RAVENSBURG — Nach länge­rer psychi­scher Erkran­kung zurück ins Berufs­le­ben? Welche Richtung für sie die richti­ge ist, können Teilneh­men­de des Berufs­bil­dungs­be­reichs des Zentrums für Psych­ia­trie (ZfP) am Stand­ort Weisse­nau im Rahmen des neuen Angebots „Start BBB“ ausprobieren.

Arbeit ist für die meisten Menschen ein zentra­ler Teil des Lebens. Eine sinnvol­le Beschäf­ti­gung gibt dem Tag Struk­tur, ist mit Wertschät­zung und dem zufrie­de­nen Gefühl, etwas „geschafft“ zu haben, verbun­den. Das gilt auch und ganz beson­ders für Menschen mit psychi­schen Erkran­kun­gen, die nach einem Klinik­auf­ent­halt in den Alltag zurück­keh­ren. Das Neue am Konzept „Start BBB“ im Bereich Arbeit und Reha ist der damit verbun­de­ne „Labor­cha­rak­ter“, berich­tet Dr. Markus Hoffmann, Leiter des Bereichs Arbeit und Reha, zu dem auch die Weissen­au­er Werkstät­ten für Menschen mit Behin­de­rung gehören. „Start BBB“ ist ganz bewusst nicht auf dem Klinik­ge­län­de oder in dessen unmit­tel­ba­rer Umgebung angesie­delt, sondern in der Außen­stel­le „Rebuy“ in Ravens­burg, wo früher — ebenfalls unter ZfP-Flagge — Gebrauch­tes wieder herge­rich­tet und weiter­ver­kauft wurde. Das schafft Distanz zu Klinik­all­tag und Thera­pie — und Selbst­ver­trau­en in die eigenen Fähig­kei­ten und die Zukunft. 

Im März ist die erste Gruppe mit sechs Teilneh­men­den gestar­tet. Im „Rebuy“ sollen sie sich in einer dafür geeig­ne­ten Arbeits­um­ge­bung als Gruppe entwi­ckeln können, durch persön­li­che stabi­le Bezie­hun­gen und ein breites Angebot an vielen beruf­li­chen Tätig­kei­ten optimal geför­dert werden. Diplom-Sozial­ar­bei­te­rin Ingrid Brobeil-Wolber und die pädago­gi­sche Fachkraft Michae­la Nieder­mei­er beglei­ten die Gruppe auf den ersten Schrit­ten ihrer beruf­li­chen Rehabi­li­ta­ti­on inten­siv. Ein halbes Jahr lang haben die Menschen im „Rebuy“ die Möglich­keit, verschie­de­ne Tätig­kei­ten auszuprobieren. 

Theorie und Praxis sollen dabei in einem ausge­wo­ge­nen Verhält­nis stehen. Im Werkstatt­be­reich werden prakti­sche Tätig­kei­ten in unter­schied­li­chen Schwie­rig­keits­stu­fen von einfach bis komplex erlernt. Die Teilneh­men­den erledi­gen dabei überwie­gend Arbei­ten für exter­ne Auftrag­ge­ber aus der Indus­trie: Sie montie­ren Leuch­ten, verpa­cken Waren, konfek­tio­nie­ren Kabel und Drähte, überneh­men Lager­ar­bei­ten, betreu­en Müllplät­ze oder kümmern sich um das Upcycling von Compu­tern und Laptops.

An zwei Vormit­ta­gen treffen sich Bildungs­grup­pen zu Unter­richts­ein­hei­ten im neu gestal­te­ten Schulungs­raum. Die Inhal­te sind vielfäl­tig. Abgedeckt werden zum einen rehabi­li­ta­ti­ons­spe­zi­fi­sche Themen: Wie geht man mit Frust um und wie verhält man sich in der Gruppe? Auch Einhei­ten zur Verbes­se­rung von kogni­ti­ven Fähig­kei­ten gehören dazu: Konzen­tra­ti­ons- und Merkfä­hig­keit werden trainiert, ebenso das Auffas­sungs­ver­mö­gen, Pünkt­lich­keit und Selbstän­dig­keit. Zum anderen spielen alltags­be­zo­ge­ne Aufga­ben wie das Ausfül­len von Anträ­gen, der Besuch eines Erste-Hilfe-Trainings, Betriebs­be­sich­ti­gun­gen und ein Bewer­bungs­trai­ning eine wichti­ge Rolle. 

„Arbeit hat einen wohltu­en­den Effekt bei psychi­schen Erkran­kun­gen“, sagt Dr. Markus Hoffmann. Aber sie ist auch ein Thema, mit dem sensi­bel umgegan­gen werden muss. Denn viele Menschen haben in der Vergan­gen­heit schlech­te Erfah­run­gen am Arbeits­platz gemacht. Wegen Überlas­tung, fehlen­der Anerken­nung, Stress oder Mobbing. Die beruf­li­che Rehabi­li­ta­ti­on ist deshalb immer auch eine Gratwan­de­rung und erfor­dert sehr diffe­ren­zier­te Angebo­te. Das neue Konzept „Start BBB“ steht ganz am Anfang des (Wieder-)Einstiegs in die Arbeits­welt: Es bietet eine sechs­mo­na­ti­ge Orien­tie­rungs­pha­se, danach stehen mehre­re Wege offen. „Die beruf­li­che Rehabi­li­ta­ti­on dauert in der Regel 27 Monate und wird von der Renten­ver­si­che­rung oder von der Agentur für Arbeit bezahlt“, erklärt Dr. Markus Hoffmann. In den Weissen­au­er Werkstät­ten, aber auch bei Betrie­ben, die mit dem ZfP eng zusam­men­ar­bei­ten, können Menschen mit psychi­schen Erkran­kun­gen im geschütz­ten Rahmen in verschie­de­nen Berei­chen tätig sein, das Angebot reicht von der Gärtne­rei über Indus­trie­pro­duk­ti­on bis hin zu handwerk­li­chen Berufs­bil­dern wie Schrei­ne­rei oder Drucke­rei. „Meist geht die Beschäf­ti­gung in ein dauer­haf­tes arbeit­neh­mer­ähn­li­ches Verhält­nis über“, sagt Hoffmann, „und im selte­nen Einzel­fall gelingt sogar der Wieder­ein­stieg in den allge­mei­nen Arbeitsmarkt.“