Einige Zehntau­send Parkplät­ze für Lastwa­gen fehlen im Moment in Deutsch­land. Das führt mitun­ter zu lebens­ge­fähr­li­chen Situa­tio­nen. Immer mehr Firmen bieten nun Hilfe an. Das soll die Zahl der Unfäl­le senken, aber noch weite­re positi­ve Neben­ef­fek­te haben.

«Das größte Problem ist das Parken», sagt der Lkw-Fahrer. «Das ist das Grauen eines jeden Fernfah­rers, weil du genau weißt, du kriegst keinen Parkplatz.» Er schil­dert seine Erfah­run­gen in einem Video von Kravag Truck Parking — Erfah­run­gen, die wohl jeder Kolle­ge, jede Kolle­gin schon mehrfach gemacht hat. Die Folgen sind nicht nur für die Betrof­fe­nen relevant, die Lenkzei­ten einhal­ten müssen: Gestress­te oder übermü­de­te Fahrer verur­sa­chen leich­ter Unfäl­le. Und wild abgestell­te Lkw sind ebenfalls ein Risiko.

Parkplatz­not ist für die Branche seit Jahren ein großes Problem. In Zahlen ausge­drückt: Im vergan­ge­nen Jahr gab es nach Daten des Kraft­fahrt-Bundes­amts fast 3,3 Millio­nen Lastwa­gen in Deutsch­land (Stand 1. Januar) — im Vergleich zum Vorjahr vier Prozent mehr. Laut Kravag Truck Parking fehlen pro Nacht mehr als 20 000 Parkplät­ze an den deutschen Autobah­nen. Prof. Dirk Engel­hardt, Vorstands­spre­cher des Bundes­ver­bands Güter­kraft­ver­kehr Logis­tik und Entsor­gung (BGL), geht sogar von 30 000 bis 35 000 aus. Die vorhan­de­nen Parkplät­ze seien mit in der Spitze bis zu 290 Prozent deutlich überlas­tet. «Die Fahrzeu­ge stehen dann kreuz und quer.»

Ein Ansatz zur Lösung ist, dass Firmen ihre Gelän­de als Stell­flä­che anbie­ten. Das Verkehrs­mi­nis­te­ri­um Baden-Württem­berg zum Beispiel hat bei einer Umfra­ge unter Unter­neh­men und Privat­leu­ten acht mögli­che Flächen im Land ausge­macht, die zu Stell­plät­zen werden könnten. Bei einem Gespräch mit dem Bundes­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um solle die neue Autobahn GmbH noch im Januar mögli­che Pilot­pro­jek­te übernehmen.

Das Bundes­mi­nis­te­ri­um hatte jüngst Pläne veröf­fent­licht, wonach der Bau neuer Lkw-Parkplät­ze an Autobah­nen vor allem durch priva­te Inves­to­ren über vier Jahre mit insge­samt 90 Millio­nen Euro geför­dert werden soll. Ziel ist ein Förder­start noch im ersten Halbjahr 2021.

Das Modell gibt es auch schon: Betrie­be bieten ihr Areal anderen Unter­neh­men an, die ihre Lkw dort nachts abstel­len können. Ein junger Anbie­ter für die Vermitt­lung ist Kravag Truck Parking, ein Projekt der Wiesba­de­ner R+V Versi­che­rung. Seit Juni können Fahrer oder ihre Arbeit­ge­ber per App Parkplät­ze reser­vie­ren, wie Co-Projekt­lei­ter Tim Baumeis­ter erklärt. Sieben Euro koste ein Platz — davon gingen fünf an das Unter­neh­men, das den Parkplatz anbie­tet, und zwei an Kravag fürs Vermit­teln. Knapp 30 Stand­or­te gibt es schon, über 200 sollen es werden. Noch gebe es zwar nicht jede Nacht etliche Buchun­gen, sagte Baumeis­ter. «Aber es ist im Werden. Der Markt entwi­ckelt sich.»

Ein anderer Anbie­ter ist Bosch Secure Truck Parking mit einem Netzwerk aus rund 50 Lkw-Plätzen in Deutsch­land, Öster­reich, Belgi­en, Frank­reich, Luxem­burg und den Nieder­lan­den. «Die nächs­ten Markt­ein­trit­te werden in Ost- und Südeu­ro­pa statt­fin­den», teilte eine Spreche­rin mit. Parkarea­le in guter Lage — also nahe der Autobahn — und stark frequen­tier­ten Gebie­ten hätten eine hohe Auslastung.

