Deutli­cher könnten die Zahlen kaum sein: Die dritte Welle rollt, und das immer rasan­ter. Vor der nächs­ten Bund-Länder-Beratung zur Corona-Krise ist von Öffnun­gen kaum noch die Rede.

Angesichts stark steigen­der Corona-Infek­ti­ons­zah­len deuten sich wieder schär­fe­re Alltags­be­schrän­kun­gen an. Hamburg zog am Freitag schon die von Bund und Ländern verein­bar­te «Notbrem­se» und macht Öffnun­gen rückgän­gig, die erst Anfang vergan­ge­ner Woche ermög­licht worden waren.

Kurz vor den nächs­ten Beratun­gen von Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) und den Minis­ter­prä­si­den­ten an diesem Montag kündig­te auch Baden-Württem­berg Verschär­fun­gen an. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) sagte: «Wir befin­den uns in der dritten Welle der Pande­mie, die Zahlen steigen, der Anteil der Mutatio­nen ist groß.» Die kriti­sche Entwick­lung sei allein durch Impfen nicht zu stoppen.

«Alle Szena­ri­en, die wir sehen, laufen im Moment darauf hinaus, dass sich die Inten­siv­sta­tio­nen wieder sehr stark füllen», sagte Spahn. Die steigen­den Infek­ti­ons­zah­len könnten bedeu­ten, dass es vielleicht keine weite­ren Öffnungs­schrit­te geben könne, sondern «sogar Schrit­te rückwärts» nötig würden. Der Vizeprä­si­dent des Robert-Koch-Insti­tuts (RKI), Lars Schaa­de, sagte: «Das Infek­ti­ons­ge­sche­hen gewinnt an Dynamik.» Eine Verschlim­me­rung der Lage um Ostern, vergleich­bar mit der Zeit vor Weihnach­ten, sei gut möglich. Der Anstieg der Fallzah­len sei real und nicht mit inzwi­schen mehr Schnell­tests zu erklären.

Bundes­weit stieg die Zahl der gemel­de­ten Neuin­fek­tio­nen pro 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen nun auf 96, wie das RKI am Freitag bekannt gab — am Donners­tag hatte diese Sieben-Tage-Inzidenz bei 90 gelegen. Es gibt aber weiter­hin starke regio­na­le Unter­schie­de — von jetzt 56 im Saarland bis 187 in Thürin­gen. Der SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach sprach vom Beginn einer «fulmi­nan­ten dritten Welle» und forder­te: «Man kann es drehen und wenden wie man will, wir müssen zurück in den Lockdown.» Je früher man reagie­re, desto kürzer müsse er sein, um wieder auf eine beherrsch­ba­re Fallzahl zu kommen.

Hamburgs Erster Bürger­meis­ter Peter Tschent­scher (SPD) sagte: «Ich befürch­te, dass sich die Lage weiter verschlech­tert. Wir sind in einer starken dritten Welle.» In der Hanse­stadt sollen gemäß der «Notbrem­se» ab diesem Samstag wieder die Regeln von vor dem 8. März gelten. Priva­te Kontak­te müssen sich auf eine Person außer­halb des eigenen Hausstan­des beschrän­ken. Kinder bis 14 Jahre sollen diesmal nicht mitge­zählt werden. Die «Notbrem­se» sieht vor, Öffnun­gen wieder zurück­zu­neh­men, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder einem Land an drei aufein­an­der folgen­den Tagen auf über 100 steigt.

Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) sagte vor den erneu­ten Bund-Länder-Beratun­gen: «Damit muss man rechnen, dass Dinge zurück­ge­nom­men und verschärft werden.» Angesichts vieler Anste­ckun­gen in Kitas und Schulen könne es zudem sein, «dass wir da auch was ändern müssen». Thürin­gens Minis­ter­prä­si­den­ten Bodo Ramelow (Linke) sagte der dpa: «Ohne Kontakt­nach­ver­fol­gung und ohne Testen bin ich nicht fürs Öffnen, da bin ich für gar nichts.»

Die Schulen sollen nach dem Willen der Kultus­mi­nis­ter der Länder so lange wie möglich offen­ge­hal­ten werden. Dabei sollten Lehrkräf­te im Präsenz­un­ter­richt zugleich Vorrang beim Impfen bekom­men. Auf diese Positi­on verstän­dig­te sich die Kultus­mi­nis­ter­kon­fe­renz (KMK) in einem am Freitag veröf­fent­lich­ten Beschluss. Für Kinder und Jugend­li­che sei der Schul­be­such für ihre weite­re Bildungs­bio­gra­fie von entschei­den­der Bedeu­tung, sagte KMK-Präsi­den­tin Britta Ernst (SPD) aus Branden­burg. Seit Febru­ar wird an den meisten Grund­schu­len in Deutsch­land wieder unter­rich­tet. Zuletzt waren je nach Land auch ältere Jahrgän­ge zumin­dest im Wechsel­be­trieb zurück­ge­kehrt. Regio­nal sind Schulen wegen hoher Corona-Zahlen aber auch schon geschlossen.