FRIEDRICHSHAFEN — Aus der Sitzung des Kreis­tags Ravens­burg wurde am Donners­tag berich­tet, dass Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha sich überaus kritisch zur Kranken­haus­land­schaft Boden­see-Oberschwa­ben geäußert habe. Außer­dem habe der Minis­ter seine eigene Vision zu Fusio­nen, Schlie­ßun­gen und Spezia­li­sie­run­gen präsen­tiert. In Fried­richs­ha­fen ist man höchst irritiert über das Vorge­hen, die Aussa­gen und die Wortwahl.

Fried­richs­ha­fens Oberbür­ger­meis­ter Andre­as Brand, zugleich Vorsit­zen­der des Aufsichts­rats Klini­kum Fried­richs­ha­fen, und Franz Klöck­ner, Geschäfts­füh­rer des Medizin Campus Boden­see mit Klini­kum Fried­richs­ha­fen und Klinik Tettnang wurden am Donners­tag­abend unter anderem über Medien­ver­tre­ter über die Aussa­gen des Minis­ters infor­miert. „Es ist schon ungewöhn­lich, dass die Vorstel­lun­gen des Minis­ters über unsere Klini­ken im Kreis­tag Ravens­burg vorge­stellt werden, das löst bei uns durch­aus großes Befrem­den aus – sowohl über Inhalt, Stil als auch Ton“, betont OB Brand. „Wir gehen davon aus, dass sich Minis­ter Lucha, der erst vor wenigen Tagen im Klini­kum Fried­richs­ha­fen zu Gast war, sehr bald auch vor unseren Gremi­en konkret und sachlich zu seinen Plänen äußern wird. Dazu habe ich ihn einge­la­den.“ Auch für Klöck­ner waren die Ideen zu Fried­richs­ha­fen und Tettnang neu: „Bisher liegen uns keine offizi­el­len Stellung­nah­men oder konkre­te Überle­gun­gen des Minis­te­ri­ums vor.“

Ohne Grund­la­ge: MCB-Verbund als Teil der OSK

Insbe­son­de­re die Aussa­ge des Minis­ters, dass der Klinik­ver­bund Medizin Campus Boden­see (MCB) mit den Klini­ken Fried­richs­ha­fen und Tettnang Teil des Oberschwa­ben­kli­nik-Verbunds (OSK) werden solle, ist für beide nicht nachvoll­zieh­bar. Falsch sei, dass OSK und MCB seit Monaten hinter verschlos­se­nen Türen über eine Fusion verhan­deln würden. Richtig ist, dass sich die Aufsichts­rä­te beider Häuser zu einer gemein­sa­men Sitzung im Juli 2021 in Weingar­ten getrof­fen haben. Es war das erste gemein­sa­me Treffen beider Gesell­schaf­ten. Konkret wurde dabei beschlos­sen, eine gemein­sa­me, zentra­le Steril­gut-Aufbe­rei­tung zu planen und zu bauen. Auf der Ebene der Geschäfts­füh­run­gen beider Häuser wurde dieses Projekt entwurfs­reif vorbe­rei­tet. Die zentra­le Steril­gut-Aufbe­rei­tung soll am Klini­kum Fried­richs­ha­fen gebaut werden. Das Gesund­heits- und Sozial­mi­nis­te­ri­um ist in die Planun­gen konkret einge­bun­den und betei­ligt. Die Zuschuss­an­trä­ge für dieses gemein­sa­me Projekt liegen dem Gesund­heits­mi­nis­ter seit Oktober 2021 vor.

Dass die beiden Verbün­de zusam­men­ar­bei­ten, sei also kein Geheim­nis: MCB und OSK sind zudem beide Gesell­schaf­ter der Gesund­heits­aka­de­mie Boden­see-Oberschwa­ben. Aller­dings gebe es weder auf politi­scher Ebene, auf Ebene der Gesell­schaf­ter oder der Geschäfts­füh­run­gen Gesprä­che darüber, dass MCB und OSK unter dem Dach des OSK-Kranken­haus­ver­bun­des im Landkreis Ravens­burg vereint werden sollen. 

Klinik Tettnang mit Landes­mit­teln modernisiert

Auch die Aussa­ge Luchas, die Klinik Tettnang solle geschlos­sen werden, stößt auf Unver­ständ­nis: Die Klinik Tettnang ist ein Kranken­haus der Grund- und Regel­ver­sor­gung und als solches im Kranken­haus-Bedarfs­plan des Landes Baden-Württem­berg veran­kert. „Die Klinik Tettnang ist seit mehr als 50 Jahren eine verläss­li­che Größe in der Kranken­haus­land­schaft: Die Geburts­hil­fe, die zerti­fi­zier­ten Zentren der Klinik und nicht zuletzt der neue OP, den das Land mit mehr als 4,5 Millio­nen Euro geför­dert hat und der vor einem Jahr in Betrieb ging, machen das Haus zukunfts­fä­hig und sichern die Versor­gung vor Ort“, betont Klöckner.

