Präsi­dent Trump verschärft seine unbeleg­ten Betrugs­vor­wür­fe bei der Wahl in den USA und sieht sich weiter als Sieger. Ex-Präsi­dent Obama wirft seinem Nachfol­ger vor, «die Reali­tät zu leugnen» — und warnt vor Konse­quen­zen für die Sicher­heit der USA.

«Wenn Ihre Zeit vorbei ist, dann ist es Ihre Aufga­be, das Land an die erste Stelle zu setzen und über Ihr eigenes Ego, Ihre eigenen Inter­es­sen und Ihre eigenen Enttäu­schun­gen hinaus zu denken», sagte der Demokrat Obama dem Sender CBS in einem am Sonntag­abend (Ortszeit) ausge­strahl­ten Inter­view. Der Republi­ka­ner Trump verschärf­te dagegen am Montag seine unbeleg­ten Betrugs­vor­wür­fe bei der Wahl, bei der sein demokra­ti­scher Kontra­hent Joe Biden zum Sieger ausge­ru­fen worden war.

«Die betrü­ge­rischs­te Wahl in der Geschich­te!», schrieb Trump auf Twitter. «Ich habe die Wahl gewon­nen!» Twitter versah beide Tweets mit Warnun­gen und verwies unter anderem darauf, dass ein anderer Wahlsie­ger ausge­ru­fen worden sei.

In einer Serie weite­rer Tweets und Retweets verbrei­te­te der amtie­ren­de Präsi­dent Betrugs­vor­wür­fe im Zusam­men­hang mit Wahlsoft­ware der Firma Domini­on. Mehre­re US-Behör­den haben diese Gerüch­te bereits vor Tagen zurück­ge­wie­sen und von der sichers­ten Wahl in der ameri­ka­ni­schen Geschich­te gespro­chen. In der Nacht zu Montag kündig­te Trump weite­re Klagen an. Zudem überschüt­tet Trumps Wahlkampf­team seine Anhän­ger mit Aufru­fen zu Spenden.

Biden berei­tet sich weiter auf die Übernah­me der Amtsge­schäf­te nach seiner Verei­di­gung am 20. Januar in Washing­ton vor, obwohl Trump eine ordnungs­ge­mä­ße Überga­be bislang verwei­gert. Biden — der 2009 bis 2018 Vizeprä­si­dent unter Obama war — legt seinen Schwer­punkt auf die Bekämp­fung der Corona­vi­rus-Pande­mie, die in den USA außer Kontrol­le geraten ist. Die Zahl der seit Beginn der Pande­mie bestä­tig­ten Corona­vi­rus-Infek­tio­nen war am Sonntag inner­halb von weniger als einer Woche von zehn auf elf Millio­nen Fälle gestiegen.

Biden begrüß­te die Fortschrit­te beim Corona-Impfstoff der US-Firma Moder­na, mahnte die Ameri­ka­ner aber zugleich zur Vorsicht. «Die heuti­ge Nachricht zu einem zweiten Impfstoff ist ein weite­rer Grund, um hoffnungs­voll zu sein», schrieb Biden am Montag auf Twitter und lobte die Verant­wort­li­chen für den «Durch­bruch». Man sei noch Monate davon entfernt, dass weite Teile der Bevöl­ke­rung geimpft werden könnten. Trump schrieb auf Twitter, Histo­ri­ker sollten sich daran erinnern, «dass diese großar­ti­gen Entde­ckun­gen, die die China-Seuche beenden werden, unter meiner Aufsicht gemacht wurden».

Obama sagte im Sender CBS auf die Frage, ob es an der Zeit für Trump sei, seine Nieder­la­ge einzu­ge­ste­hen: «Absolut.» Das wäre eigent­lich schon am Tag nach der Wahl vom 3. Novem­ber oder spätes­tens zwei Tage später fällig gewesen. Es gebe kein Szena­rio, bei dem Trump das Ergeb­nis noch drehen könne. Obama gibt derzeit vor dem Erschei­nen seines Buches «A Promi­sed Land» an diesem Diens­tag eine ganze Reihe an Interviews.

Dem Sender NPR sagte der Ex-Präsi­dent in einem am Montag ausge­strahl­ten Inter­view mit Blick auf Trump: «Ich denke nicht, dass er Erfolg damit haben wird, die Reali­tät zu leugnen.» Obama warnte zugleich, dass die Zeit, die verstrei­che, weil Trump eine geord­ne­te Amtsüber­ga­be verwei­ge­re, echte Konse­quen­zen für die USA haben könne. «Wir sind mitten in einer Pande­mie. Wir sind mitten in einer Wirtschafts­kri­se. Wir haben ernste Fragen der natio­na­len Sicherheit.»

Obama sagte, nach seiner Wahl ins höchs­te Amt der USA im Jahr 2008 habe die Regie­rung seines Vorgän­gers George W. Bush trotz der politi­schen Diffe­ren­zen einen reibungs­lo­sen Übergang ermög­licht. «Das bedeu­te­te, dass wir sofort voll einsatz­fä­hig und in der Lage waren, effek­ti­ver zu reagie­ren.» Dies sei daher ein weite­res Beispiel dafür, wie «Donald Trumps Missach­tung grund­le­gen­der demokra­ti­scher Normen dem ameri­ka­ni­schen Volk schadet».

Biden will gleich am ersten Tag im Weißen Haus mehre­re politi­sche Entschei­dun­gen Trumps rückgän­gig machen. «Wir haben viel vor für Tag eins», sagte Bidens Stabs­chef Ronald Klain am Sonntag im TV-Sender NBC. Unter anderem sei geplant, gleich wieder dem Klima­ab­kom­men von Paris beizu­tre­ten, junge Migran­ten in den USA zu schüt­zen und Maßnah­men zum Gesund­heits­we­sen zu ergrei­fen. Biden kann die Schrit­te nach der Amtsüber­nah­me am 20. Januar als Präsi­den­ten-Erlas­se einleiten.

Trump war aus dem Pariser Klima­ab­kom­men ausge­tre­ten. Auch versuch­te er, das Programm abzuschaf­fen, das Migran­ten, die als Kinder mit ihren Eltern illegal in die USA kamen, vor Abschie­bung schützt.

Klain beton­te zugleich, dass Biden bereits Maßnah­men gegen die Corona-Pande­mie für seine Amtszeit vorbe­rei­te und sich unter anderem mit Wissen­schaft­lern berate. Seine Handlungs­mög­lich­kei­ten seien aber beschränkt: «Er ist nicht der Präsi­dent.» Es gebe nicht viel, was Biden aktuell machen könne, außer die Trump-Regie­rung und örtli­che Behör­den zum Handeln aufzu­ru­fen. «Das wird sich am 20. Januar ändern. Aber wird sind jetzt in einer Krise, die sich verschlimmert.»