BERLIN (dpa) — Wenn Extre­mis­ten qua Beruf Zugang zu sensi­blen Daten und Waffen haben, ist das proble­ma­tisch. Jetzt legt Innen­mi­nis­te­rin Faeser einen neuen Bericht zu Rechts­extre­mis­ten in den Sicher­heits­be­hör­den vor.

Unter den Bediens­te­ten der Sicher­heits­be­hör­den von Bund und Ländern sind inner­halb von drei Jahren 327 Mitar­bei­ter aufge­fal­len, die Bezüge zum Rechts­extre­mis­mus oder zur Szene der sogenann­ten Reichs­bür­ger und Selbst­ver­wal­ter haben.

Das geht aus dem zweiten Lagebe­richt zu «Rechts­extre­mis­ten in den Sicher­heits­be­hör­den» hervor, den das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um am Freitag in Berlin veröf­fent­licht. Der Bericht betrach­tet den Zeitraum vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2021. Beobach­tet wurde bei den auffäl­li­gen Mitar­bei­tern beispiels­wei­se die Teilnah­me an extre­mis­ti­schen Veran­stal­tun­gen, Kontak­te zu extre­mis­ti­schen Partei­en oder «Heil-Hitler»-Rufe.

Keine Hinwei­se auf überre­gio­na­les Netzwerk

Auch wenn einige Akteu­re gemein­sam in Chatgrup­pen aktiv waren, in denen rechts­extre­mis­ti­sche Inhal­te geteilt wurden, liefert der Bericht keine Hinwei­se auf ein überre­gio­na­les Netzwerk von Extre­mis­ten aus verschie­de­nen Sicher­heits­be­hör­den. Was dem Verfas­sungs­schutz, der die Infor­ma­tio­nen zusam­men­ge­tra­gen hat, aller­dings auffiel, sind die zahlrei­chen Verbin­dun­gen der als Rechts­extre­mis­ten einge­stuf­ten Mitar­bei­ter zu extre­mis­ti­schen Akteu­ren und Partei­en sowie zu Organi­sa­tio­nen der Hooli­gan- und Kampf­sport­sze­ne, die dem «subkul­tu­rel­len Rechts­extre­mis­mus» zugerech­net werden.

Den Angaben zufol­ge waren im Erhebungs­zeit­raum die Aktivi­tä­ten von insge­samt 860 Bediens­te­ten betrach­tet worden. In 38 Prozent der bewer­te­ten Fälle lagen laut Bericht die Voraus­set­zun­gen für eine weite­re nachrich­ten­dienst­li­che Bearbei­tung vor.

Im Geschäfts­be­reich des Militä­ri­schen Abschirm­diens­tes, der rund 242.000 Solda­ten der Bundes­wehr und Zivil­be­schäf­tig­te umfasst, wurden 83 Rechts­extre­mis­ten festge­stellt. Bei der Bundes­po­li­zei mit ihren heute mehr als 54.000 Mitar­bei­tern fielen 18 Rechts­extre­mis­ten auf. Beim Zoll waren es laut Bericht vier rechts­extre­mis­ti­sche Mitar­bei­ter, beim Bundes­kri­mi­nal­amt zwei, beim Bundes­amt für Verfas­sungs­schutz, dem Bundes­nach­rich­ten­dienst und der Bundes­tags­po­li­zei war es jeweils ein Mitarbeiter.

Hinzu kommen insge­samt 30 Verdachts­fäl­le und erwie­se­ne Extre­mis­mus­fäl­le von Bediens­te­ten der Sicher­heits­be­hör­den des Bundes, die der Szene der «Reichs­bür­ger» und Selbst­ver­wal­ter zugerech­net werden. Die sogenann­ten Reichs­bür­ger und Selbst­ver­wal­ter zweifeln die Legiti­mi­tät der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Die Sicher­heits­be­hör­den rechne­ten der Szene zuletzt rund 19.000 Menschen zu.

Ausgangs­punkt war Franco A.

In der zurück­lie­gen­den Wahlpe­ri­ode hatte sich auch das Parla­men­ta­ri­sche Kontroll­gre­mi­um des Bundes­tags inten­siv mit Rechts­extre­mis­ten in den Sicher­heits­be­hör­den beschäf­tigt. Ausgangs­punkt war der Fall des Bundes­wehr­of­fi­ziers Franco A.. Die Bundes­an­walt­schaft wirft ihm vor, Anschlä­ge auf Politi­ker geplant zu haben.

Franco A. hatte sich eine falsche Identi­tät als syrischer Flücht­ling zugelegt — aus Sicht der Anklä­ger, um nach einem Anschlag den Verdacht auf Flücht­lin­ge zu lenken und damit das Vertrau­en in die Asylpo­li­tik zu erschüt­tern. A. war 2017 auf dem Wiener Flugha­fen festge­nom­men worden, als er eine gelade­ne Pisto­le aus einem Versteck in einer Flugha­fen­toi­let­te holen wollte. Was er mit der Waffe plante, ist noch nicht bekannt. Der Prozess gegen ihn ist noch nicht abgeschlossen.

Im bevöl­ke­rungs­reichs­ten Bundes­land Nordrhein-Westfa­len wurden im betrach­te­ten Zeitraum laut Bericht 179 Sachver­hal­te unter­sucht, bei denen ein Verdacht auf Rechts­extre­mis­mus bestand. In Berlin waren es 74 Fälle. Auf Platz drei lag Hessen mit 60 überprüf­ten Sachver­hal­ten. In Bayern waren es 38. In Sachsen gab es 26 Prüf‑, Verdachts- und erwie­se­nen Fälle von Rechtsextremismus.

Aller­dings bilden diese Zahlen nicht nur den Umfang des Phäno­mens in den Sicher­heits­be­hör­den des jewei­li­gen Bundes­lan­des ab, sondern auch das Problem­be­wusst­sein, das vor Ort herrscht. Mit anderen Worten: Wo Vorge­setz­te eher wegschau­en oder rechts­extre­me Vorfäl­le verharm­lo­sen, gibt es automa­tisch weniger Verdachtsfälle.