BERLIN (dpa) — Hat Ex-Verfas­sungs­schutz­chef Maaßen antise­mi­ti­sches Gedan­ken­gut verbrei­tet? Die Klima­ak­ti­vis­tin Luisa Neubau­er konkre­ti­siert nach drei Tagen ihre Vorwür­fe. Wie stich­hal­tig sind sie?

Die Klima­ak­ti­vis­tin Luisa Neubau­er hat ihre Vorwür­fe gegen den Ex-Verfas­sungs­schutz­prä­si­den­ten Hans-Georg Maaßen, antise­mi­ti­sche Inhal­te zu verbrei­ten, konkretisiert.

Sie wirft dem CDU-Bundes­tags­kan­di­da­ten vor, mindes­tens einen proble­ma­ti­schen Begriff zu verwen­den und Artikel einer Platt­form zu teilen, hinter der ein Holocaust-Leugner steht.

«Herr Maaßen hat vor allem über seinen Twitter-Account auf die Platt­form “The Unz Review” verlinkt», sagte Neubau­er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). Hinter der Platt­form steht ein Mann, der nachweis­lich den Holocaust leugnet. Der verlink­te Artikel warnt davor, dass die US-Regie­rung angeb­lich einen Feldzug gegen «inlän­di­sche Terro­ris­ten» plane. Die Meinungs­äu­ße­rung sei in Gefahr, von einem Polizei­staat ist die Rede. «Ein besorg­nis­er­re­gen­des Szena­rio» schrieb Maaßen, lösch­te den entspre­chen­den Tweet aber wieder — im Netz ist er jedoch noch in archi­vier­ter Form zu finden.

Im zweiten Teil ihrer Argumen­ta­ti­on wirft Neubau­er Maaßen vor, «unter anderem auf seinem Twitter-Profil wieder­holt proble­ma­ti­sche Begrif­fe wie “Globa­lis­ten”» zu verwen­den. Maaßen hatte Mitte Januar auf Twitter geschrie­ben: «Globa­lis­ten und Sozia­lis­ten (und Teile der Kirchen) sind in einem Punkt der gleichen Meinung: die Verach­tung der gewöhn­li­chen Menschen, ihres bürger­li­chen Lebens, ihrer Kultur und ihres Anspruchs, ihr Leben selbst bestim­men zu wollen.»

Exper­ten wie die der Bundes­zen­tra­le für politi­sche Bildung sehen in Codes wie diesem einen Türöff­ner in antise­mi­ti­sche Milieus, in denen der Mythos der «jüdischen Weltver­schwö­rung» offen verbrei­tet werde. Der Jenaer Extre­mis­mus­exper­te Matthi­as Quent hält zwar den Ausdruck «Globa­list» nicht für origi­när antise­mi­tisch, er werde aber seit Jahren in der rechts­extre­mem Szene genutzt, um etwa die Projek­ti­on einer jüdischen Weltver­schwö­rung «zu chiffrie­ren, also zu tarnen».

Diese Art der Kommu­ni­ka­ti­on funktio­nie­re nach dem Prinzip der «Dog Whist­le», also der Hunde­pfei­fe, sagt der Politik­wis­sen­schaft­ler Josef Holnbur­ger, der sich mit Antise­mi­tis­mus, Rechts­extre­mis­mus und Verschwö­rungs­er­zäh­lun­gen beschäf­tigt. «Für die meisten Menschen ist sie nicht hörbar. Aber die, die diesel­ben Chiffren nutzen, erken­nen sie — und sehen sich dadurch in ihrer Positi­on gestärkt.»

Neubau­er argumen­tiert: Als langjäh­ri­gem Präsi­den­ten des Verfas­sungs­schut­zes müssten Maaßen solche Codes bekannt sein. Inwie­weit Maaßen mit seiner Formu­lie­rung der «Globa­lis­ten» den Code bewusst oder unbewusst nutzt, war zunächst nicht erkennt­lich. Auf Nachfra­ge der Deutschen Presse-Agentur wollte er sich nicht öffent­lich zur Verwen­dung des Begriffs äußern.

Die Antise­mi­tis­mus­vor­wür­fe hatte Maaßen bereits am Montag zurück­ge­wie­sen: «Das sind für mich halt- und beleg­lo­se Behaup­tun­gen, die ich energisch zurück­wei­se.» Heutzu­ta­ge könne über alle alles gesagt werden, sagte Maaßen. «Es ist eine Verro­hung des politi­schen Diskur­ses, die man zur Kennt­nis nehmen muss.»

Neubau­er hatte dem Ex-Verfas­sungs­schutz­prä­si­den­ten am Sonntag­abend in der ARD-Sendung «Anne Will» vorge­wor­fen, Inhal­te antise­mi­ti­scher Blogs zu verbrei­ten, stell­te aber auch am Mittwoch erneut klar: «Dass Herr Maaßen selbst ein Antise­mit ist, habe ich nicht gesagt.»

CDU-Chef und Unions­kanz­ler­kan­di­dat Armin Laschet, der ebenfalls in der Talkrun­de saß, reagier­te mit Rückfra­gen auf die Äußerun­gen der Klima­ak­ti­vis­tin. Neubau­er müsse Bewei­se dafür liefern, dass Maaßen ein Antise­mit sei. Neubau­er schwieg darauf­hin am Montag und Diens­tag, erst am Mittwoch äußer­te sie sich schließ­lich gegen­über dem RND.