Corona hat den Verkehr ausge­bremst. Wer mit dem Auto zur Arbeit pendel­te, konnte 2020 in einigen Städten übers Jahr gerech­net fast einen Tag an Zeit sparen. Staufrei war die Fahrt aber bei weitem nicht.

MÜNCHEN (dpa) — Stau auf dem Weg zur Arbeit, Stau auf dem Weg nach Hause: Auch im Corona-Jahr 2020 blieb das vielen Pendlern nicht erspart, obwohl Beschrän­kun­gen und Homeof­fice für deutlich weniger Verkehr sorgten.

In der deutschen Stau-Haupt­stadt München verlo­ren Pendler so über das Jahr hinweg im Schnitt 65 Stunden, wie aus einer am Diens­tag veröf­fent­lich­ten Analy­se des Verkehrs­da­ten­an­bie­ters Inrix hervor­geht. Das ist aller­dings fast ein Tag weniger als 2019, als der typische Münch­ner Pendler noch 87 Stunden einbüß­te. Und auch in anderen deutschen Städten sank der Zeitverlust.

Den stärks­ten Rückgang gab es in Frankfurt/Main und Düssel­dorf, wo die Pendler jeweils 23 Stunden weniger verlo­ren. Bundes­weit am stärks­ten leiden nach wie vor die Münch­ner unter Staus. Nummer zwei bleibt Berlin mit 46 Stunden — immer­hin 20 weniger als im Jahr davor. Dahin­ter folgt Nürnberg: Weil der Zeitver­lust dort nur um 7 auf 35 Stunden sank, springt die Stadt vom sechs­ten auf den dritten Platz der Stau-Städte. Hamburg liegt mit 33 Stunden auf Rang vier vor Leipzig (31), Freiburg (30), Hanno­ver (28), Düssel­dorf und Bremen mit je 27 Stunden sowie Stutt­gart mit 26.

Der Grund für den Stau-Rückgang ist schnell gefun­den: Die durch­schnitt­li­che tägli­che Fahrleis­tung sank deutlich — bei den zehn belas­tets­ten Städten um Werte zwischen 12 und 25 Prozent. «Das Corona-Virus verän­dert die Art und Weise, wann, wo und wie wir uns bewegen», sagt Bob Pishue, Verkehrs­ana­lyst bei Inrix. «Die morgend­li­chen Pendler­strö­me in die Städte gingen weltweit zurück, da die Menschen ihre Fahrten zu Büros, Schulen, Einkaufs­zen­tren und anderen öffent­li­chen Orten reduzierten.»

Den weltweit höchs­ten Zeitver­lust durch Staus ermit­tel­te Inrix 2020 in der rumäni­schen Haupt­stadt Bukarest mit einem Zeitver­lust von 134 Stunden. Dahin­ter folgt Bogota in Kolum­bi­en mit 133 vor New York und Moskau mit je 100 Stunden. Im Vergleich dazu kommen die deutschen Autofah­rer noch glimpf­lich davon. Aller­dings rückten einige deutsche Städte im weltwei­ten Stau-Ranking hoch — München beispiels­wei­se von Platz 47 auf 20.

Auch andere Unter­neh­men und Organi­sa­tio­nen nehmen regel­mä­ßig die Stau-Dichte in Deutsch­land unter die Lupe — mit anderen Metho­den und teils unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen. So kam der Karten-Spezia­list TomTom zum Ergeb­nis, dass vergan­ge­nes Jahr Berlin vor Hamburg, Wiesba­den, Nürnberg und Stutt­gart am schlimms­ten von Staus betrof­fen war. München kommt hier erst auf Platz sieben. Der ADAC wieder­um betrach­tet die Stau-Inten­si­tät auf Autobah­nen, die meisten gibt es in Nordrhein-Westfa­len und Bayern. Auch in diesen Unter­su­chun­gen war das Stau-Aufkom­men aber klar rückläufig.

Exper­ten sehen Stau-Rankings mit gemisch­ten Gefüh­len. So findet Justin Geiste­feldt, Profes­sor für Verkehrs­we­sen an der Ruhr-Univer­si­tät Bochum, sie grund­sätz­lich «ein Stück weit proble­ma­tisch», weil sie Beson­der­hei­ten der einzel­nen Städte nicht ausrei­chend berück­sich­tig­ten. «Die Platzie­rung im Ranking sagt wenig über die Quali­tät des Verkehrs­ma­nage­ments oder das Angebot alter­na­ti­ver Verkehrs­mit­tel aus», sagt er. Dennoch liefer­ten die Studi­en gewis­se Hinwei­se: «Es gibt kaum eine besse­re Daten­grund­la­ge, um das Stau-Gesche­hen zu bewerten.»

Inrix betrach­tet für seine Erhebung typische Pendler­stre­cken in den unter­such­ten Städten und berech­net, wie viel Zeit Autofah­rer dort durch Staus verlie­ren. Das Unter­neh­men verkauft Verkehrs­ana­ly­sen und Dienst­leis­tun­gen für vernetz­te Autos an Verwal­tun­gen und Unter­neh­men. Je größer die Stau-Proble­me erschei­nen, desto besser sind seine Geschäftsaussichten.