NEW YORK/BERLIN (dpa) — Exper­ten wie der ameri­ka­ni­sche Psycho­lo­ge Adam Grant warnen vor der in der Pande­mie zuneh­men­den Ermat­tung als Lebensgefühl.

In der angel­säch­si­schen Welt werden Phäno­me­ne oft früher benannt als in der deutsch­spra­chi­gen. Voriges Jahr lag in den USA und Großbri­tan­ni­en die «Reven­ge Bedti­me Procras­ti­na­ti­on» als Begriff im Trend — also die Angewohn­heit, etwa wegen zu viel Smart­phone-Guckens zu spät schla­fen zu gehen, auf Deutsch vielleicht am besten als Bettgeh-Aufschie­be­ri­tis aus Rache am Leben beschrieben.

Nun entdeck­te die «New York Times» die Mattheit, das Dahin­düm­peln oder «Langu­is­hing», als eine Art Gefühl des Jahres 2021. Der auch ins Deutsche übersetz­te Psycho­lo­ge Adam Grant («Geben und Nehmen: Warum Egois­ten nicht immer gewin­nen und hilfs­be­rei­te Menschen weiter­kom­men») schrieb in einem «NYT»-Artikel: Die geisti­ge Ermat­tung sei in der Corona-Pande­mie mit ihren Belas­tun­gen und Einschrän­kun­gen sozusa­gen die Leerstel­le zwischen Depres­si­on und Eupho­rie — die Abwesen­heit des grund­sätz­li­chen Wohlfühlens.

Man habe zwar keine echten Sympto­me einer psychi­schen Erkran­kung, aber eben auch nicht alle Anzei­chen für totale psychi­sche Gesund­heit. Man funktio­nie­re nicht mit voller Kapazi­tät, könne sich kaum motivie­ren und konzen­trie­ren — und laufe dabei Gefahr, abzurut­schen und womög­lich im Kopf ernst­haf­ter krank zu werden, so der Autor.

Grant empfiehlt, dieses Phäno­men zu benen­nen und damit weniger gefähr­lich für den Betrof­fe­nen selbst und die Gesell­schaft zu machen. Für viele deutsche Leser dürfte sein Tipp, ehrlich statt aufge­setzt positiv zu sein, kaum verständ­lich sein, denn hierzu­lan­de schei­nen Meckern und schlech­te Laune und zu viel Ehrlich­keit in Gesprä­chen eh Standard zu sein. Grant meint aber, man solle auf die Small­talk-Formel «Wie geht’s?» (How are you?) nicht zu standar­di­siert mit «Great!» oder «Fine» antwor­ten — sondern ruhig mal sagen, dass man ermat­tet sei.