DAVOS (dpa) — Diskus­si­ons­stoff für das Weltwirt­schafts­fo­rum in Davos: Die Reichen werden in der Krise nur noch reicher, sagt Oxfam. Die politi­sche Forde­rung ist klar — wird aber nicht von allen gern gehört.

Vor dem Start des Weltwirt­schafts­fo­rums (WEF) in Davos hat die Entwick­lungs­or­ga­ni­sa­ti­on Oxfam mit Nachdruck vor steigen­der Ungleich­heit in der Welt, aber auch in Deutsch­land gewarnt. Erstmals seit 25 Jahren hätten extre­mer Reich­tum und extre­me Armut zuletzt gleich­zei­tig zugenom­men. Durch den deutli­chen Anstieg der Lebens­mit­tel- und Energie­prei­se im vergan­ge­nen Jahr seien Milli­ar­dä­re noch reicher gewor­den. «Während Millio­nen Menschen nicht wissen, wie sie Lebens­mit­tel und Energie bezah­len sollen, bringen die Krisen unserer Zeit gigan­ti­sche Vermö­gens­zu­wäch­se für Milliardär*innen», sagte Oxfam-Referent Manuel Schmitt.

Wie aus dem Bericht der kapita­lis­mus­kri­ti­schen Organi­sa­ti­on zur WEF-Jahres­ta­gung in Davos hervor­geht, haben 95 Lebens­mit­tel- und Energie­kon­zer­ne weltweit ihre Gewin­ne im Jahr 2022 mehr als verdop­pelt. Sie erziel­ten demnach 306 Milli­ar­den US-Dollar an Zufalls­ge­win­nen und schüt­te­ten 257 Milli­ar­den US-Dollar (84 Prozent) davon an Aktio­nä­rin­nen und Aktio­nä­re aus. Oxfam definiert hier Gewin­ne als Zufalls­ge­win­ne, wenn sie den Durch­schnitt der Jahre 2018 bis 2021 um 10 Prozent oder mehr übersteigen.

Das reichs­te Prozent sahnt laut Oxfam ab

Unter dem Strich seien Konzer­ne und Super­rei­che die Gewin­ner von Corona-Pande­mie und Energie­kri­se, hielt Oxfam fest. So habe das reichs­te Prozent der Weltbe­völ­ke­rung seit Beginn der Corona-Pande­mie rund zwei Drittel des weltwei­ten Vermö­gens­zu­wach­ses kassiert. In Deutsch­land sei der Trend noch deutli­cher: Vom Vermö­gens­zu­wachs, der 2020 und 2021 in Deutsch­land erwirt­schaf­tet wurde, entfie­len demnach 81 Prozent auf das reichs­te eine Prozent der Bevölkerung.

Das Gesamt­ver­mö­gen aller Milli­ar­dä­rin­nen und Milli­ar­dä­re sei seit 2020 im Durch­schnitt täglich um 2,7 Milli­ar­den US-Dollar gestie­gen. Für jeden pro Kopf erziel­ten US-Dollar Vermö­gens­zu­wachs in den ärmeren 90 Prozent der Weltbe­völ­ke­rung habe ein Milli­ar­där im Schnitt 1,7 Millio­nen US-Dollar hinzugewonnen.

Zugleich leben laut Oxfam mindes­tens 1,7 Milli­ar­den Arbeit­neh­me­rin­nen und Arbeit­neh­mer in Ländern, in denen die Infla­ti­on größer ist als die Lohnent­wick­lung. Etwa jeder zehnte Mensch auf der Erde hungere.

Schul­ze: Sind zurück­ge­wor­fen worden

Auch Entwick­lungs­mi­nis­te­rin Svenja Schul­ze hält diese Entwick­lung für gefähr­lich. «Pande­mie, Konflik­te und nicht zuletzt der russi­sche Angriffs­krieg haben uns um Jahre zurück­ge­wor­fen bei Armut, Hunger, Gesund­heit oder Bildung — während die Reichen noch reicher gewor­den sind», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. «Wenn wir die Ungleich­heit weltweit nicht reduzie­ren, werden wir die Zeit der Krisen nicht überwin­den können», warnte die SPD-Politi­ke­rin. Es sei wichtig, sozia­le Siche­rungs­net­ze aufzu­bau­en, die Menschen bei Verlust des Einkom­mens, des Zuhau­ses, bei Eltern­schaft und Arbeits­un­fä­hig­keit auffingen.

Oxfam fordert als Weg aus der Krise dagegen vor allem höhere Steuern für Reiche. Jahrzehn­te­lan­ge Steuer­sen­kun­gen für die Reichs­ten und für Unter­neh­men hätten die Ungleich­heit zuletzt verschärft. In manchen Ländern hätten die Ärmsten höhere Steuer­sät­ze als Milli­ar­dä­re. Weltweit stammen laut Oxfam nur noch vier Prozent der Steuer­ein­nah­men aus Steuern auf Vermö­gen. «Konzer­ne und ihre super­rei­chen Haupteigentümer*innen müssen endlich ihren fairen Beitrag zum Gemein­wohl leisten», forder­te Schmitt.

Von der Bundes­re­gie­rung erwar­tet Oxfam konkret die Einfüh­rung einer Steuer auf ungewöhn­lich hohe Gewin­ne während der Energie­kri­se. Solche sogenann­ten Überge­win­ne müssten mit mindes­tens 50 Prozent besteu­ert werden. Außer­dem müsse wieder eine Vermö­gens­steu­er einge­führt werden. Nötig sei zudem eine einma­li­ge Abgabe auf der hohe Vermö­gen. Das Geld solle in Bildung, Gesund­heit und die sozia­len Siche­rungs­sys­te­me inves­tiert werden.