MÜNCHEN (dpa) — Erstmals verliert Deutsch­land ein EM-Auftakt­spiel. Angst vor einem K.o.-Szenario herrscht aber noch nicht. Bundes­trai­ner Löw will vor dem nächs­ten Duell gegen Portu­gal die richti­gen «Hebel ansetzen».

Auf der nächt­li­chen Rückfahrt mit Polizei­es­kor­te in den «Home Ground» von Herzo­gen­au­rach konnte Joachim Löw kurz vor dem Morgen­grau­en seine Gedan­ken nochmal sortieren.

Die schmerz­haf­te, weil unnöti­ge Nieder­la­ge im «Zweikampf der Titanen» gegen Weltmeis­ter Frank­reich wurmte den Bundes­trai­ner natür­lich. Für Alarm­stim­mung schon zu Turnier­be­ginn sah der 61-Jähri­ge nach dem Fehlstart in seine Abschieds­tour mit der deutschen Natio­nal­mann­schaft bei der Fußball-Europa­meis­ter­schaft aber gar keinen Anlass.

Nieder­la­ge erhöht Druck auf Spieler

«Wir haben verlo­ren, okay, wir sind sicher enttäuscht. Aber noch ist nichts passiert. In den zwei Spielen können wir alles gerade­bie­gen», sagte der ziemlich sachlich wirken­de Bundes­trai­ner nach dem 0:1 (0:1) am Diens­tag­abend in München durch das ärger­li­che Eigen­tor von Mats Hummels. Der enge Turnier­zeit­plan lässt keine Alter­na­ti­ve. Der Blick geht gleich voraus auf die nächs­te schwe­re Aufga­be gegen Cristia­no Ronal­dos siegrei­che Portu­gie­sen am Samstag (18.00 Uhr).

«Wenn du das erste Spiel verlierst und drei Gruppen­spie­le hast, ist der Druck groß. Da muss man nicht drüber reden», konsta­tier­te ein sicht­lich enttäusch­ter Toni Kroos. Durch die eigene Nieder­la­ge und das 3:0 der Portu­gie­sen in Ungarn ist klar: Noch eine Nieder­la­ge und das Worst-Case-Szena­rio eines erneu­ten Vorrun­den­schei­terns wie bei der Debakel-WM 2018 würde vor dem Gruppen­fi­na­le gegen Ungarn zur bedenk­li­chen Drohku­lis­se. Das Rechnen für Platz drei, der für das Achtel­fi­na­le reichen könnte, will man sich sicher­lich ersparen.

Löw: «Blick nach vorne richten»

Da nützt es Löw auch nichts, dass im Gegen­satz zum 0:1‑Start vor drei Jahren in Russland gegen Mexiko diesmal Einstel­lung und Leistung stimm­ten. «Morgen müssen wir schon noch mal einige Dinge aufar­bei­ten. Aber dann den Blick nach vorne richten», beschrieb Löw seinen Plan für den Mittwoch im Teamquar­tier. Der Tag soll unter dem Motto Regene­rie­ren und Rekapi­tu­lie­ren stehen.

Dann will Löw das Thema Durch­schlags­kraft ganz oben auf die Agenda setzen. «Wir brauchen gegen Portu­gal das eine oder andere Tor», sagte er. Die Forde­rung nach Effek­ti­vi­tät in der Offen­si­ve ist ein Dauer­the­ma. Wie das im Schnell­ver­fah­ren gelin­gen soll? «Da kann man schon noch das eine oder andere angehen. Das muss man auch machen», sagte Löw. Am Donners­tag und Freitag wolle er «den Hebel ansetzen».

An der takti­schen Grund­aus­rich­tung mit Dreier­ket­te, der spiel­star­ken Zentra­le mit Kroos und Ilkay Gündo­gan und der viel disku­tier­ten Rolle von Joshua Kimmich als offen­si­vem Rechts­ver­tei­di­ger ließ Löw trotz der ersten Start­plei­te bei einer Europa­meis­ter­schaft in der DFB-Histo­rie zunächst keine Zweifel aufkommen.

Deschamps: «Zweikampf der Titanen»

«Wir haben schon viel Druck gemacht. Das war schon okay. Wir müssen vielleicht mit den Laufwe­gen noch besser werden», befand der Bundes­trai­ner. Gegen Portu­gal könnte Leon Goretz­ka nach seiner Muskel­ver­let­zung wieder eine Alter­na­ti­ve sein. «Ich denke, er wird eine gute Option sein im Laufe des Spiels», sagte Löw.

In den deutschen Grund­te­nor, dass die Nieder­la­ge nur der Stärke des Gegners und nicht eigenen Unzuläng­lich­kei­ten geschul­det war, passten die Kommen­ta­re der Franzo­sen. Trainer Didier Deschamps sprach von einem «Zweikampf der Titanen». Und sein Mittel­feld­spie­ler Paul Pogba fand: «Sie haben uns viel Ärger gemacht heute.» Löws Problem: Der eigene Ärger war letzt­lich größer.