Warnun­gen vor einer Zuspit­zung der Corona-Lage werden lauter. Reicht da jeweils regio­na­les Gegen­steu­ern, wenn sich das Virus auf breiter Front ausbrei­tet? Bund und Länder planen das nächs­te Krisengespräch.

Bereits an diesem Mittwoch soll es dazu eine Video­kon­fe­renz mit den Minis­ter­prä­si­den­ten geben — noch vor deren turnus­mä­ßi­ger Konfe­renz am Freitag. Es gehe darum, was Bund und Länder gemein­sam tun könnten, um möglichst schnell den Trend zu brechen, sagte Regie­rungs­spre­cher Steffen Seibert am Montag. Allen sei bewusst, «dass dabei jeder Tag zählt». Auch unter den Ländern rückt ein bundes­weit enger abgestimm­tes Vorge­hen in den Blick. Die CDU verschiebt ihren für Dezem­ber geplan­ten Partei­tag ins neue Jahr.

Seibert sprach von einem «drasti­schen Anstieg» der Neuin­fek­tio­nen und einer «sich zuspit­zen­den ernst­haf­ten Lage». In zahlrei­chen Kommu­nen sei ein Nachver­fol­gen der Kontakt­per­so­nen jedes einzel­nen Infizier­ten nicht mehr möglich, da die Zahlen einfach zu hoch seien. Wie das Robert Koch-Insti­tut (RKI) am Montag­mor­gen mitteil­te, melde­ten die Gesund­heits­äm­ter 8685 Neuin­fek­tio­nen binnen eines Tages — etwa doppelt so viele wie am Montag vor einer Woche mit 4325. Dabei sind die Zahlen sonntags und montags niedri­ger, auch weil an Wochen­en­den weniger getes­tet wird. Am Samstag war mit 14 714 Neuin­fek­tio­nen ein Höchst­wert seit Beginn der Pande­mie in Deutsch­land erreicht worden.

Merkel hatte am Wochen­en­de nochmals eindring­lich an alle Bürger appel­liert, Kontak­te generell zu reduzie­ren. Am Montag mahnte sie nach Infor­ma­tio­nen der «Bild» auch in den CDU-Gremi­en, der Anstieg der Infek­tio­nen müsse dringend gestoppt werden. Die Situa­ti­on sei «hochdy­na­misch» und «drama­tisch». Deutsch­land könne bald in eine «schwie­ri­ge Lage» bei Inten­siv­bet­ten in den Klini­ken kommen. Auch Kanzler­amts­chef Helge Braun (CDU) äußer­te sich nach Infor­ma­tio­nen der Deutschen Presse-Agentur in den CDU-Beratun­gen sehr skeptisch. Die Zahlen stiegen zu schnell, machte er laut Teilneh­mer­krei­sen deutlich.

Merkel und die Minis­ter­prä­si­den­ten hatten zuletzt am 14. Oktober gemein­sam beraten und einige zusätz­li­che Maßnah­men vor allem für regio­na­le Corona-Hochbur­gen verein­bart. Die Kanzle­rin hatte damals bereits deutlich gemacht, dass nach etwa zehn Tagen zu sehen sei, «ob neue weite­re Schrit­te notwen­dig sind oder ob die beschlos­se­nen Schrit­te bereits ausge­reicht haben». Zu denkba­ren zusätz­li­chen Maßnah­men äußer­te sich die Bundes­re­gie­rung vorab zunächst nicht.

Hamburgs Erster Bürger­meis­ter Peter Tschent­scher (SPD) sagte in der ARD, bisher habe man regio­nal Maßnah­men bestimmt, wie es zum Infek­ti­ons­ge­sche­hen passe. «Aber jetzt sind wir in der Tat in einer Lage, in der in ganz Deutsch­land die Zahlen steigen. Und deswe­gen ist es gut, dass wir auch noch mal bundes­weit auf die Regeln gucken und überle­gen, ob es noch weite­re Maßnah­men geben muss.» Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU) sagte in München: «Ich glaube schon, dass es ziemlich ernst jetzt ist, und dass sich alle nochmal klarma­chen müssen, um was es geht.» Er sagte mit Blick auf die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz: «Das ist die Entscheidungswoche.»

Saar-Regie­rungs­chef Tobias Hans (CDU) sagte im Deutsch­land­funk, er glaube nicht, «dass wir noch mal eine Lockdown-Situa­ti­on brauchen oder bekom­men werden wie im Frühjahr». Das gelin­ge aber nur, «wenn wir jetzt konzer­tiert als Bundes­län­der mit dem Bund zusam­men klare Maßstä­be, die für jeden trans­pa­rent sind, festle­gen». Es habe keinen Sinn, wegen hoher Neuin­fek­ti­ons­zahl-Zahlen in einem saarlän­di­schen Kreis einen sächsi­schen Kreis in den Still­stand zu bringen. Es solle aber jeder nachschau­en können: «Ist dieser Landkreis rot, gelb oder grün?» — und Sicher­heit haben, dass jeweils gleiche Maßnah­men gelten.

Angesichts der zugespitz­ten Lage verschiebt die CDU ihren für den 4. Dezem­ber in Stutt­gart geplan­ten Partei­tag mit 1001 Delegier­ten zur Wahl eines neuen Vorsit­zen­den ins nächs­te Jahr. Der Partei­tag solle dann idealer­wei­se in Präsenz statt­fin­den, teilte General­se­kre­tär Paul Ziemi­ak mit. Sei dies nicht möglich, solle ein digita­ler Partei­tag abgehal­ten werden. Die Linke wollte am Diens­tag­abend entschei­den, ob ihr am Freitag in Erfurt geplan­ter Partei­tag abgesagt werden muss.

In acht Ländern begann nach den Herbst­fe­ri­en am Montag die Schule. Corona-Aufla­gen gelten vieler­orts weiter oder wurden verschärft. So müssen in Berlin Schüler der Oberstu­fe sowie aller Berufs­schu­len und Oberstu­fen­zen­tren auch im Unter­richt Maske tragen. Grünen-Chef Robert Habeck forder­te ein beson­de­res Augen­merk darauf, Schul­schlie­ßun­gen zu verhin­dern. Dazu beitra­gen könnten Luftrei­ni­gungs­an­la­gen in den Schulen. «Das hätte schon längst passie­ren müssen.»

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach sprach sich in der «Passau­er Neuen Presse» (Montag) für einen «sehr kurzen, zeitlich eng begrenz­ten Teil-Lockdown» aus. «Weniger Freun­de treffen, weniger Restau­rant­be­su­che, weniger ins Kino und zu Sport­ver­an­stal­tun­gen gehen.» In Nordrhein-Westfa­len bestä­tig­te das Oberver­wal­tungs­ge­richt Münster am Montag Sperr­stun­den für Gaststät­ten in Risiko­ge­bie­ten mit hohen Infek­ti­ons­zah­len. Das Verbot des Alkohol­ver­kaufs zwischen 23.00 und 6.00 Uhr diene dem legiti­men Zweck, die Weiter­ver­brei­tung des Corona­vi­rus zu verlang­sa­men. (Az.: 13 B 1581/20.NE).

Wegen stark gestie­ge­ner Corona-Zahlen gelten nun auch im bayeri­schen Landkreis Rottal-Inn ab Diens­tag strik­te Ausgangs­be­schrän­kun­gen. Schulen und Kinder­gär­ten werden geschlos­sen und Veran­stal­tun­gen abgesagt, wie es in einer Mittei­lung heißt. Vergan­ge­ne Woche wurden im Landkreis Berch­tes­ga­de­ner Land ähnli­che Beschrän­kun­gen verhängt.