. Dort löste der Test einen selte­nen Raketen­alarm aus: Die Bewoh­ner der nordja­pa­ni­schen Insel Hokai­do und der Präfek­tur Aomori an der Nordspit­ze der japani­schen Haupt­in­sel Honshu wurden aufge­for­dert, Schutz in ihren Häusern zu suchen.

Fehlstart löste Panik aus

Ebenfalls am Mittwoch­mor­gen stürz­te eine weite­re Rakete der südko­rea­ni­schen Armee nach einem Fehlstart zu Boden. Wie die Nachrich­ten­agen­tur Yonhap unter Berufung auf den südko­rea­ni­schen General­stab berich­te­te, wurde bei dem Unfall nahe der Ostküs­ten­stadt Gangneu­ng niemand verletzt. Die Absturz­ur­sa­che war zunächst nicht bekannt. Bei einigen Bewoh­nern von Gangneu­ng war Panik ausge­bro­chen, da sie zunächst einen Angriff durch Nordko­rea befürchteten.

Yonhap berich­te­te am Mittwoch zudem unter Berufung auf den südko­rea­ni­schen General­stab, dass die USA angesichts der angespann­ten Lage erneut einen Flugzeug­trä­ger in die Gewäs­ser östlich der korea­ni­schen Halbin­sel entsen­den. Die «ungewöhn­li­che» Rückkehr des nukle­ar­ge­trie­be­nen Flugzeug­trä­gers «USS Ronald Reagan» solle die Vertei­di­gungs­be­reit­schaft der Verbün­de­ten demons­trie­ren, hieß es. Zuletzt war das Schiff für ein Seema­nö­ver mit Südko­rea im Septem­ber zu seinem ersten Besuch dort seit fast vier Jahren eingetroffen.

Sowohl die USA als auch die Nato hatten den nordko­rea­ni­schen Test vom Diens­tag verur­teilt. US-Präsi­dent Joe Biden sprach von einer «Gefahr für das japani­sche Volk». Die USA wollen zudem eine Sitzung des UN-Sicher­heits­rats für Mittwoch beantra­gen. Nato-General­se­kre­tär Jens Stolten­berg schrieb auf Twitter: «Ich verur­tei­le die gefähr­li­chen und desta­bi­li­sie­ren­den Raketen­tests Nordko­re­as aufs Schärfste.»

Als direk­te Reakti­on hatten Südko­re­as Streit­kräf­te zwei Präzi­si­ons­bom­ben auf eine unbewohn­te Insel im Gelben Meer abgefeu­ert. Zudem habe man gemein­sam mit US-ameri­ka­ni­schen Kampf­flug­zeu­gen des Typs F‑16 Flugma­nö­ver abgehal­ten. Das Gelbe Meer wird von China und der korea­ni­schen Halbin­sel umrandet.

Exper­ten rechnen mit weite­rer Eskalation

Das letzte Mal, als Nordko­rea 2017 eine Rakete über Japan fliegen ließ, führte das Land nur wenige Tage später einen Atomwaf­fen­test durch. Exper­ten befürch­ten, dass Nordko­rea in den kommen­den Wochen erneut eine Atomra­ke­te testen könnte. Laut Angaben des südko­rea­ni­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums berei­tet das nordko­rea­ni­sche Militär zudem weite­re Tests für eine Inter­kon­ti­nen­tal­ra­ke­te sowie eine ballis­ti­sche U‑Boot-Rakete vor.

UN-Resolu­tio­nen unter­sa­gen Nordko­rea die Erpro­bung von ballis­ti­schen Raketen jegli­cher Reich­wei­te, die je nach Bauart auch einen Atomspreng­kopf beför­dern können. Zuletzt hatte Nordko­rea am Samstag zwei ballis­ti­sche Kurzstre­cken­ra­ke­ten getes­tet — das war der vierte Raketen­ab­schuss inner­halb einer Woche.

Die gehäuf­ten Raketen­tests Nordko­re­as werden von Exper­ten auch als Reakti­on auf die kürzlich abgehal­te­nen Seema­nö­ver südko­rea­ni­scher und US-ameri­ka­ni­scher Streit­kräf­te gewer­tet. An den viertä­gi­gen Marine­übun­gen hatte auch der Flugzeug­trä­ger «USS Ronald Reagan» teilge­nom­men. Es war die erste Entsen­dung eines US-Flugzeug­trä­gers nach Südko­rea seit fast vier Jahren.