Hier lege der Grund­stücks­ei­gen­tü­mer den Preis fest, erläu­tert die Spreche­rin. In Deutsch­land reiche der Tages­satz von 5 bis zu 30 Euro bei Hochsi­cher­heits­area­len. Bosch Service Soluti­ons biete den Firmen an, die Gelän­de mit Sicher­heits­tech­nik wie Schran­ke, Umzäu­nung und Video­über­wa­chung samt virtu­el­len Wächter­rund­gän­gen auszurüsten.

Beide Anbie­ter stellen sicher, dass zum Beispiel Sanitär­an­la­gen vorhan­den sind. Auch ein Einzel­han­dels­ge­schäft soll in erreich­ba­rer Nähe oder ein Liefer­ser­vice verfüg­bar sein, sagte Baumeis­ter von Kravag. «Lkw-Fahrer sind dann nicht auf Selbst­ver­sor­gung mit dem Gasko­cher angewie­sen.» Das ist aus Sicht des Verbands BGL auch wichtig, um den Beruf des Fernfah­rers attrak­tiv zu halten. In Deutsch­land fehlten um die 16 000 Fahrer, sagte Engel­hardt. Proble­me gebe es inzwi­schen aber auch in Polen, Rumäni­en und Bulga­ri­en. «Wenn sich nichts ändert, dann steuern wir auf einen Verkehrs­kol­laps zu», sagte Engel­hardt. Der BGL unter­stützt daher Kravag Truck Parking.

Dass sich die R+V Versi­che­rung bei dem Thema engagiert, erklärt Baumeis­ter mit der Tochter­ge­sell­schaft Kravag, die große Teile der Logis­tik­bran­che versi­che­re. Hieraus resul­tier­ten Know-how und Kontak­te. Zudem habe das Projekt auch für die Versi­che­rung Vortei­le: Wenn Fernfah­rer planbar wüssten, wo sie parken können, müssten sie nicht stunden­lang suchen, gerie­ten nicht in Stress. «Wenn Sie einen ausge­schla­fe­nen Fahrer haben, ist das Unfall­ri­si­ko natür­lich gerin­ger — für ihn selbst, aber auch für alle anderen Verkehrs­teil­neh­mer», sagte Baumeis­ter in Bezug etwa auf Auffahr­un­fäl­le an Stau-Enden.

Neue Stell­plät­ze zu errich­ten, kostet laut BGL-Exper­te Engel­hardt im Schnitt 50 000 bis 60 000 Euro. Ein vorhan­de­nes Betriebs­ge­län­de aufzu­rüs­ten sei mit rund 21 000 Euro deutlich günsti­ger. Das Ganze sei auch vor dem Hinter­grund wichtig, dass die Bahn derzeit gar nicht in der Lage sei, alle Güter zu trans­por­tie­ren — was sich angesichts des Kaufver­hal­tens der Menschen auch nicht alsbald ändern werde. «Wollen wir uns dieses Konsum­ver­hal­ten weiter leisten, müssen wir uns als Bundes­re­pu­blik zum Lastwa­gen beken­nen.» Jedoch schei­ter­ten die Parkplatz-Vorha­ben weniger an Inves­ti­tio­nen, so Engel­hardt. Vielmehr wehrten sich immer wieder Bürger­initia­ti­ven gegen solche Projekte.

Kaum begeis­tert klingt auch der Verband Spedi­ti­on und Logis­tik Baden-Württem­berg. Manche mögli­che Flächen lägen abseits stark genutz­ter Routen, erklär­te Geschäfts­füh­rer Andrea Maron­giu. «Auch die Idee, auf bestehen­den Spedi­ti­ons­hö­fen Parkplät­ze zu schaf­fen nach der Idee «Airbnb für Lkw-Parkplät­ze», stößt bei den Betrei­bern aus Sicher­heits- und hygie­ni­schen Gründen auf wenig Gegenliebe.»

Gut läuft es nach seiner Einschät­zung nahezu nirgends in der Republik — «mit Ausnah­men des Nordos­ten und Nordwes­ten, Regio­nen außer­halb der Haupt­rou­ten». Schwie­rig sei die Situa­ti­on beson­ders in Bayern, Baden-Württem­berg, Nordrhein-Westfa­len und Hessen.