Öster­reich steht unter Beobach­tung. Das Land wagt die Öffnung aller Geschäf­te und der Schulen. Die stren­gen Hygie­ne­re­geln sollen die Macht der Pande­mie endlich brechen. Zugleich rückt Tirol wieder ins Blickfeld.

WIEN (dpa) — Isola­ti­on eines Bundes­lands oder gar nichts tun? Öster­reichs Regie­rung hat sich für eine Art Mittel­weg entschie­den. Die Reise­war­nung für das eigene Bundes­land Tirol wegen der dort vermehrt aufge­tre­te­nen Südafri­ka-Mutati­on des Corona­vi­rus ist ein Signal und ein Appell — mehr nicht.

Es sei alles zu tun, «um zu verhin­dern, dass sich diese Mutatio­nen immer weiter ausbrei­ten»: Mit diesen Worten rief Kanzler Sebas­ti­an Kurz auf, alle nicht zwingend nötigen Reisen zu unter­las­sen. Inzwi­schen geht die Regie­rung davon aus, dass die Zahl der aktiven Infek­tio­nen mit der Mutati­on bei 140 liegt — ein Vielfa­ches der bisher gehan­del­ten Daten. Eine Verschär­fung der Grenz­kon­trol­len ist die logische Folge. 

Die Warnung war beglei­tet von einem Maßnah­men­pa­ket Tirols. So sind für die Benut­zung von Seilbah­nen nun auch negati­ve Corona-Tests nötig. Obendrein soll massen­wei­se getes­tet werden, insbe­son­de­re in den von der Mutati­on betrof­fe­nen Gebie­ten. Eine zentra­le Frage ist auch, ob Tirol vor allem deshalb im Fokus steht, weil das Land im großen Stil die Infek­ti­ons­la­ge erforscht. «Wir sind beim Sequen­zie­ren Vorrei­ter in Öster­reich, weshalb uns im Moment auch die vollstän­digs­te und umfas­sends­te Daten­la­ge zur Verfü­gung steht», meint Landes­chef Günther Platter. Das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um spricht laut ORF aber davon, dass im ganzen Land gleicher­ma­ßen sequen­ziert werde.

Der Tiroler Minis­ter­prä­si­dent und die Verbands­spit­zen der Wirtschaft wehren sich seit Tagen gegen ein Sonder­op­fer der selbst­be­wuss­ten Tiroler. Viele in dem bei Deutschen belieb­ten Bundes­land sehen sich seit dem Fall Ischgl unter Dauer­be­ob­ach­tung. Tirols Wirtschafts­kam­mer­prä­si­dent Chris­toph Walser lehnte eine disku­tier­te Abschot­tung als «Schlag unter die Gürtel­li­nie» ab. Bei mögli­chen Maßnah­men würde das Minis­te­ri­um die Tiroler erst «richtig kennen­ler­nen». Ischgl, das im März 2020 zum Hotspot bei der Verbrei­tung des Virus wurde, ist für die einen Mahnung, für die anderen eine inzwi­schen ungerecht­fer­tig­te Bürde.

Die aktuel­len Corona-Zahlen für Tirol schei­nen allen Recht zu geben, die gegen eine Alarm­stim­mung sind: So ist die Zahl der aktuell mit dem Corona­vi­rus infizier­ten Menschen weiter rückläu­fig, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt unter dem Durch­schnitt in Öster­reich. Für die Alpen­re­pu­blik mit rund neun Millio­nen Einwoh­nern wurden am Montag mehr als 1000 Neuin­fek­tio­nen gemeldet.

Doch das ist eine Moment­auf­nah­me. Dies gilt umso mehr, da Öster­reich ganz im Gegen­satz zu Deutsch­land am Montag den harten Lockdown beendet hat. Zur großen Freude der Einzel­händ­ler und vieler Kunden sind alle Läden wieder offen. Gefragt waren nach einem ersten Überblick des Handels­ver­bands vor allem Texti­li­en. Nach 34 verlo­re­nen Einkaufs­ta­gen öffne­ten 22 500 statio­nä­re Händler jenseits von etwa Super­märk­ten und Droge­rien ihre Geschäf­te unter stren­gen Aufla­gen wieder. «Wir sind mit dem heuti­gen Geschäfts­start zufrie­den. Auffäl­lig ist, dass die Waren­kör­be weit größer sind als üblich», so ein Sprecher des Handelsverbands. 

Und auch der Gang zum Friseur ist wieder möglich — aller­dings nur mit einem negati­ven Corona-Test. In den Schulen herrscht wieder Betrieb, zumin­dest für all dieje­ni­gen, die sich zweimal in der Woche selbst vor Ort testen.

Generell ist die Öffnung von einer umfas­sen­den Test-Offen­si­ve beglei­tet. Viele Apothe­ken bieten seit Montag kosten­lo­se Antigen-Schnell­tests an. «Unsere Termi­ne sind auf drei Wochen ausge­bucht», sagte ein Apothe­ker in Wien der öster­rei­chi­schen Nachrich­ten­agen­tur APA. Darüber hinaus stehen zumin­dest in Wien eine Reihe von Drive-In-Teststra­ßen zur Verfü­gung. Ab März soll in Öster­reichs Haupt­stadt ein PCR-Gurgel­test im Angebot sein, den alle kosten­los im Betrieb oder zu Hause machen können. 

Öster­reich erobert sich inmit­ten vieler Frage­zei­chen rund um die Mutatio­nen des Corona­vi­rus ein gutes Stück Norma­li­tät zurück. Aber alle wissen: Es ist ein Ritt auf der Rasier­klin­ge, wie es ein Spitzen­po­li­ti­ker der regie­ren­den konser­va­ti­ven ÖVP kürzlich formulierte.