AMSTERDAM (dpa) — Shoppen und ein Bierchen in der Sonne: Die Nieder­län­der machen einen großen Schritt zurück zur Norma­li­tät. Doch Ärzte und Virolo­gen warnen: Das kann schiefgehen.

Trotz anhal­tend hoher Infek­ti­ons­zah­len und eines starken Drucks auf die Kranken­häu­ser haben die Nieder­lan­de nach gut vier Monaten den stren­gen Lockdown gelockert und einen großen Schritt zurück zur Norma­li­tät gemacht.

Die Geschäf­te durften am Mittwoch wieder Kunden empfan­gen — ohne vorhe­ri­gen Termin. Seit 12.00 Uhr bedien­ten auch wieder Cafés und Restau­rants Gäste im Außen­be­reich. Auch die unpopu­lä­re abend­li­che Ausgangs­sper­re wurde abgeschafft.

Während die meisten Nieder­län­der jubel­ten, warnten aber Medizi­ner und Virolo­gen vor negati­ven Folgen. Am Mittwoch war die Infek­ti­ons­ra­te erneut gestie­gen; sie ist jetzt etwa doppelt so hoch wie in Deutschland.

Bei strah­lend blauem Himmel und Frühlings­tem­pe­ra­tu­ren füllten sich die Innen­städ­te von Amster­dam, Rotter­dam, Utrecht und Den Haag schnell. Vor Kaufhäu­sern, Bouti­quen und Möbel­lä­den bilde­ten sich lange Warte­schlan­gen. Denn Geschäf­te dürfen nicht unein­ge­schränkt Kunden zulas­sen, der 1,5 Meter Abstand muss einge­hal­ten werden.

Um Punkt 12 Uhr öffne­ten dann auch die Gaststät­ten ihre Terras­sen. Auf dem Vrijthof im Zentrum von Maastricht jubel­ten und sangen die Leute und es wurde Konfet­ti verstreut. «Es ist voll», sagte eine Kellne­rin im Radio, «Aber super-gesel­lig.» Seit mehr als sechs Monaten sind Gaststät­ten geschlos­sen. «Das ist doch endlich wieder mehr Freiheit», sagten zwei Freun­din­nen in Utrecht dem TV-Sender NOS.

Die Regie­rung hatte die Locke­run­gen beschlos­sen, obwohl die wissen­schaft­li­chen Berater dringend davon abgera­ten hatten. Denn die Infek­ti­ons­zah­len sind hoch und der Druck auf Kranken­häu­ser ist groß. Ärzte warnten vor einem Notzu­stand in den Klini­ken. Es sei ein «kalku­lier­tes Risiko», erklär­te der geschäfts­füh­ren­de Minis­ter­prä­si­dent Mark Rutte. Die Regie­rung rechnet damit, dass der Druck durch schnel­le Impfun­gen abneh­men werde. Mehr als fünf Millio­nen Bürger wurden bereits mit mindes­tens einer Dosis geimpft, das sind etwa 30 Prozent der Erwachsenen.

Cafés und Restau­rants dürfen im Außen­be­reich unter Aufla­gen bis 18.00 Uhr Kunden bedie­nen. Die Öffnung der «terras­jes» (Terras­sen) ist für den Gaststät­ten­ver­band «ein kleiner Licht­blick». Doch für viele Wirte rentie­re sich die einge­schränk­te Öffnung nicht, sagte ein Sprecher. So dürfen an einem Tisch nur zwei Perso­nen sitzen.

Zu Hause dürfen Bürger statt bisher eine Person zwei Gäste am Tag empfan­gen. Und auch Studen­ten bekom­men zumin­dest einen Tag in der Woche wieder Präsenzunterricht.

Weiter­hin verbo­ten sind aber alle Veran­stal­tun­gen mit Publi­kum wie Sport­wett­kämp­fe, Museen, Theater, Kinos. Es gilt auch Masken­pflicht in öffent­li­chen Gebäuden.

Die Nieder­lan­de bleiben weiter­hin ein Hochin­zi­denz­land mit 317 Infek­tio­nen auf 100.000 Einwoh­ner in sieben Tagen. Das heißt, dass jeder nach einem Aufent­halt im Nachbar­land nach wie vor nur mit einem negati­ven, maximal 48 Stunden alten Covid-Test nach Deutsch­land einrei­sen darf. In Nieder­sach­sen gilt auch eine Quaran­tä­ne­pflicht. Ausnah­me­re­ge­lun­gen gibt es aller­dings für Pendler.

Für deutsche Urlau­ber oder Tages­be­su­cher gibt es auch keine Entwar­nung. Politi­ker aus Nieder­sach­sen, Nordrhein-Westfa­len und Belgi­en riefen ihre Bürger dringend dazu auf, auch nicht zu einer Stipp­vi­si­te über die Grenze zu fahren.