Neubau fürs Klini­kum Friedrichshafen

In der Kreis­tags­sit­zung soll Lucha sich für einen „kleine­ren Neubau“ in Fried­richs­ha­fen ausge­spro­chen haben. „Was sich Minis­ter Lucha darun­ter vorstellt, entzieht sich leider unserer Kennt­nis“, sagt Brand. „Minis­ter Lucha hat öffent­lich immer wieder von zwei Zentral­ver­sor­ger-Kranken­häu­sern in der Region gespro­chen, eines in Ravens­burg und eines in Fried­richs­ha­fen. Diese Zusage muss weiter­hin gelten.“ Auch Klöck­ner betont: „Ich weiß leider nicht, was Minis­ter Lucha mit einem kleinen Kranken­haus meint. Denkt er an 500 Betten oder 1000 Betten oder 120 Betten – wobei Kranken­häu­ser dieser Größe hält Minis­ter Lucha ja nicht für überlebensfähig.“
Der MCB arbei­te jeden­falls an seiner Medizin­stra­te­gie 2030, so Klöck­ner: „Daraus ergeben sich dann unsere Visio­nen in Sachen Um‑, Aus- oder Neubau des Klini­kums Fried­richs­ha­fen. Den Auftrag dazu erteil­te uns der Haupt­ge­sell­schaf­ter des Klini­kums Fried­richs­ha­fen, die Stadt Fried­richs­ha­fen – und daran arbei­ten wir intensiv.“

Schlie­ßung 14 Nothel­fer in Weingarten

Neben den Visio­nen habe sich laut Bericht­erstat­tung Minis­ter Lucha in der Kreis­tags­sit­zung auch zur Vergan­gen­heit geäußert und die Übernah­me des Kranken­hau­ses 14 Nothel­fer durch den MCB als „größten Kardi­nal­feh­ler“ und „Schwach­sinn“ bezeich­net. Sowohl Brand als auch Klöck­ner möchten die Wortwahl des Minis­ters nicht weiter kommen­tie­ren. Inhalt­lich teilen sie dessen Sicht­wei­se nicht: „Rückwärts betrach­tet sind wohlfei­le Ratschlä­ge immer einfach: Zum Zeitpunkt der Übernah­me von 14 Nothel­fer in Weingar­ten war die Entschei­dung gründ­lich abgewo­gen und richtig“, sagt Brand. In der Vergan­gen­heit hätten das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um und die Landes­re­gie­rung den Kurs des kommu­na­len Klinik­ver­bun­des MCB stets positiv beglei­tet. Gerade im Zuge der Übernah­me habe man mit dem Land zahlrei­che Gesprä­che geführt – Kritik sei damals keine geäußert worden, ganz im Gegen­teil, 14 Nothel­fer war fester Teil des Kranken­haus­be­darfs­plans des Landes. 

Noch im Jahr 2017 hatte sich der Minis­ter sehr wohlwol­lend zur Ausrich­tung von MCB und OSK geäußert. Bei einem Gespräch mit Vertre­tern des Presse­clubs „Netzwerk Kommu­ni­ka­ti­on“ bezeich­ne­te er beide Verbün­de „als vorbild­lich“ (Südku­rier, 29.10.2017).

Ablen­kungs­ma­nö­ver?

„Es scheint fast, als wolle der Minis­ter mit seinem Vorstoß im Kreis­tag Ravens­burg ablen­ken von den akuten und aktuel­len Proble­men der landes­wei­ten Pande­mie­be­kämp­fung, von der schlep­pen­den Impfkam­pa­gne bis hin zum 2G+-Chaos vom Wochen­en­de“, vermu­tet Klöckner. 

Für Stadt und MCB, die Mitar­bei­ten­den und die Bevöl­ke­rung in Fried­richs­ha­fen, Tettnang und im Boden­see­kreis kommen die Aussa­gen jeden­falls völlig zur Unzeit: „Minis­ter Lucha verur­sacht mit diesen Aussa­gen eine unnöti­ge Hektik vor Weihnach­ten und mitten in der vierten Pande­mie-Welle. Die Mitar­bei­ten­den der Kranken­häu­ser sind maximal angespannt und erschöpft nach 20 Monaten Corona-Pande­mie-Bewäl­ti­gung und stellen sich dennoch täglich der kaum zu bewäl­ti­gen­den Arbeit“, betont Klöck­ner „Ganz abgese­hen davon, dass dringend gesuch­te Pflege­kräf­te, die sich vielleicht für eine Stelle zum Beispiel in der Klinik Tettnang inter­es­sie­ren, nun vielleicht einen Rückzie­her machen.“ Was solche Aussa­gen mit erschöpf­ten und dünnhäu­tig gewor­de­nen Kolle­gin­nen und Kolle­gen machen, könne sich wohl jeder denken und sollte einem Gesund­heits- und Sozial­mi­nis­ter bewusst sein.

Einla­dung zum Gespräch

„Wir setzen das Gespräch mit Minis­ter Lucha wie in der Vergan­gen­heit auch fort. Es ist das gemein­sa­me Ziel von Stadt und Land gleicher­ma­ßen, eine gute Kranken­haus­ver­sor­gung in der Stadt, dem Boden­see­kreis und der Region sicher­zu­stel­len. Das schaf­fen wir am besten mitein­an­der“, so Brand. Das Klini­kum Fried­richs­ha­fen werde die durch den Minis­ter aufge­wor­fe­nen Fragen und Irrita­tio­nen klar- und richtig­stel­len: „Der Minis­ter kann gerne seine Ideen eines starken Klini­kums Fried­richs­ha­fen vorstel­len und mit uns disku­tie­ren – so wie in Ravens­burg auch. Klare Förder- und Planungs­zu­sa­gen sind für die Gesund­heits­ver­sor­gung der Menschen vor Ort wichtig.“ 

Positiv bewer­tet OB Brand die Haltung des Minis­ters, den Boden­see­kreis in die solida­ri­sche Mitver­ant­wor­tung für die Kranken­häu­ser einzu­be­zie­hen. Das gehe am besten mit sinnvol­ler Zusam­men­ar­beit, starken Häusern vor Ort, weiter­hin enger Abstim­mung und Unter­stüt­zung durch das Sozial- und Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um, abgestimm­ten medizi­ni­schen Konzep­ten sowie unter­neh­me­ri­scher und gesell­schaft­li­cher Eigen­ver­ant­wor­tung der OSK und des MCB.