OYONNAX (dpa) — Der 108. Tour de France droht die Langeweile. Vorjahressieger Pogacar fährt in einer eigenen Liga. Seine Rivalen verlieren bereits auf der ersten Alpen-Etappe den Anschluss.
Mathieu van der Poel verliert das Gelbe Trikot, Emanuel Buchmann den Anschluss — stattdessen entwickelt sich die 108. Tour de France zur One-Man-Show von Vorjahressieger Tadej Pogacar.
Der junge Slowene hat die erste Alpen-Etappe gleich zu einer eindrucksvollen Machtdemonstration genutzt. Pogacar fuhr am Samstag beim Etappensieg von Ausreißer Dylan Teuns allen Rivalen davon, schnappte sich das Gelbe Trikot und scheint auf dem Weg zum zweiten Triumph in Paris kaum zu schlagen zu sein.
Pogacar-Rivalen verlieren den Anschluss
Auf der 150,8 Kilometer langen achten Etappe erreichte Pogacar als Vierter 49 Sekunden hinter Teuns das Ziel in Le-Grand-Bornand, wo Linus Gerdemann 2007 mit seinem Etappensieg das Gelbe Trikot erobert hatte. Dieses Mal gehörte die Bühne dem wie entfesselt fahrenden Pogacar. Seine größten Rivalen, allen voran Ex-Giro-Champion Richard Carapaz aus Ecuador, konnten ihm bereits am vorletzten Berg nicht mehr folgen und verloren mehr als drei Minuten auf den neuen Tour-Spitzenreiter. Auch für Buchmann hat sich das Thema Gesamtwertung erledigt, nachdem der Kletterspezialist früh abreißen lassen musste.
Für van der Poel endete erwartungsgemäß nach sechs Tagen die Triumphfahrt in Gelb. Zwischen den Bergriesen in den Alpen war der Enkel von Raymond Poulidor mit den Kräften am Ende. In der Gesamtwertung liegt nun Pogacar 1:48 Minuten vor dem Belgier Wout van Aert. Doch damit nicht genug: Pogacars slowenischer Landsmann und Rivale Primoz Roglic, im Vorjahr noch unglücklich Zweiter, sowie Ex-Sieger Geraint Thomas mussten ihren schweren Sturzverletzungen erneut Tribut zollen und mit riesigem Rückstand endgültig alle Hoffnungen auf das Podium in Paris begraben.
Buchmann kann Tempo nicht mehr folgen
Eine Enttäuschung war die Etappe auch für das deutsche Bora-hansgrohe-Team. Buchmann war im Dauerregen weder ein Kandidat für eine Ausreißergruppe noch eine große Hilfe für Kapitän Wilco Kelderman. Der Niederländer war genauso perplex wie alle anderen Kletterspezialisten, als Pogacar am Col de Romme die Initiative ergriff. Der 22-Jährige hatte seine Ausnahmestellung schon beim Sieg im Einzelzeitfahren auf der fünften Etappe dokumentiert.
Den Tagessieg sicherte sich der Belgier Teuns, der als letzter verbliebener Ausreißer wenige Sekunden vor Pogacar über den letzten Gipfel rettete und dann mit einer furiosen Abfahrt den zweiten Tour-Etappensieg nach 2019 einfuhr. Der Spanier Ion Izaguirre und Michael Woods aus Kanada schlossen in der Abfahrt noch zu Pogacar auf und belegten die Plätze zwei und drei.
Der verregnete Start in Oyonnax war kaum erfolgt, da konnte Thomas dem Tempo des Hauptfeldes auch schon nicht mehr folgen. Der Brite fuhr in der Gruppe der Sprinter, zu der auch der zweimalige Etappensieger Mark Cavendish im Grünen Trikot gehörte. Entsprechend wuchs Thomas’ Rückstand schnell auf mehrere Minuten an. Der Waliser war auf der dritten Etappe gestürzt und hatte sich dabei die Schulter ausgekugelt.
Nach 25 Kilometer verabschiedete sich in Primoz Roglic der nächste prominente Name aus dem Peloton. Der von seinen Sturzverletzungen schwer gezeichnete Vuelta-Champion hatte schon am Vortag einen Einbruch erlebt und fast vier Minuten auf Tour-Champion Pogacar verloren.
Am Sonntag wartet die erste Bergankunft auf die Fahrer. Auf der neunten Etappe von Cluses nach Tignes geht es die letzten 21 Kilometer im Schnitt 5,6 Prozent hinauf. Zuvor ist unter anderem der Col du Pré, der erste Berg der höchsten Kategorie bei der Tour 2021, zu bewältigen.
Von Stefan Tabeling und Tom Bachmann, dpa